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ist man immer schlauer, und… na ja, was soll ich sagen – zuerst hat’s ja auch gewirkt. Die Schmerzen waren wie weggeblasen.«

      Sebastian Trenker mußte trotz allem schmunzeln. Manche Leut’ sind doch unbelehrbar.

      *

      Sebastian befürchtete, daß dem angenehmen Besuch im Krankenhaus nun ein eher unangenehmer folgen würde. Das Hotel, in dem Lore Inzinger arbeitete, lag im Stadtzentrum. Der Geistliche stellte seinen Wagen in einem Parkhaus ab und schlenderte durch die Straßen. Bald hatte er sein Ziel erreicht. Gegenüber des Marktplatzes erhob sich ein großes weißes Haus. Hotel ›Zum Hirschen‹ stand in goldenen Lettern über dem Eingang, und gleich daneben hing die steinerne Figur eines Zwölfenders. Sebastian betrat die Hotelhalle und fand dort den Hinweis auf das Restaurant. Es lag einen kurzen Gang hinunter im hinteren Bereich der Halle. Der Pfarrer wollte dort einen Kaffee trinken und sich nach Lore erkundigen. Aber das brauchte er gar nicht. Wie sich herausstellte, hatte das Madel Dienst im Restaurant. Sie schaute erst ungläubig, dann hellte sich ihre Miene auf, als sie Sebastian erkannte.

      »Herr Pfarrer, Grüß Gott. Was machen Sie denn hier?«

      »Einen Kaffee möcht’ ich trinken«, antwortete Sebastian und schüttelte ihre Hand.

      Er sah sich um. Das Restaurant hatte vielleicht vierzig Sitzplätze und war hell und freundlich eingerichtet. Ein paar Tische waren noch mit späten Mittagsgästen besetzt. An einigen anderen wurde schon Kaffee getrunken und Kuchen gegessen.

      »Hier arbeitest du also«, sagte der Pfarrer. »Ein wirklich schönes Lokal.«

      »Und ein sehr gutes Hotel«, betonte Lore. »Wir werden sogar in mehreren Hotelführern und Feinschmeckerzeitschriften lobend erwähnt. Aber setzen Sie sich doch.«

      Lore führte ihn an einen Tisch und reichte ihm eine kleine Karte. Darauf waren einige Sorten Kaffee aufgeführt. Es war alles sehr verlockend zu lesen, aber Kaffee mit Weinbrand oder Likör schien Sebastian nicht das richtige zu sein, zumal er noch die Fahrt zurück nach St. Johann vor sich hatte. Er blieb beim einfachen schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker.

      »Ein Kännchen bitte«, sagte er zu Lore und gab ihr die Karte zurück.

      »Kuchen auch?« fragte das Madel. »Wir hätten einen Nußkuchen, oder eine Schwarzwälder Kirschtorte.«

      »Ich glaub’, der Kaffee reicht mir. Weißt’, meine Haushälterin kocht so gut und reichlich, da ist für Kuchen eigentlich kein Platz mehr.«

      Lore lachte und verschwand durch eine Tür hinter dem Tresen. Dort befand sich die Kaffeeküche. Schon nach kurzer Zeit kam sie wieder zurück. Auf einem silbernen Tablett trug sie das Kännchen und die Tasse. Auf einem kleinen Tellerchen lagen zwei Stückchen Schokolade in Silberpapier eingepackt, auf dem der Name des Hotels stand.

      Sebastian bedankte sich. Bevor Lore sich umdrehte, fragte er, ob er sie später noch einmal sprechen könne. Das Madel bejahte.

      »In einer halben Stunde habe ich meine Schicht beendet«, sagte sie. »Dann haben wir Zeit.«

      Sebastian nickte und widmete sich seinem Kaffee, der wirklich ausgezeichnet schmeckte. Nebenher blätterte er in einer Zeitung, die Lore ihm gebracht hatte.

      Schließlich hatte sie ihre Freistunde. Lore Inzinger hatte sich umgezogen und setzte sich zu Sebastian an den Tisch.

      »Ich hoffe, dein Chef hat nichts dagegen, daß du hier mit mir sitzt«, sagte der Pfarrer. »Ich weiß, daß das in manchen Hotels net gern’ gesehen wird.«

      »Das geht schon in Ordnung«, erwiderte das Madel. »Möchten S’ noch einen Kaffee?«

      Sebastian lehnte dankend ab.

      »So, was wollen S’ denn eigentlich mit mir besprechen, Hochwürden?«

      Der Geistliche sah das Madel einen Moment nachdenklich an. Er kannte Lore seit ihrer Taufe und später von ihrer Kommunion. Er hatte sie eigentlich als freundliches und aufgeschlossenes Madel in Erinnerung. Konnte man ihr wirklich zutrauen, solch ein Gerücht in die Welt gesetzt zu haben?

      »Lore, was ich mit dir zu bereden hab’, ist eine sehr ernste Angelegenheit«, begann er.

      Sie schaute ihn ernst und erwartungsvoll an, und plötzlich spürte sie ein merkwürdiges Gefühl im Bauch und ahnte, was Pfarrer Trenker von ihr wollte.

      »Ich hab’ mit dem Tobias gesprochen, mit der Christel und ihrer Mutter. Ist es wirklich wahr, was du der Maria Hornhauser erzählt hast? Daß der Tobias dich hat sitzenlassen? Und daß er dich wegen der Christel verlassen hat?«

      In Lores Gesicht zuckte es. Sie kämpfte mit den Tränen. Du liebe Zeit, das hatte sie doch alles net so ernst genommen. Ein bißchen rächen wollt’ sie sich, für die Schmach, daß der Tobias nichts mehr von ihr wissen wollt’.

      Ja, sie hatte gelogen, weil sie der Neuen weh tun wollte.

      Lore stützte ihren Kopf in den Händen und schluchzte. Von den anderen Gästen schaute niemand herüber, nur die Kollegin, die das Madel abgelöst hatte, sah ab

      und zu neugierig vom Tresen zu dem Tisch, an dem die beiden saßen.

      »Dann stimmt das also alles net?«

      Das Madel schüttelte seinen Kopf.

      »Es…, es tut mir furchtbar leid«, flüsterte sie. »Und ich schäme mich so.«

      Pfarrer Trenker strich ihr tröstend über das Haar. Eines der zehn Gebote lautet: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten – aber der Geistliche, der für die Schwächen der Menschen jedes Verständnis hatte, war nicht hergekommen, um dem Madel einen theologischen Vortrag zu halten. Ihm ging es einzig darum, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und er spürte, daß Lore ihr Handeln bitter bereute.

      »Es hätte einen größeren Schaden geben können«, sagte er. »Der ist, gottlob, net eingetreten. Ich bin überzeugt, daß es für Tobias und Christel noch net zu spät ist, und auch du wirst eines Tages den Mann finden, der einen festen Platz in deinem Herzen haben wird.«

      Er verabschiedete sich und ging zurück zu seinem Wagen. Auf der Fahrt nach St. Johann hatte er Zeit genug, über das nachzudenken, wozu verletzte Eitelkeit den Menschen verleiten konnte.

      *

      Max Trenker ging an diesem Abend mit einem unguten Gefühl zum Pfarrhaus hinüber. Sein Bruder hatte ihn extra eine halbe Stunde eher bestellt, als es dort für gewöhnlich Abendessen gab. Und Max konnte sich schon denken, was Sebastian mit ihm zu besprechen hatte.

      Diese angebliche Verlobung mit Resl Leitner hatte mehr Staub in St. Johann aufgewirbelt, als zunächst angenommen. Den ganzen Tag über, jedenfalls, so lange der Gendarm auf dem Revier war, hatte das Telefon geläutet, und die Leute gratulierten. Max redete mit Engelszungen, um ihnen klarzumachen, daß das alles ein einziger Irrtum war.

      »Geh’n S’ nur hinein, Max«, sagte Sophie Tappert. »Der Herr Pfarrer ist in seinem Arbeitszimmer.«

      Sie sagte nie ›Ihr Bruder‹, sondern immer ›Herr Pfarrer‹.

      Max öffnete die Tür und trat ein. Sebastian Trenker schaute von einem Brief auf, den er gerade las.

      »Grüß’ dich, Max«, nickte er seinem Bruder zu. »Setz dich doch.«

      Der Gendarm nahm Platz. Sebastian legte den Brief beiseite und sah ihn einen Moment schweigend an. Dann schüttelte er den Kopf.

      »Max, Max, was fang’ ich bloß mit dir an?«

      Der rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.

      »Ich weiß schon, was du sagen willst…«

      Sebastian Trenker schmunzelte.

      »Ich weiß wirklich net, wo das mit dir noch endet«, sagte er, wobei er sich bemühte, seiner Stimme einen strengen Ton zu geben. »Ich fürchte, wenn du net bald den Bund fürs Leben eingehst, kann ich dich net mehr vor wütenden Vätern oder Brüdern retten, bei all den gebrochenen

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