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Umgebung. Weiter, als bis Passau oder Regensburg mochte sie nicht fahren. Dazu hing sie viel zu sehr an der Heimat.

      »Vielen Dank, Frau Tappert«, sagte Pfarrer Trenker, während er scheinbar geistesabwesend den Stoß Papiere sortierte, der da vor ihm auf dem Schreibtisch lag.

      Die Haushälterin blickte ihn forschend an. In den Jahren, die sie nun schon in seinen Diensten stand, hatte Sophie Tappert ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, wenn Pfarrer Trenker mit irgendeinem Problem nicht weiterkam, und Sebastian hatte so manches Mal dankbar auf ihren Ratschlag zurückgegriffen.

      »Beschäftigt Sie etwas, Hochwürden?« fragte sie denn auch. Sebastian kannte seine Perle nur zu gut und wußte, daß er nichts vor ihr verheimlichen konnte.

      »Ja«, sagte er. »Die Sache mit Max geht mir nicht aus dem Kopf. Ich glaube ihm, daß er der Resl nix versprochen hat.« Er schaute auf die Uhr.

      »Eigentlich müßte er ja bald da sein«, meinte er. »Ich hoffe nur, daß der Vinzenz keine Dummheiten macht.«

      Sophie Tappert war froh, daß es nichts Schlimmeres war, das den Pfarrer bedrückte. Das war ein Problem, mit dem man fertig werden konnte, und über Max hatte sie ihre eigene Meinung.

      Sie mochte ihn, aber jedes Mal, wenn er es zu arg trieb, hätt’ sie ihn am liebsten übers Knie gelegt. Das schadet ihm gar nichts, wenn er mal ein bissel schmoren muß, dachte sie – sagte es aber nicht.

      »Das renkt sich schon alles ein«, meinte sie nur und ging hinaus.

      Kurz darauf klingelte es, und wenig später stürmte Max herein. Er schnaubte wütend und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Sebastian schmunzelte.

      »Ja, lach’ du nur«, sagte Max grimmig, als er das sah.

      »Was war denn?« wollte sein Bruder wissen.

      »So ein Hirsch, so ein damischer«, raunzte der Polizist. »Hat der wohl allen Ernstes geglaubt, ich käme zum Verlobungskaffee.«

      Er berichtete von dem Gespräch zwischen ihm und Vinzenz Leitner, und Sebastian blieb nichts anderes übrig, als ungläubig zuzuhören.

      »Aber sag’ mal, wie kann die Resl denn so etwas erzählen?« sagte er schließlich. »Das Madel kann doch net behaupten, du hättest ihr die Ehe versprochen.«

      »So muß es aber gewesen sein. Wie käme Vinzenz sonst auf den Gedanken, ich würde seine Schwester heiraten wollen?«

      Sebastian strich die Papiere glatt, auf denen er sich Notizen für seine Predigt gemacht hatte, dann stand er auf.

      »Ich denke, ich werd’ einmal mit dem Madel sprechen«, meinte er. »Nicht, daß die Resl sich da in etwas hineinsteigert, was nachher nicht wieder gutzumachen ist. Aber jetzt wird es Zeit für die Spätmesse.«

      Gemeinsam gingen sie zur Kirche hinüber. Sie wollten eben durch die hohe Tür eintreten, als jemand nach Max rief.

      Es war Sepp Reisinger, der über den Kiesweg herangelaufen kam. Er war völlig außer Atem.

      »Die Reisegruppe«, japste er. »Sie sind noch immer net zurück, und es ist doch schon dunkel. Wenn da nur nix passiert ist.«

      Sebastian und Max brauchten einen Moment, bevor sie aus seinen Worten schlau wurden.

      »Eine Reisegruppe?« fragte der Pfarrer. »Sind die etwa auf Bergtour? Bei dem Unwetter vorhin?«

      Der Löwenwirt nickte.

      »Ja, und – ich weiß ja net, wie es ihm geht, aber einer war dabei, der hatte gestern ziemliche Bauchschmerzen. Er hat dann einen Tee gekauft, beim Loisl, und die Schmerzen waren wohl auch weg…«

      Er schaute Sebastian und Max an.

      »Aber – es ist ja so eine Sache mit dem Loisl seinen Kräuterkuren…«, sagte er dann.

      »Allerdings.«

      Sebastian Trenker hatte sich schon öfter den Brandhuber vorgeknöpft, doch leider immer wieder ohne Erfolg.

      Er schaute zur Kirche hinüber.

      »Dann muß Vikar Mooser die Messe lesen«, entschied er kurzerhand und wandte sich an seinen Bruder. »Max, sag’ Dr. Wiesinger Bescheid, wir treffen uns in fünf Minuten beim Hotel. Bring’ noch ein paar Männer mit und Lampen – eben alles, was wir brauchen. Du weißt schon.«

      Der Polizist nickte und eilte mit dem Wirt fort. Sebastian lief in die Küche und unterrichtete den Vikar. Dann ging er ins Pfarrhaus hinüber und zog sich für die Bergtour um.

      »Wir können nur hoffen, daß sie einen Unterschlupf gefunden haben«, sagte er, als er beim Hotel angekommen war.

      Dort warteten schon Max und Toni Wiesinger, mit weiteren vier Männern.

      »Eine Höhle vielleicht, oder eine Berghütte.«

      Sie breiteten eine Karte aus.

      »Diese Route wollten sie nehmen«, sagte Sepp Reisinger, der sich ebenfalls anschloß, und zeigte den Weg auf der Karte.

      »Also, dann los«, gab Sebastian Trenker das Zeichen zum Aufbruch. »Hoffentlich finden wir sie bald, und hoffentlich geht’s dem Kranken einigermaßen.«

      »Ja, sonst kann sich jemand auf etwas gefaßt machen!« knurrte Dr. Wiesinger.

      *

      Auf dem Tanzsaal, im Hotel ›Zum Löwen‹, hatte keiner der Gäste etwas um die Aufregung über die vermißte Wandergruppe mitbekommen. Lediglich ein gedeckter Tisch mit einem Reserviert-Schild darauf, an dem niemand saß, deutete darauf hin, daß die Männer des Kegelvereins noch nicht wieder im Hotel waren.

      Irma Reisinger hatte mit ihren Saaltöchtern ihre Hände voll zu tun. Dummerweise war gerade an diesem Abend eine Aushilfe erkrankt und hatte abgesagt. Dazu kam, daß vorne im Restaurant eine Tafelrunde von zwanzig Gästen saß, die ebenfalls bedient werden wollte. Der sonst immer gut gelaunten Wirtin war das Lachen vergangen, schließlich war auch ihr Mann nicht da, so daß vier helfende Hände fehlten. Irma seufzte erleichtert auf, als die Saaltür geöffnet wurde, und Lore Inzinger eintrat. Die Wirtin eilte auf das einstige Lehrmädchen zu.

      »Lore, du bist meine Rettung«, sagte sie bittend. »Wir sind völlig unterbesetzt. Die Kathrin ist krank geworden, und mein Mann ist los, eine Wandergruppe suchen, die immer noch net zurück ist. Kannst du uns net ein wenig unter die Arme greifen?«

      Lore Inzinger trug einen schicken Hosenanzug und war besonders sorgfältig geschminkt. Am Nachmittag war sie noch beim Friseur gewesen.

      »Aber gerne, Frau Reisinger«, antwortete sie. »Wenn es Sie net stört, daß ich keine passende Arbeitskleidung anhab’. Ich hab’ ja net damit gerechnet, daß ich heute…«

      »Schon gut«, unterbrach Irma Reisinger sie. »Das ist schon recht so, mit der Kleidung. Wenn du gleich die drei Tische, drüben bei der Musik übernehmen willst.«

      »Mach ich, Frau Reisinger«, nickte Lore und verstaute ihre Handtasche unter dem Tresen.

      Dann schnappte sie sich Block und Stift, und steckte das Portemonnaie mit dem Wechselgeld ein.

      »Zapft’s schon mal ein paar Maß vor«, rief sie den beiden Saaltöchtern zu, die Tresendienst hatten, und rauschte über das Parkett.

      Irma Reisinger ging erleichtert nach vorn. Wenigstens hatte sie auf dem Saal jetzt genug Personal. Sie schaute in der Küche nach, und auch dort lief alles zu ihrer Zufriedenheit. Sie gönnte sich einen kleinen Moment der Ruhe und setzte sich nach vorne an die Rezeption. Hier, am Hoteleingang, war alles ruhig, und Irma legte dankbar die Füße auf den kleinen Schemel.

      Hoffentlich kommen’s alle wieder heil herunter, dachte sie, und ihre größte Sorge galt natürlich ihrem Sepp.

      *

      Christels Herz machte einen Sprung, als sie Tobias’ Wagen erkannte, der den Wirtschaftsweg zur Jenner-Alm heraufgefahren kam. Zum Glück hatte sich das fürchterliche Unwetter weiter nach

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