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der Sie­ger be­kommt al­les?« frag­te Ri­ve­ra.

      Dan­ny nick­te. Das ent­schied die Sa­che. Er wür­de in sei­ner höchs­ten Form den Ring be­tre­ten.

      »Sie sind ein Esel«, sag­te Ro­berts zu Ri­ve­ra. »Dan­ny wird Sie ganz si­cher schla­gen. Sie ha­ben ge­ra­de so viel Chan­ce wie ein Tau­trop­fen in der Höl­le.«

      Ri­ver­as Ant­wort war ein wohl­be­rech­ne­ter, has­s­er­füll­ter Blick. Selbst die­sen Grin­go ver­ach­te­te er, und da­bei hat­te er in Ro­berts doch den bes­ten von al­len Grin­gos ge­fun­den.

      IV

      Man be­ach­te­te Ri­ve­ra kaum, als er in den Ring trat. Er wur­de nur mit ver­ein­zel­tem, mat­tem Hän­de­klat­schen be­grüßt. Die Zuschau­er glaub­ten nicht an ihn. Er war das Lamm, das von dem mäch­ti­gen Dan­ny zur Schlacht­bank ge­führt wur­de. Zu­dem wa­ren die Zuschau­er ent­täuscht. Sie hat­ten einen stür­mi­schen Kampf zwi­schen Dan­ny Ward und Bil­ly Car­they er­war­tet, und jetzt soll­ten sie sich mit die­sem elen­den klei­nen An­fän­ger be­gnü­gen. Das Pub­li­kum hat­te sei­ne Miss­bil­li­gung über die Ver­an­stal­tung auch da­durch ge­zeigt, dass es zwei, ja so­gar drei zu eins auf Dan­ny hielt. Und das Herz ei­nes wet­ten­den Pub­li­kums ist im­mer auf der Sei­te sei­nes Gel­des.

      Der jun­ge Me­xi­ka­ner saß in sei­ner Ecke und war­te­te. Die Mi­nu­ten schli­chen da­hin. Dan­ny ließ ihn war­ten. Das war ein al­ter Kniff, der aber stets auf die An­fän­ger wirk­te. Sie wur­den auf­ge­regt, wenn sie so da­sa­ßen und war­te­ten, von ban­gen Ah­nun­gen er­füllt und An­ge­sicht zu An­ge­sicht mit ei­nem ge­fühl­lo­sen, rau­chen­den Pub­li­kum. Dies­mal aber wirk­te der Kniff nicht. Ro­berts hat­te rich­tig ge­se­hen: Ri­ve­ra hat­te kei­nen schwa­chen Punkt. Er, der zar­ter war und emp­find­li­cher und fei­ne­re Ner­ven hat­te als sie alle, war nicht ner­vös. Die At­mo­sphä­re ei­ner im vor­aus si­che­ren Nie­der­la­ge, die sei­ne Um­ge­bung be­drück­te, übte kei­nen Ein­druck auf ihn aus. Sei­ne Se­kun­dan­ten wa­ren Grin­gos und Frem­de: Aus­wurf, schmut­zi­ger Ab­fall des Box­sports, ohne Ehr­ge­fühl und Kraft. Und über­dies lähm­te sie das Ge­fühl, dass sie auf der Sei­te des Ver­lie­ren­den stan­den.

      »Sei nur vor­sich­tig«, warn­te ihn Spi­der Ha­gert­hy. Spi­der war sein ers­ter Se­kun­dant. »Zieh es nach Mög­lich­keit in die Län­ge – das hat Kel­ly mir ein­ge­schärft. Wenn du das nicht tust, schrei­ben die Zei­tun­gen von Hum­bug und ma­chen den Sport in Los An­ge­les schlecht.«

      Al­les dies war nicht ge­ra­de er­mu­ti­gend, aber Ri­ve­ra mach­te sich nichts dar­aus. Er ver­ach­te­te einen Kampf, der um Geld ging. Das war der ver­hass­te Sport der ver­hass­ten Grin­gos. Er hat­te ihn selbst oft ge­nug be­trie­ben, aber nur, weil er hun­ger­te. Die Tat­sa­che, dass er für die­sen Sport wie ge­schaf­fen war, be­deu­te­te ihm nichts. Er hass­te ihn. Und er war nicht der ers­te un­ter den Men­schensöh­nen, der ent­deck­te, dass er in ei­ner ver­ächt­li­chen Be­schäf­ti­gung Er­folg hat­te.

      Er un­ter­such­te sei­ne Ge­füh­le nicht. Er wuss­te nur, dass er in die­sem Kampf sie­gen muss­te. Es war nicht an­ders mög­lich. Denn hin­ter ihm stan­den stär­ke­re Kräf­te, als ir­gend­je­mand im Pub­li­kum sich träu­men ließ, und sie flö­ßten ihm die­se Über­zeu­gung ein. Dan­ny Ward kämpf­te für Geld und für die An­nehm­lich­kei­ten, die das Geld ihm in die­sem Le­ben ver­schaf­fen konn­te. Aber al­les, wo­für Ri­ve­ra kämpf­te, brann­te in sei­nem Hirn. Wie er jetzt mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen ganz al­lein in sei­ner Ecke des Rin­ges saß und auf sei­nen schlau­en Geg­ner war­te­te, hat­te er leuch­ten­de und schreck­li­che Vi­sio­nen, und sie wa­ren so klar und deut­lich, als er­le­be er sie.

      Er sah die Was­ser­kraft­fa­bri­ken von Rio Blan­co mit ih­ren wei­ßen Mau­ern. Er sah die sechs­tau­send hung­ri­gen, blei­chen Ar­bei­ter und die sie­ben- und acht­jäh­ri­gen Kin­der, die sich für zehn Cent den Tag ab­ra­cker­ten. Er sah die wan­dern­den Lei­chen, die ge­spens­ter­haf­ten To­ten­köp­fe der Fär­be­rei­ar­bei­ter. Er er­in­ner­te sich, sei­nen Va­ter die Fär­be­rei die Selbst­mör­der­höh­le ha­ben nen­nen hö­ren, weil ein Jahr Ar­beit dort den Tod be­deu­te­te. Er sah das klei­ne Gut und sei­ne Mut­ter, die koch­te und von mor­gens bis abends mit ih­rer Haus­ar­beit zu tun hat­te, aber doch Zeit fand, ihn zu strei­cheln und zu lie­ben. Und er sah sei­nen Va­ter, groß, mit dich­tem Schnurr­bart und brei­ter Brust, sei­nen Va­ter, der, freund­li­cher als alle an­de­ren, alle Men­schen lieb­te, des­sen Herz aber so groß war, dass noch reich­lich viel Lie­be für die Mut­ter und für den klei­nen Mucha­cho üb­rig­b­lieb, der in ei­ner Ecke des Pa­ti­os spiel­te. In je­nen Ta­gen hat­te er nicht Fe­li­pe Ri­ve­ra ge­hei­ßen. Er hat­te Fer­n­an­dez ge­hei­ßen, wie sein Va­ter und sei­ne Mut­ter. Ihn hat­ten sie Juan ge­nannt. Spä­ter hat­te er den Na­men ge­än­dert, denn er hat­te ge­merkt, dass der Name Fer­n­an­dez den Po­li­zei­prä­fek­ten und den po­li­ti­schen Be­hör­den ver­hasst war.

      Der große, warm­her­zi­ge Joa­quin Fer­n­an­dez! Ei­nen her­vor­ra­gen­den Platz nahm er in den Vi­sio­nen Ri­ver­as ein. Da­mals hat­te er es nicht ver­stan­den, wenn er jetzt aber zu­rück­blick­te, be­griff er. Er konn­te ihn se­hen, wie er in der klei­nen Dru­cke­rei Ty­pen setz­te oder an dem von Pa­pie­ren über­flie­ßen­den Pult has­tig und ner­vös end­lo­se Zei­len hin­krit­zel­te. Und er er­in­ner­te sich der selt­sa­men Aben­de, wenn die Ar­bei­ter heim­lich in der Dun­kel­heit, wie Leu­te, die Bö­ses im Sin­ne hat­ten, zu sei­nem Va­ter ge­schli­chen ka­men und stun­den­lang mit ihm re­de­ten, wäh­rend der Mucha­cho, oft ohne Schlaf zu fin­den, in sei­ner Ecke lag.

      Wie aus wei­ter Fer­ne hör­te er die Stim­me Spi­der Ha­gert­hys, der zu ihm sag­te: »Also nicht gleich am An­fang auf­ge­ben. Das wäre ge­gen die In­struk­tio­nen. Steck dei­ne Prü­gel ein und leis­te was fürs Geld.«

      Zehn Mi­nu­ten wa­ren ver­gan­gen, und er saß im­mer noch in sei­ner Ecke. Man sah nichts von Dan­ny, der sei­nen Kniff of­fen­bar bis zum Äu­ßers­ten trieb.

      Aber vor Ri­ve­ra stie­gen nun Vi­sio­nen auf. Der Streik von Rio Blan­co, der Hun­ger, die Wan­de­run­gen in die Ber­ge nach Bee­ren, Wur­zeln und Kräu­tern, die sie aßen und die ih­nen Ma­gen­krämp­fe und Leib­schmer­zen ver­ur­sach­ten. Und dann das Ent­setz­li­che: Die Sol­da­ten von Ge­ne­ral Ro­sa­lio Mar­ti­nez und Por­fi­rio Diaz und die tod­brin­gen­den Ge­weh­re, die nie auf­hö­ren woll­ten, Tod und Ver­der­ben zu spei­en und die Sün­den der Ar­bei­ter in ih­rem ei­ge­nen Blut zu er­trän­ken. Und die Nacht! Er sah die fla­chen Wa­gen, auf de­nen die Lei­chen auf­ge­häuft wa­ren, nach Vera Cruz zum Fut­ter für die Haie in der Bucht be­stimmt. Er sah sich wie­der über den un­heim­li­chen Lei­chen­hau­fen klet­tern und die halb ent­klei­de­ten, miss­han­del­ten Lei­chen sei­nes Va­ters und sei­ner Mut­ter su­chen und fin­den. Be­son­ders deut­lich er­in­ner­te er sich sei­ner Mut­ter – nur ihr Ge­sicht guck­te her­vor, ihr Leib war von der Last Dut­zen­der von To­ten ver­bor­gen. Wie­der knall­ten die Ge­weh­re des Por­fi­rio Diaz, und er sah sich wie ein ge­jag­ter Berg­ko­jo­te da­von­ra­sen.

      Ein lau­tes Ge­brüll wie vom Meer klang an sein Ohr, er sah Dan­ny Ward an der Spit­ze sei­nes Ge­fol­ges von Trai­nern und Se­kun­dan­ten durch den Gang in der Mit­te kom­men. Das Pub­li­kum tob­te vor Be­geis­te­rung. Alle ju­bel­ten ihm zu. Alle wa­ren für ihn. So­gar Ri­ver­as

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