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Ka­me­ra­den in Nie­der­ka­li­for­ni­en in Ver­bin­dung kom­men.

      Der jun­ge Ri­ve­ra er­hielt sei­ne An­wei­sun­gen und wur­de nach dem Sü­den ge­schickt. Als er wie­der­kam, war die Ver­bin­dung wie­der­her­ge­stellt und Juan Al­va­ra­do tot. Er war mit ei­nem Dolch in der Brust in sei­nem Bett ge­fun­den wor­den. Das ging über die Ri­ve­ra er­teil­ten An­wei­sun­gen hin­aus, aber man frag­te ihn nicht, und er sag­te nichts. Aber sie sa­hen sich an und dach­ten sich ihr Teil.

      »Ich habe es euch ge­sagt«, mein­te Vera. »Diaz hat von die­sem jun­gen Mann mehr zu fürch­ten als von ir­gend­ei­nem sonst. Er ist un­ver­söhn­lich.«

      Das ge­fähr­li­che Tem­pe­ra­ment, von dem May Seth­by ge­spro­chen, und das je­der von ih­nen be­merkt hat­te, of­fen­bar­te sich auch in an­de­rer Be­zie­hung. Bald er­schi­en er mit zer­ris­se­ner Lip­pe, bald mit ei­ner blau und braun ge­schla­ge­nen Ba­cke, bald mit ei­nem ge­schwol­le­nen Ohr. Es war klar, dass er ir­gend­wo in der Welt, wo er aß und schlief und sich Geld ver­schaff­te und ein Le­ben führ­te, von dem sie nichts wuss­ten, dass er in je­ner Welt oft Streit hat­te. Nach ei­ni­ger Zeit wur­de er Set­zer an dem re­vo­lu­tio­nären Wo­chen­blätt­chen, das sie her­aus­ga­ben. Ge­le­gent­lich war es ihm nicht mög­lich, zu set­zen, weil sei­ne Knö­chel ab­ge­schürft und zer­schla­gen, sei­ne Dau­men zer­quetscht und hilf­los wa­ren oder weil sei­ne Arme schlaff her­ab­hin­gen, wäh­rend sein Ge­sicht sich in stum­mem Schmerz ver­zerr­te.

      »Ein Stra­ßen­jun­ge«, sag­te Ar­rel­la­no.

      »Ein Säu­fer und Rauf­bold«, sag­te Ra­mos.

      »Aber wo kriegt er das Geld her?« frag­te Vera. »Ich habe ge­ra­de eben er­fah­ren, dass er die Pa­pi­er­rech­nung be­zahlt hat – hun­dert­und­vier­zig Dol­lar.«

      »Er ist ja oft weg«, sag­te May Seth­by, »und gibt nie eine Er­klä­rung da­für.«

      »Wir soll­ten ihn be­ob­ach­ten«, schlug Ra­mos vor.

      »Der Spi­on möch­te ich nicht sein«, sag­te Vera. »Ich fürch­te, ihr wür­det mich nie wie­der­se­hen, au­ßer bei mei­ner Be­er­di­gung.«

      »Ich kom­me mir ihm ge­gen­über im­mer wie ein Kind vor«, ge­stand Ra­mos.

      »Für mich ist er eine Macht – der wil­de Wolf –, die zu­sto­ßen­de Klap­per­schlan­ge«, sag­te Ar­rel­la­no.

      »Er kennt nie­mand«, sag­te May Seth­by. »Er hasst alle. Er ist al­lein … ein­sam.«

      Ri­ver­as Tun und Trei­ben war wirk­lich ein Ge­heim­nis. Es gab Zei­ten, in de­nen sie ihn eine gan­ze Wo­che lang nicht sa­hen. Ein­mal blieb er einen gan­zen Mo­nat ver­schwun­den. Das war umso rät­sel­haf­ter, als er bei sei­ner Heim­kehr stets still und ohne ein Wort zu sa­gen Gold­stücke auf May Seth­bys Pult leg­te. Dann ver­brach­te er wie­der Tage und Wo­chen sei­ne gan­ze Zeit bei der Jun­ta. Und dann konn­te er wie­der auf un­ge­wis­se Zeit vom frü­hen Mor­gen bis zum Abend ver­schwin­den. In sol­chen Zei­ten kam er spät und blieb lan­ge. Ar­rel­la­no hat­te ihn um Mit­ter­nacht ge­se­hen, wie er mit ge­schwol­le­nen Knö­cheln und ei­ner zer­ris­se­nen, noch blu­ten­den Lip­pe am Setz­kas­ten stand.

      II

      Die Ent­schei­dung nä­her­te sich. Ob es zum Auf­stand kom­men soll­te oder nicht, hing von der Jun­ta ab, aber die Jun­ta be­fand sich in großer Ver­le­gen­heit. Der Geld­be­darf war grö­ßer als je, und da­bei wur­de es im­mer schwe­rer, Geld zu be­schaf­fen. Die Pa­trio­ten hat­ten ih­ren letz­ten Cent her­ge­ge­ben und be­sa­ßen nichts mehr. Die in der Ver­ban­nung le­ben­den Ar­bei­ter ga­ben die Hälf­te ih­res kar­gen Loh­nes ab. Aber man brauch­te mehr. Die jah­re­lan­ge, an­stren­gen­de Ar­beit der Re­vo­lu­tio­näre soll­te bald Früch­te tra­gen. Die Zeit war ge­kom­men. Noch ein Stoß, noch eine letz­te, hel­den­mü­ti­ge An­stren­gung, und der Sieg war si­cher. Sie kann­ten ihr Me­xi­ko. Ein­mal in Gang ge­bracht, nahm die Re­vo­lu­ti­on von sel­ber ih­ren Lauf. Die Grenz­ge­bie­te wa­ren zum Auf­stand be­reit. Ein Ame­ri­ka­ner war­te­te mit hun­dert Mann auf ein Wort, um die Gren­ze zu über­schrei­ten. Aber er brauch­te Ge­weh­re. Im gan­zen Lan­de bis zum At­lan­ti­schen Ozean un­ter­hielt die Jun­ta Ver­bin­dun­gen, und alle brauch­ten sie Ge­weh­re: Aben­teu­rer, Glücks­rit­ter, Ban­di­ten, ent­täusch­te ame­ri­ka­ni­sche Unio­nis­ten und die vie­len me­xi­ka­ni­schen Ver­bann­ten, der Skla­ve­rei ent­flo­he­ne Peo­nen, Mi­nen­ar­bei­ter, die man in den Ge­fäng­nis­sen von Coeur d’Ale­ne und Ko­lo­ra­do aus­ge­peitscht hat­te und die des­halb be­son­ders rach­gie­rig und kampf­lus­tig wa­ren – Wracks und Strand­gut wir­rer Geis­ter aus der toll ge­wor­de­nen Welt. Ge­weh­re und Mu­ni­ti­on! Ge­weh­re und Mu­ni­ti­on! Da­nach rie­fen sie alle un­auf­hör­lich.

      Wur­de die­se bank­rot­te, rach­gie­ri­ge Ban­de über die Gren­ze ge­wor­fen, war die Re­vo­lu­ti­on so­fort im Gan­ge. Die Zol­läm­ter, die nörd­li­chen Ein­fuhr­hä­fen wur­den er­obert. Diaz muss­te die Haupt­macht sei­nes Hee­res im Sü­den des Lan­des hal­ten, denn auch im Sü­den wür­de der Aufruhr be­gin­nen. Stadt auf Stadt muss­te sich er­ge­ben, Staat auf Staat wan­ken und zu­sam­men­stür­zen. Und zu­letzt kam der Marsch der sieg­rei­chen Re­vo­lu­ti­on nach der Haupt­stadt Me­xi­ko. Aber das Geld! Die Män­ner hat­ten sie, und die war­te­ten un­ge­dul­dig auf die Ge­weh­re. Sie kann­ten die Händ­ler, die ih­nen die Ge­weh­re ver­kau­fen und lie­fern soll­ten. Aber die Jun­ta hat­te ihre Kräf­te er­schöpft. Der letz­te Dol­lar war aus­ge­ge­ben, die letz­te Hilfs­quel­le, der letz­te hun­gern­de Pa­tri­ot aus­ge­so­gen, und die große Sa­che schweb­te im­mer noch zit­ternd auf der Waag­scha­le der Ent­schei­dung. Ge­weh­re und Mu­ni­ti­on! Die zer­lump­ten Ba­tail­lo­ne muss­ten be­waff­net wer­den. Aber wie? Ra­mos weh­klag­te über sein kon­fis­zier­tes Ei­gen­tum. Ar­rel­la­no be­jam­mer­te die Ver­schwen­dung, die er in sei­ner Ju­gend be­trie­ben hat­te. May Seth­by grü­bel­te, ob nicht al­les bes­ser ge­gan­gen wäre, wenn die Mit­glie­der der Jun­ta frü­her spar­sa­mer ge­we­sen wä­ren.

      »Der Ge­dan­ke macht mich wahn­sin­nig, dass die Frei­heit Me­xi­kos mit ein paar Tau­send elen­den Dol­lars ste­hen und fal­len soll!« sag­te Pau­li­no Vera.

      Die Ge­sich­ter al­ler drück­ten Verzweif­lung aus. José Ama­ril­lo, ihre letz­te Hoff­nung, ein erst jüngst Be­kehr­ter, der ih­nen Geld ver­spro­chen hat­te, war auf sei­ner Ha­zi­en­da in Chi­hua­hua er­grif­fen und an sei­ner ei­ge­nen Stall­mau­er er­schos­sen wor­den. Die Nach­richt war ge­ra­de ge­kom­men.

      Ri­ve­ra, der auf den Kni­en lag und den Fuß­bo­den scheu­er­te, blick­te auf, den Scheu­er­lap­pen in der Hand und die blo­ßen, von schmut­zi­gem Sei­fen­was­ser be­spritz­ten Arme aus­ge­streckt.

      »Wür­den fünf­tau­send ge­nü­gen?« frag­te er.

      Sie starr­ten ihn an. Vera nick­te und schluck­te. Er konn­te kein Wort her­vor­brin­gen, aber eine neue Hoff­nung be­leb­te ihn.

      »Be­stel­len Sie die Ge­weh­re«, sag­te Ri­ve­ra, und dann leis­te­te er sich die längs­te Rede, die sie je von ihm ge­hört hat­ten. »Es ist nicht viel Zeit. In drei Wo­chen brin­ge ich euch die fünf­tau­send. Das ist früh ge­nug. Dann ist es wär­mer für die, wel­che kämp­fen sol­len. Und schnel­ler kann ich es auch nicht ma­chen.«

      Vera

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