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Kleinigkeit, in so einen Tümpel zu springen, der in einem schon ein unbehagliches Gefühl erweckt, wenn man ihn nur ansieht. Hoffentlich kommt bei dem selbstlosen, mutigen Menschenkind nicht noch ein Nervenschock nach.« –

      Allein dieser Sorge sollte man enthoben werden. Zwar war Silje am nächsten Tag noch blaß, aber sonst munter. Ebenso Ute, die sich mit ihren drei Jahren noch gar nicht bewußt sein konnte, welch tödlicher Gefahr sie entronnen war. Aber vor den Nixen, die ihr auf so böse Art den Ball nahmen, hatte sie fortan Angst. Und das war allen recht so; so würde sich das grausige Spiel wenigstens nicht wiederholen.

      Den Dank, den man Silje abstattete, tat diese verlegen ab. Sie hatte ja nur das getan, was andere an ihrer Stelle bestimmt auch tun würden, meinte sie kurz.

      Natürlich wollte man wissen, wie sie um diese Zeit, da sie sonst noch zu arbeiten pflegte, in den Park gekommen war.

      Nun, eigentlich war das nur ein Zufall gewesen. Fräulein ­Luischen machte früher als sonst Schluß, weil sie Geburtstag hatte, was Silje jedoch erst im Laufe des Nachmitags erfuhr. So ging sie denn in den Park, um von dem Gärtner einen Rosenstrauß zu erbitten, mit dem sie zu Luischen ins Haus gehen und ihr nachträglich gratulieren wollte.

      Aber dazu sollte es nicht kommen. Denn im Park sah das Mädchen Ute, die lachend und jubelnd hinter ihrem Ball herlief und ihm dann nachjammerte, als er ins Wasser rollte. Leider war Silje noch zu weit entfernt, um das Kind vor dem grausigen Bad bewahren zu können, obwohl sie wie gehetzt hinjagte.

      »Na ja – das war alles«, schloß sie ihren sachlichen Bericht. »Zufall, nichts weiter.«

      »O nein, mein Kind, das war Vorsehung«, bemerkte Frau Ottilie erschüttert – und niemand widersprach ihr.

      *

      Im Hadebrecht-Haus herrschte nun die Harmonie, nach der man sich immer so schmerzlich gesehnt hatte.

      An Ilona dachte man kaum noch, und diese tat auch nichts dazu, um sich in Erinnerung zu bringen. Man nahm an, daß sie zu ihren Eltern geflüchtet wäre, was auch tatsächlich stimmte. Angstgeschüttelt traf die Tochter bei ihnen ein, erzählte, was vorgefallen war, und schwor, wie schon oft, mit tausend Eiden, diesmal wirklich, aber auch wirklich nicht mehr ins »Gefängnis« zurückkehren zu wollen. Die Eltern lächelten nachsichtig, wie sie es schon oftmals bei derartigen Schwüren getan hatten. Machten aber der Tochter keine Vorwürfe, sondern ließen sie gewähren.

      Sie lebten seit einigen Wochen am Gardasee, wo augenblicklich »viel los war«, ganz so, wie die nach Vergnügen förmlich ausgehungerte Ilona es sich wünschte. Wie in einem Taumel gab sie sich all den Vergnügungen hin mit der Devise: Was schert mich Mann, was schert mich Kind – ich will jetzt ich sein und nichts weiter!

      Sie konnte gar nicht genug bekommen von alledem, was sie seit länger als einem halben Jahr so schmerzlich vermissen mußte. Sie warf sich »ihrer Welt« leidenschaftlich in die Arme, gönnte sich weder Rast noch Ruhe, hetzte und jagte umher in krankhaftem Eifer. Dachte nicht einen Augenblick daran, daß sie sich schonen sollte, wie Professor Lutz und auch der Gatte es ihr mahnend geraten hatten.

      Ach was, die waren ja nichts weiter als engstirnige Philister, über die man nur höhnisch lächeln konnte! Sie war doch gesund, so herrlich gesund!

      Und so kam es denn, wie es bei der unvernünftigen Lebensweise der kaum Genesenen kommen mußte.

      Als Ilona an einem Abend von einem temperamentvollen Südländer im feurigen Tanz herumgewirbelt wurde, versagten ihr plötzlich die Beine. Und da ein Unglück ja selten allein zu kommen pflegt, stürzte sie gegen einen Pflanzenkübel und zog sich dabei einen bösen Bluterguß an der schon einmal beschädigten Hüfte zu.

      Ihre Eltern, die sich in ihrer Angst und Ratlosigkeit nicht anders zu helfen wußten, riefen telegraphisch den Schwiegersohn herbei, der trotz des Protestes seiner Angehörigen dem Hilferuf sofort Folge leistete. Doch als er bei seinen verstörten Schwiegereltern ankam, war Ilona trotz Betreuung bester Ärzte tot – denn gegen eine plötzlich auftretende Thrombose waren auch sie machtlos.

      Wie zwei verschüchterte Kinder klammerte sich das sonst so weltgewandte Ehepaar an den Schwiegersohn. Sie waren einfach nicht dazu fähig, für all das Traurige zu sorgen, das ein Todesfall mit sich bringt. Nur eine Feuerbestattung wünschten sie und die Beisetzung der Urne an Ort und Stelle, damit sie diese jederzeit zu sich holen konnten, wenn sie sich einmal endgültig irgendwo zur Ruhe setzten.

      Zwar hätte Eike Hadebrecht ihnen Vorwürfe machen können, daß sie auf ihre kaum genesene Tochter nicht besser achtgaben. Er tat es jedoch nicht, sondern richtete sich streng nach ihren Wünschen. Ein Glück für sie, daß sie in ihrer Oberflächlichkeit nicht lange brauchten, um mit dem »tiefen Seelenleid« fertig zu werden! Denn schon wenige Wochen später waren sie so weit, um ihr gewohntes Reiseleben fortsetzen zu können.

      Zwar jammerte die Mutter, daß sie ihr »heißgeliebtes Kind« zurücklassen mußte, tröstete sich jedoch damit, daß sie an die heilige Stätte zurückkehren konnte, wenn die »Sehnsucht« sie dahin trieb.

      So wurde denn der Schwiegersohn, dem diese Wochen zur Qual geworden waren, endlich entlassen und kehrte sofort in die Heimat zurück.

      Seine Angehörigen erschraken, als sie den müden, blassen Mann sahen, dessen knappen Erzählungen sie entnehmen konnten, daß er es offenbar nicht leicht mit den unbeherrschten Schwiegereltern gehabt haben mußte.

      »Armer Kerl!« sagte der Vater erschüttert zu den Seinen, nachdem der Sohn sich zurückgezogen hatte. »Dem bleibt aber auch nichts erspart. Hoffentlich hat das Schicksal ihn jetzt genug gepeinigt und läßt ihn endlich zur Ruhe kommen.«

      Aber das schien bei dem schwerblütigen Menschen nicht so rasch zu gehen; er blieb ernst und still. Man ließ ihn gewähren, versuchte ihn nicht zu ermuntern, legte sich jedoch auch keinen Zwang in seiner Gegenwart auf.

      Und man war doch so gern fröhliclh, lachte doch so gern! Man konnte das ja nun auch unbeschwert tun, da es jetzt keinen Störenfried mehr unter ihnen gab. Um Ilona tat es ihnen allen gewiß leid, sie hätten ihr bestimmt nicht den Tod gewünscht. Da hatte das Schicksal wieder einmal gar zu hart zugeschlagen, um sie den Hadebrechts aus dem Wege zu schaffen. Eine friedliche Scheidung der Ehe hätte vollkommen genügt. Aber komme einer gegen das Schicksal an! Es tut nun einmal das, was ihm gefällt.

      *

      Mittlerweile war es Herbst geworden, und es kam die Zeit, wo man sich wieder gern um den brennenden Kamin scharte. Hauptsächlich nach dem Abendessen, wenn alle im Hause waren.

      Manchmal fand sich das Ehepaar Nargitt dazu ein, und dann schwelgte man in »höheren Regionen«.

      Aber gar so hoch waren sie bei Thea nicht immer. Sie konnte ganz nett auf die Erde purzeln, wenn es um – Geld ging. Und so sagte sie denn auch zu dem Bruder, kurz nachdem er von seiner traurigen Reise zurückgekehrt war.

      »Wie gut für dich, Eike, daß du noch nicht von Ilona geschieden warst, bevor sie starb! So kannst du jetzt ihre Erbschaft antreten, die sicherlich enorm ist. Und wenn gar noch deine reichen Schwiegereltern sterben…«

      »So wirst du von ihrer Hinterlassenschaft bestimmt nichts abbekommen«, fiel ihr der Bruder ironisch ins Wort. »Willst du das nicht meine eigene Angelegenheit sein lassen?«

      »Aber, mein Himmel, sei doch nicht gleich so eklig!« entrüstete sie sich. »Man kann doch wohl noch seine Meinung äußern, ohne gleich angefahren zu werden! Komm, Herzensmännchen, wir kehren in unser trautes Heim zurück.«

      »Na, na, Mutzilein, wer wird denn gleich so gekränkt sein!« sprach er ihr begütigend zu. »Schau mal, du mußt deinem Bruder jetzt noch nicht mit solchen Dingen kommen, die ja nun wirklich allein seine Angelegenheiten sind. Deshalb wirst du doch nicht gleich im Groll dein Elternhaus verlassen.«

      »Ja, wenn du meinst, du Herzgelieb­ter…«

      Also war dieses noch immer für Thea das erste Gebot, dem sie sich demütig fügte.

      Nur gut, daß dieser »Herzgeliebte« selbst so ein schwärmerisch veranlagtes Gemüt war, sonst wäre ihm so viel

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