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flatternden Händen löste er das kleine algenumstrickte Wesen aus dem Arm des großen und legte beide behutsam auf den Rasen nieder.

      Und während er mit den Wiederbelebungsversuchen bei der Tochter begann, tat es sein Vater bei Silje, die nun auch ohnmächtig geworden war. Sie hatten auch bald Erfolg und schämten sich der Tränen nicht, die ihnen übers Gesicht liefen.

      Und schon fanden sich Hände, die das kleine und das große Mädchen behutsam hochhoben und ins Haus trugen. Denn nicht nur das Ehepaar Hadebrecht nebst Sohn und Philine hatten die gellenden Schreie Ilonas hergejagt, sondern auch die gesamte Dienerschaft.

      Jetzt schrie die kleine Ute wie am Spieß, doch dieses Schreien klang den Menschen wie Musik. Wie gut, daß das beherzte Mädchen Silje noch zur Zeit gekommen war – sonst…

      Ach, man wagte an dieses Sonst gar nicht zu denken! Es hätte unendliches Leid über vier Menschen gebracht!

      Und der fünfte Mensch, der dieses Unheil durch Unachtsamkeit heraufbeschwor? – Der saß in seinem Zimmer und weinte aus Angst vor dem Strafgericht, das unweigerlich kommen würde.

      Und da Ilona feige war, konnte und wollte sie diesem Strafgericht nicht standbalten.

      Also packte sie mit fliegenden Händen einen Koffer, warf Schmuck, Geld, die nötigsten Kleidungsstücke hinein und schlich sich aus dem Haus wie ein Dieb.

      Und sie hatte Glück. Denn ein Auto nahm sie an der Chaussee auf, beförderte sie zum Bahnhof – und so konnte Ilona aufatmend sagen: Nach mir die Sintflut!

      *

      Indes wurden Silje und Ute, die wohlgeborgen in ihren Betten lagen, gehätschelt und gepflegt. Das Kind von dem Großvater und dem Papi, Silje von Philchen, die ihrem Liebling einen Trank einflößte, der aus Kräutersäften und einem schweren Wein gemixt war. Und kaum daß Silje ihn geschluckt hatte, schlief sie vor Erschöpfung ein.

      Und es würde einen langen Schlaf geben, wie Philchen aus Erfahrung wußte. Also konnte sie die Schläferin ruhig allein lassen und nachsehen, wie es Ute ging.

      Auch die schlief sanft und süß, bewacht von Fräulein Herta, die dickverweinte Augen hatte.

      »Wo sind die anderen?« fragte Philchen leise, um das Kind nicht zu wecken und ebenso leise kam es zurück: »Die Herrschaften sind nach unten gegangen. Oh, mein Gott, gnädiges Fräulein, ich kann doch wirklich nichts dafür!« schluchzte das Mädchen heiß auf. »Die junge gnädige Frau holte Ute, um auf sie achtzugeben, während ich ihre Sachen plättete. Ich mußte doch Zofendienste leisten, seit Ella fort ist.«

      »Das ist ja interessant. Haben Sie das meinen Angehörigen gesagt?«

      »Ja…«

      »Nun, dann ist ja alles in Ordnung«, nickte Philchen dem Mädchen freundlich zu und ging dann ins Wohnzimmer, wo Eike ruhelos auf und ab wanderte.

      Beim Eintritt der Tante blieb er stehen und fragte bang: »Wie geht es Silje?«

      »Die schläft friedlich. Wo sind die anderen?«

      »Vater ist bei Mutter, deren Nerven nachgaben. Sie bekam einen Weinkrampf.«

      »Auch das noch. Ist der Arzt verständigt?«

      »Nein, das war nicht nötig. Die Mamsell flößte ihr einen Trank ein, nach dem sie bald einschlief. Vater will solange bei Mutter bleiben, bis die Mamsell Zeit hat, ihn abzulösen.«

      »Das ist übertriebene Vorsicht«, meinte Philchen. »Denn nach dem Trank, den ich übrigens auch Silje gab, werden beide fest und lange schlafen. Es ist ein altes Hausrezept, das schon von unserer Großmutter angewandt wurde. Und was wirst du mit Ilona machen?«

      »Gar nichts – sie ist fort.«

      »Tatsächlich?« Philchen war gar nicht so überrascht, wie sie es nach dieser Eröffnung eigentlich hätte sein müssen.

      »Das sieht ihr ähnlich, sich durch die Flucht feige dem Strafgericht zu entziehen! Aber recht so! Seien wir froh, sie auf so eine gute Art losgeworden zu sein.«

      »Gute Art nennst du das, Tante Philchen? Und wenn Silje nun nicht zur Zeit gekommen wäre?«

      »Sie ist aber zur Zeit gekommen, mein Sohn. Ich glaube, ich habe von euch allen doch noch die stärksten Nerven. Was willst du überhaupt noch mehr? Dein Kind ist gerettet, dein Hauskreuz bist du los. – Ah, da kommt ja auch mein lieber Bruder. Wie geht’s Otti?«

      »Sie schläft fest. Und wie geht’s Silje?«

      »Tut dergleichen, süßbedudelt von unserem Familienzaubertrank, der wieder einmal die besten Dienste geleistet

      hat. Am liebsten möchte ich euch ›starkem Geschlecht‹ auch so ein Tränklein einflößen – denn ihr seht erbärmlich aus.«

      »Bleibe mir mit dem Zeug vom Leibe!« brummte der Bruder. »So leicht kriegt man meinen Schreck nicht aus den alten Knochen. Deubel noch eins, so was kann einen schon mitnehmen! Und nur, weil so eine pflichtvergessene Person – na, die laß mir mal in den Weg laufen!«

      »Beruhige dich, Vater – sie ist fort.«

      Zuerst starrte Philipp ihn überrascht an, dann lachte er grimmig auf.

      »Recht so! Sei froh, mein Sohn, daß du sie auf so eine gute Art losgeworden bist!«

      »Genau dieselben Worte gebrauchte auch Tante Philchen«, lächelte Eike belustigt. »Aber los bin ich sie noch lange nicht. Jetzt wird erst der Streit um Ute so richtig losbrechen. Und soweit ich Ilona kenne, wird sie versuchen, das Kind in ihre Hände zu bekommen. Nicht um seiner selbst willen, sondern nur, um mich zu treffen…«

      »Rechnest du etwa mit einer Entführung?« warf der Vater dazwischen. »So schwarz sehe ich denn doch nicht. Wenn Ilona erst wieder mal in ›ihrer Welt‹ ist, wird sie gar keine Zeit haben, um Rache zu brüten, sondern sich ins volle Leben stürzen, wo sie ja soo viel nachzuholen hat. Dabei würde ihr ein kleines Kind höchst unbequem sein – wie sie selbst es ihren Eltern einst war und auch heute noch ist«, bemerkte Philchen.

      »Philchen, du bist doch eigentlich ein grundgescheites Frauenzimmerchen«, meinte der Bruder anerkennend. »Da können wir beiden Männer ja noch was von dir lernen. Aber einen Kampf um das Kind wird es dennoch geben, wenn auch nicht gerade auf wildwestliche Art. Denn um es Eike ohne weiteres zu überlassen, dafür ist Ilona zu niederträchtig.«

      »Professor Lutz hat sich erboten, mir in dem Kampf beizustehen«, sagte Eike zuversichtlich, und die anderen beiden horchten überrascht auf.

      »Hast du denn mit ihm über deine Ehe gesprochen?«

      »Das war nicht notwendig, Vater, er wußte auch ohnehin Bescheid, da er ein guter Menschenkenner ist. Als ich Ilona in der Klinik besuchte und sie sich so – na – so vorbei benahm, gab er mir hinterher einen Kognak und den guten Rat, mich scheiden zu lassen, weil ich seiner Ansicht nach zu schade für diese Frau wäre. Gleichzeitig bot er mir seinen Beistand in dem Kampf um das Kind an.«

      »Na, Junge, das freut mich aber!« atmete der Vater auf. »Lutz kann in seiner Eigenschaft als Arzt viel machen. Und jetzt setzt du dich hin, schreibst an Ilona und verbietest ihr erst einmal das Haus.«

      »Wenn du mir sagen willst wie ich das machen soll, dann gern.«

      »Nanu, ist das denn so schwer?«

      »In diesem Fall schon. Ich weiß ja gar nicht, wo Ilona ist.«

      »Ei verflixt!« kratzte Philipp sich den Kopf. »Und wenn sie sich überhaupt nicht meldet, sondern nach gewohnter Art einige Wochen wegbleibt und dann hier plötzlich wieder auftaucht?«

      »Dann kann der Kampf beginnen – der sich aber nicht in diesem Hause abspielen wird. Denn das betritt Ilona nicht mehr.«

      Das war so hart und verbissen gesagt, daß sich die Zwillinge bedeutsam ansahen. Doch bevor jemand noch etwas sagen konnte, fragte Eike: »Tante Philchen, hat Silje dir erzählt wie es möglich war, daß ausgerechnet sie Ute zur Hilfe eilen konnte? Sie pflegt

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