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Die besten Wildwestromane & Seegeschichten. Franz Treller
Читать онлайн.Название Die besten Wildwestromane & Seegeschichten
Год выпуска 0
isbn 9788027238613
Автор произведения Franz Treller
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Indianer hatte der Tätigkeit des Weißen zunächst schweigend zugesehen; endlich begriff er, welchem Zweck sie dienen sollte und lächelte. Bevor sie in das Boot stiegen, nahm er ein paar Federn auf, die irgendwelchen Raubvögeln entfallen sein mochten, und befestigte sie an Johns Kopfbedeckung.
»Was soll das?« fragte John verblüfft.
»Injin«, antwortete Ni-kun-tha. Er deutete auf sich: »Injin!« dann auf John, und wiederholte: »Alles Injin!«
»Oh, ich verstehe«, lachte John. »Sie sollen uns in der Dämmerung beide für Indianer halten. Nun, das mag möglicherweise seinen Nutzen haben. Mein roter Bruder ist klug. Ich danke ihm.« Ni-kun-tha grinste und befestigte eine besonders große Feder aufrechtstehend in seinem Haar.
Sie legten nun den Mast mit dem seltsamen Segel in das Boot, stiegen nach und griffen nach den Rudern. Der irokesische Einbaum war zwar längst nicht so beweglich wie ein Rindenkanu, aber leichter als die Jolle zu handhaben. Sie fuhren an der Küste entlang bis zum Eingang in den nördlichen Kanal. Hier zog John das Ruder ein und veranlaßte den Indianer, ein Gleiches zu tun. Er richtete den Mast auf und befestigte ihn mit Hilfe seines schnell begreifenden Gefährten an dem im Kanu befindlichen Querholz. Kaum entfaltete sich, durch John straff gezogen, die Decke, da fing sich auch schon der Wind darin, das Notsegel blähte sich, und das Kanu glitt mit großer Geschwindigkeit dahin.
»Das tut's!« lachte John, mit der Rechten die Segelleine haltend und mit der Linken steuernd. Der Indianer sah staunend und offensichtlich verblüfft, wie das Boot vor dem Winde dahin flog.
»Mein Bruder verstehe: Ruder machen Geräusch, Feinde hören«, sagte John; »Segel außerdem schneller.«
Ni-kun-tha nickte. Er begriff vollkommen, er bewunderte nur den Einfall, der ihm nie gekommen wäre.
John hatte sich die Windungen, denen er folgen mußte, genau eingeprägt; nach etwa einer Stunde schneller Fahrt erreichten sie den Ort, wo sie am Vorabend gelandet waren. Während der ganzen Zeit hatten er und der Indianer Ufer und Wasserläufe aufmerksam beobachtet und mit gespannten Ohren nach verdächtigen Geräuschen gelauscht, ohne das geringste gewahr zu werden, was geeignet gewesen wäre, Besorgnis zu erwecken.
Nun segelten sie lautlos am Ufer der Pirateninsel entlang. Die Dämmerung war mittlerweile eingebrochen, das schmale Boot und das dunkle Segel waren auf einige Entfernung gewiß nicht mehr wahrzunehmen. John lenkte das Boot an der schmalen Landzunge vorbei in dieselbe Bucht, in die sie am Abend zuvor eingelaufen waren. Hier legten sie den behelfsmäßigen Mast um, befestigten das Boot am Ufer, nahmen ihre Büchsen zur Hand und begannen den Abhang hinaufzuklettern.
Sie warfen zunächst einen Blick auf den kleinen Seeräuberhafen. Es lagen einige Boote darin, aber der Sechsruderer vom Vorabend war nicht darunter. John folgerte daraus, daß die Freibeuter sich auswärts befänden. Schweigend forderte er Ni-kun-tha auf, ihm zu folgen. Sie waren erst wenige Schritte gegangen, als sie sich nähernde Stimmen vernahmen. Geräuschlos ließen sie sich zu Boden gleiten. Hinter Zweigen gedeckt gewahrten sie zwei Männer, die offenbar im Begriff waren, zum Hafen zu gehen. John erkannte in dem einen der Männer den Anführer vom Vorabend. Sein Begleiter war der Mann mit dem Kapottmantel und dem dreieckigen Hut, der in der Jolle an ihnen vorübergefahren war. Als der Mann jetzt zu reden begann, erkannte John ihn auch an der Stimme wieder.
»Ich verstehe Euer ganzes Verhalten nicht. Hollins«, sagte der Mann, »es war ausgemacht, daß Waltham den Tod in den Wellen finden sollte; dann mußte ich zu meinem größten Erstaunen hören, daß er hier als Euer Gefangener lebt. Wie kamt Ihr dazu, unserem klaren Übereinkommen entgegenzuhandeln?«
»Je nun, Sir Edmund«, entgegnete der Angeredete ziemlich mürrisch; »muß gestehen, daß der Bursche mir leid tat. Hatte nicht die Courage, ihn fertig zu machen wie die anderen.«
»Daß ich nicht lache: Leid tat er Euch? Ausgerechnet Euch?« sagte der im Kapottmantel, »haltet mich nicht zum Narren, James Hollins. Ich will's kurz machen; habe zu langen Verhandlungen keine Zeit. Also: Ich zahle sofort fünfhundert Pfund, wenn Waltham verschwindet. Spurlos verschwindet, Ihr versteht?«
»Tut mir leid, Sir Edmund, es geht gegen mein Gewissen«, versetzte der Bandit.
»Ein Halunke seid Ihr!« schnaufte der andere.
»Na, laßt mich das Geld einmal sehen«, sagte Hollins, »vielleicht ändert der Anblick der Banknoten meine Gesinnung.«
Der mit Sir Edmund Angeredete stieß ein kurzes, heiseres Lachen aus. »Ihr müßt mich wahrhaftig für einen Narren halten«, sagte er, »daß Ihr Euch einbildet, ich würde mit fünfhundert Pfund in der Tasche auf Eure Insel kommen. Dafür kenne ich Euch denn doch zu gut. Nein, um Klarheit zu schaffen: In dem Augenblick, wo ich die absolute Gewißheit vom Tode Walthams erlange, erhält Euer Vertrauensmann in Stacket Harbour das Geld.«
»Nichts zu machen, Sir Edmund.«
»Mein Lieber, Ihr scheint vergessen zu haben, daß ich Euch in der Hand habe. Daß ich Euch jederzeit vernichten kann.«
Ein rauhes Lachen war die Antwort. »Ihr solltet in einem etwas anderen Ton mit mir reden, Sir«, knirschte der Bandit; »möchte sonst sein, daß Ihr unliebsame Bekanntschaft mit den Fischen hier macht. Weiß verdammt nicht, wofür Ihr mich haltet. Nur eins weiß ich ziemlich sicher: Ich brauche nur Euren Herzenswunsch zu erfüllen, damit Ihr mir die Rotröcke auf den Hals hetzt, um einen lästigen Zeugen aus der Welt zu schaffen.« Er lachte abermals kurz auf: »Aber versucht's nur. Könnte sein, daß die Rotberockten außer mir auch noch ein paar Blauröcken aus Montreal begegnen.«
»Schau, schau«, grinste Sir Edmund. »Mit den Franzosen haltet Ihr's auch.«
»Wär' Euch auch recht, wenn die mir die Kehle abschnitten, was?«
»Ihr seid ein Narr, Hollins! Wahrhaftig, ein verdammter Narr seid Ihr! Ich brauch Euch noch öfter.«
»Schön«, sagte Hollins kalt. »Tausend Pfund also, und Waltham verschwindet.«
»Ich hab' sie nicht. Hört zu, Hollins. Ich gebe Euch vorab fünfhundert Pfund und eine Sicherheit, daß ich weitere fünfhundert zahle, im Augenblick, wo ich die Herrschaft antrete. Aber ich zahle keinen Pfennig, solange ich nicht die Gewißheit habe, daß der Bursche tot ist.«
Hollins schien einen Augenblick zu überlegen, dann sagte er: »Gut. Zahlt die fünfhundert Pfund. Damit fängt's an. Brauche das Geld. Habe schlechte Geschäfte gemacht seit der Geschichte mit dem DUKE OF RICHMOND. Habe ich die fünfhundert und eine Verschreibung über die gleiche Summe, beseitige ich den Erben. Falls Ihr mich etwa zu betrügen beabsichtigt – ich hab' ein paar Briefe von Eurer Hand im Besitz, die den Richter verdammt stutzig machen würden, bekäme er sie zu sehen. Seid Euch darüber klar, daß man mit mir nicht spaßt.«
Der andere stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus. »Also«, knirschte er schließlich, »ich zahl' die fünfhundert, aber dann –«
»Dann verlaßt Euch darauf.«
»Gut. Ich muß fort. Es wird dunkel.«
»Bleibt die Nacht hier.«
»Nein. Raggle hat draußen am See ein Shanty; da will ich bleiben.« Er pfiff, und der Seemann, der ihn am Vortage gefahren hatte, trat aus dem Walde heraus. Auf einen Wink seines Herrn kletterte er in eines der im Hafen liegenden Boote. »Gute Nacht, Hollins«, sagte Sir Edmund und kletterte ihm nach.
Hollins ließ das Boot abfahren, sah ihm noch einen Augenblick nach und ging dann durch den Wald zurück. John hörte ihn lachen: »Daß ich ein Narr wäre, eine Geisel zu beseitigen, mit der ich dir Daumenschrauben anlegen kann, solange du lebst. Warte nur! Das soll Eurer Lordschaft noch manches Pfund kosten!« Die Gestalt des Banditen tauchte