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murmelte Wolfheinz. »Hansjörg – bete – doch!«

      Hansjörg Portner warf einen angstvollen Blick auf den stöhnenden Bruder und das zerschmetterte Kindergesicht, er lallte, doch er fand kein Gebet.

      »Hansjörg – bete – bete geschwinde!«

      »Herr, betet!« mahnte auch der Knecht und kniete nieder»

      Da krampfte Hansjörg die Hände ineinander, und es rang sich von seinen bebenden Lippen:

      »In mein Bettlein tret' ich,

       Zum lieben Herrgott bet' ich,

       Daß er mir verleih'

       Schöner Engel drei –«

      »Mutterlein, Ihr seid auch da?« flüsterte der Sterbende, und ein kindliches Lächeln ging über seine wachsgelben Züge.

      Hansjörg aber fuhr weiter:

      »Schöner Engel drei –

       Den ersten, der mich speise,

       Den andern, der mich weise,

       Den dritten, der mich wohl bewahre,

       Daß mir in dieser dunkeln Nacht

       Kein Leid widerfahre, Amen!«

      Er sprach laut und fest und hielt seine Hände ineinander gekrampft, und es war, als ob mit dem alten Kinderspruche das Eis geschmolzen wäre und der Strom in den Frühling wogte, nun er seine Hände aufhob und das uralte Sterbelied über dem Röchelnden sprach:

      »O Welt, ich muß dich lassen,

       Ich fahre meine Straßen

       Ins ewig' Vaterland.

       Mein' Geist will ich aufgeben

       Dazu mein Leib und Leben

       Setzen in Gottes gnädige Hand.«

      Als er aber an die Strophe kam:

      »Ob mich gleich hat betrogen

       Die Welt, von Gott abzogen

       Durch Schand und Büberei,

       Will ich doch nicht verzagen,

       Sondern mit Glauben sagen,

       Daß mir mein' Sünd' vergeben sei –«

      da sah er sich im Rausche, da sah er sich mit der Pistole in der Hand, da brach seine Stimme, und schluchzend wie ein müdes Kind legte er das Haupt aufs Lager neben den röchelnden Bruder: »Vergieb uns unsre Schuld!«

      Der Knecht aber rutschte näher heran und raunte in der Hast, als müsse auch er auf der Wacht stehen und dem Tod auch etwas ins Angesicht sagen, wieder seinen Spruch:

      »Auf unsers Herrgotts Grab

       Wachsen drei Rösela:

       Erstes ist Demut,

       Zweites ist Sanftmut,

       Drittes stillt dir dein fließendes Blut,

       Amen!«

      Dann erhob er sich und blickte gespannt auf den Verscheidenden, und als dieser mit einem tiefen Seufzer sein Leben aushauchte, schrie er, wie Brauch war: »Jetzt macht er es, jetzt ist's vorbei, der Herr geb' ihm die ewige Ruhe!« schlug die Hände zusammen und rannte ans Fensterlein und riß es auf.

      Dann wandte er sich und sah scheu hinüber auf seinen Herrn und tappte, so leis er konnte, zur Thür.

      Hansjörg Portner lag auf seinen Knieen und schluchzte: »Mein Herr und mein Gott!«

      In der vertäfelten Stube.

       Inhaltsverzeichnis

      Ignaz, es ist Zeit zur Messe!«

      »Laßt mich, Mutter!«

      »Ignaz, aber du weißt doch, es würde übel vermerkt.«

      »Was kümmert's mich, Mutter?«

      »Ignaz, es muß ja sein!«

      »Und Ihr gönnt mir auch keine Ruhe, Mutter! Die ganze Nacht habe ich kein Auge geschlossen und soll jetzt hinaus in den Morgen und in die eiskalte Kirche!«

      »Aber, Ignaz, kann denn ich dafür?« klagte die alte Frau und stand zitternd an der Kammerthüre.

      »Ich komme ja, Mutter!« stöhnte Kriemhofen und erhob sich von seinem Lager.

      »Die ganze Nacht wieder nicht geschlafen? Du armer Bub!«

      »Und nun heraus und die Larve vors Gesicht und – dabei das Denken, Mutter, das Denken, immerfort das wilde Denken!«

      »Armer Bub – ach, wenn ich dir nur helfen könnte! Noch einen Teller Suppe, Ignaz – nein? Schmeckt dir das Essen nicht?«

      »Ich habe genug, Mutter.«

      »Und wie blaß du wieder bist!«

      »Wen kümmert's?«

      »Aber, Ignaz – wen? Mich doch, sollt' ich denken, mich!«

      »Ja, die Mutter meint's gut.«

      Die alte Frau zupfte an seinem Mantel, trippelte um ihn herum, blies über die Federn seines Hutes und gab ihm den Hut. Dann stellte sie sich mit gefalteten Händen vor den großen Mann: »Ignaz, ich weiß es ganz gewiß, du wirst noch ein großes Glück finden. Du verdienst es dir täglich – ein Mensch ohne Makel, wie du!«

      Kriemhofen lachte heiser und drückte die Klinke nieder.

      »Aber, Ignaz, ist's denn nicht so?« fragte sie ängstlich.

      »Vielleicht wäre manches anders, wenn die Mutter nicht – nun ja, was hilft's? Die Mutter hat's gut gemeint, aber es war nicht gut.«

      »Aber, Ignaz? Was hätte ich –?«

      »Wenn Ihr mich gelehrt hättet im Kindesalter, zuerst an andre und zuletzt an mich zu denken, so wäre wohl manches besser.«

      Die alte Frau stand oben an der Stiege und hielt mit zitternden Händen das Licht. Schwerfällig ging er die Treppen hinunter, öffnete das kreischende Schloß und trat hinaus in den kalten Dezembermorgen.

      Die alte Frau stand noch immer in Gedanken oben an der Stiege, und das Lichtflämmlein flackerte heftig. Im Hofe krähte der Hahn.

      »Hat er am Ende recht?« murmelte sie und sah ins Leere. Dann wandte sie sich fröstelnd und schlich in ihre Stube.

      Vom Turme des heiligen Martin klang die Glocke, und eilig schritt der kurfürstliche Sekretarius durch die Finsternis der Kirche zu.

      *

      Die Messe war zu Ende.

      »Eine sakrische Kälte!« brummte der kurfürstliche Regimentsrat und stülpte eilig, noch ehe er aus der Kirchenthüre getreten war, den Hut über den kahlen Schädel.

      »Kälte,« sagte Kriemhofen und schritt hinter dem alten Herrn auf den Marktplatz, der sich im Dämmerschein des grauen Frühlichts dehnte.

      »Hu,« klagte der kurfürstliche Regimentsrat und zog den Mantel enger, »laßt uns eilen, der kalte Wind! –

      »Wer an der Pfarrkirch' steht und weht kein Wind –«

      Kriemhofen fuhr respektvoll weiter, indem er neben dem alten Herrn dahinging:

      »Wer durch die lang' Gaß geht und schreit kein Kind,

       Wer über die Krambruck' kommt ohn' Schand und Spott –«

      Der kurfürstliche Regimentsrat vollendete schnaufend:

      »Der hat wahrlich groß' Gnad' von Gott!

      Und wem heute die Kniee nicht angefroren sind an der Steinplatte, den hat auch sein Schutzheiliger gewärmt. Eine sakrische Kälte! Da blieb' einer auch lieber in den Federn liegen.«

      »Liegen,«

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