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Erden gegeben hat, so habe ich geliebt! Und o des Glücks! Die zärtlichste Empfindung war nur eins mit der heiligsten und größten! Im Waffenschmuck trat er mir entgegen, dem Kampfe sich entgegensehnend, in den er nach wenigen Wochen zog. Mild war er und edeln Zornes zugleich voll, nie hat ein reineres tugendhafteres Herz unter dem Rocke des Kriegers geklopft. Er war wie ein Verschlagner von einer fernen seligen Insel unter uns Andern. Die Augen pflegte er zu senken, als erliege seine Seele unter ihrer eignen Größe. Stumm war unsre Liebe und ohne Erklärung. Nur, als ich ihm beim Abschiede die Feldbinde reichte, verstanden sich unsre Blicke. Er zog dahin und ich sah ihn nicht wieder.«

      »Er trug, wie alle jugendliche Frühlingsherzen, die Todesahnung im Busen. Sein einziger Wunsch war, in deutscher Erde zu ruhn, er schauderte vor dem Gedanken, fern unter den Fußtritten des feindlichen Volkes vermodern zu müssen. Das Schicksal ist oft grausam, es kann uns nicht allein das Leben, wie wir es wünschen, sondern auch den Tod, wie wir ihn zu sterben würdig gewesen wären, versagen. Nicht in einer der großen herrlichen Befreiungsschlachten fiel mein Freund, nein, vereinzelt, seiner Schaar nachgeblieben, wurde er von umherstreifendem Gesindel auf dem fremden Boden erschlagen. Ich erfuhr seinen Tod, noch ehe die Nachricht davon zu mir gelangte. In der Nacht aus tiefem Schlummer ohne vorhergegangnen Traum emporschreckend, sah ich das blutige Haupt des Ermordeten am Fuße meines Lagers aufsteigen, und alsobald auch wieder verschwinden. Augenblicklich wußte ich um meinen ungeheuren Verlust, aber zugleich durchdrang mein Herz ein unvergänglicher Trost, der es so ganz erfüllte, daß ich mich kaum erinnere, damals geweint oder sonst getrauert zu haben. Nur jetzt, nach manchem Jahre fließen meine Thränen zuweilen. Als die Ruhe hergestellt war, beschäftigte uns Alle, die wir ihn geliebt hatten, sein Wunsch. Ein treuer Gefährte seiner Tage machte sich endlich in der Stille auf, scheute nicht Mühe noch Gefahr unter dem noch immer schmerzlich empörten Volke, fand die Grube, in welcher man den Körper verscharrt hatte, kaufte die theuren Reste los, und brachte sie in die Heimath.«

      »Sie näherte sich einer schmalen, länglichen Kiste, welche in der Ecke des Gemachs stand, öffnete sie und warf sich mit Lauten des tiefsten Schmerzes über sie. Hermann trat hinzu und fuhr zurück; ein menschliches Gerippe starrte ihm aus der Kiste entgegen. Warum erschrickst Du? Was macht Dich zu fürchten? rief sie. Dies ist mein lieber, mein einziger Freund, den ich nun wiederhabe, und nicht von mir lasse. Betrachte den holdseligen Mund, die guten, schönen Augen, die denkende Stirn! Nun ruht er, umweht vom Hauche der Liebe, nun ist ihm wohl!«

       »Theure, warum gaben Sie der Erde nicht wieder, was der Erde gehört? fragte Hermann, als er sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt hatte.«

      »Sie versetzte nichts. Mit den zärtlichsten Namen rief sie den geschiedenen Freund, schmeichelnd strich sie über den kahlen Schädel, ihre Lippen küßten die leeren Augenhöhlen. Dazwischen führte sie Reden, deren Sinn und Bedeutung Hermann nicht verstand. Sie sprach von dem Vampyr, der, auferstandne Leiche, umhergehe, und den Lebenden das Blut aussauge, und beschwor die Gebeine des Todten, sie wie bisher, so auch ferner vor dem Schreckniß zu schützen.« –

      Im Sommer 1814 hielt sich Elisa eine Weile mit Beuth's Mutter in Kleve auf, dann bezog sie ein Landhaus vor der Stadt, wo Lützow mit seinen Kameraden sie Abends zu besuchen pflegte; unter den schattigen, grünen Bäumen, in einer freundlichen Natur kam dort bei Elisen ein Kreis zusammen, bestehend aus Palm, Karl und Friedrich von Petersdorff, Wilhelm von Lützow und Andern, die alle noch spät mit Entzücken von der reizenden Geselligkeit erzählten, die Elisa um sich her zu schaffen, und mit dem Zauber ihres anmuthigen Geistes zu beleben wußte. Aehnliche Abende wiederholten sich etwas später in Aachen, wo sie auf der alten Ketschenburg in einem Zimmerchen, welches so niedrig war, daß die Freunde es scherzend »die Schiffskajüte« nannten, sich ein blumengeschmücktes und überaus wohnliches Asyl geschaffen hatte; hier war auch der Dichter Max von Schenkendorff ein häufig und gern gesehener Gast.

      Im Sommer 1815 hatte Lützow das Unglück in der Schlacht von Ligny in französische Gefangenschaft zu gerathen, aus der ihn jedoch der bald darauf erfolgende Frieden wieder befreite. Elisa war sehr in Angst um ihn; sie theilte so gern alle seine Mühen und Gefahren, sie war nur immer darauf bedacht, ihn zu pflegen, und für sein Behagen zu sorgen, um so mehr, da die vielen Verwundungen ihn viel leiden ließen. Heinrich Pröhle sagt, in seiner Biographie Jahn's, von Lützow, daß er fast in jedem Gefecht verwundet wurde; »wenn er ging,« heißt es dort, »so war er durch seine vielen Wunden halb Invalide; stieg er zu Pferde, so bedurfte er ihrethalben einiger Hülfe – aber saß er einmal im Sattel, so war er das Muster eines Husarenoffiziers, ein Ritter ohne Furcht und Tadel.«

      Die liebevolle Sorgfalt, welche Elisa ihrem Gatten erwies, konnte dieser ihr wohl nicht in gleichem Grade erwiedern, denn unpraktisch, und in allem, was nicht zu seinem Kriegesberufe gehörte, unkundig oder zerstreut, war er selbst bei dem besten Willen wenig geeignet, eine zarte Frau in seine Obhut zu nehmen; sie, die auf dem Trannkijörschlosse in den glänzendsten Lebensverhältnissen erwachsen war, ertrug aber mit der äußersten Entsagung und ohne Klage Entbehrungen aller Art, und es war wie wenn ihr starker Geist ihrer zarten Gestalt dazu die Kraft verliehe.

      Endlich beschloß die blutige Völkerschlacht von Belle-Alliance diese großartige Kriegszeit. In jener Schlacht gehörte ein junger Mann von neunzehn Jahren, von gleicher Begeisterung für die deutsche Sache erfüllt, wie Elisa, zu den Mitkämpfern, welcher dazu bestimmt war später in ihrem Leben eine bedeutende Rolle zu spielen: es war Karl Immermann. Damals wußten sie noch nichts von einander; erst nach Jahren sollte das Geschick sie zusammenführen. –

      Nachdem der Krieg beendet, ging Elisa im Anfang des Jahres 1816 nach Berlin, wo Ernst Moritz Arndt sie besuchte, den sie schon das Jahr zuvor in Düsseldorf kennen gelernt hatte; sie war so erfreut über die Erscheinung des gefeierten Mannes, den sie schon lange als patriotischen Dichter und Schriftsteller geliebt und verehrt hatte, daß sie sagte, kein Besuch eines Königs würde sie so glücklich gemacht haben.

      Elisa verweilte nicht lange in Berlin, da sie bald Lützow nach Königsberg nachfolgte, welche Stadt seinem Regiment als Garnison angewiesen war. Dort lernte sie den alten Kriegsrath Scheffner kennen, den Freund von Kant und Hippel, der sie sehr hochschätzte, und Johanna Motherby, welche später die Gattin Dieffenbach's wurde, eine energische und ausgezeichnete Frau, von der noch öfter hier die Rede sein wird, und die sogleich zu Elisen eine leidenschaftliche Zuneigung faßte.

      Sie begegnete Elisen zuerst in einer Gesellschaft, und bei ihrem lebhaften Gefühl für Schönheit fiel ihr die ungewöhnlich anmuthige und liebreizende Erscheinung sogleich auf. Sie hatte die Eintretende kaum einige Minuten betrachtet, als sie mit den Worten: »Wir werden und wir müssen Freundinnen sein!« auf sie zueilte. Sie wurden es in der That.

      Es konnte nicht leicht einen größeren Contrast geben, als diese beiden Frauen; während in Elisen alles Schönheit, Harmonie und Zartheit war, erschien Johanna beim ersten Anblick scharf und eckig; sie war klein, von starker Figur, von scharfgeschnittenen, bedeutenden, aber eher häßlichen als schönen Gesichtszügen; doch war ihr Geist und Schönheitssinn so mächtig, daß im Gespräch und der Begeisterung, welche in demselben über sie kam, Grazien und Amoretten ihr ganzes Wesen zu umgaukeln schienen, so daß sie nicht nur anmuthig, sondern gradezu schön aussehen konnte. Die Häßlichkeit lag nur wie ein Flor auf ihr, unter dem die innere Schönheit siegreich durchschimmerte. Auch besaß sie wahrhaft großartige Charaktereigenschaften, Thatkraft und Entschlossenheit, Aufopferungsfähigkeit und Herzensgüte in seltenem Grade; ihr ganzes Wesen war Leidenschaft und erregte auch die heftigsten Leidenschaften; ihr stürmisches Feuer konnte fortreißen, während Elisens milde Ruhe bezauberte.

      Sie lebte damals mit ihrem Gatten, dem Arzte Motherby, einem geistvollen und vorzüglichen Manne, noch im besten Einvernehmen, und auch er trat mit Elisen in freundschaftliche Beziehung.

      Auch manche von Lützow's Kriegskameraden besuchten ihn und Elisen in Königsberg, Friedrich von Petersdorff kam aus dem nahen Memel, Helmenstreit wurde dorthin versetzt; mit Palm trafen sie in Graudenz zusammen.

       Noch ehe ein Jahr verflossen war, im Mai 1817, wurde Lützow nach Posen versetzt, wo sie aber kaum angelangt waren, als seine Versetzung als Brigade-Kommandeur nach Münster erfolgte.

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