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machte einen Aufwand, der selbst für die außerordentlichen Mittel, die ihm zu Gebote standen, zu bedeutend war, und seine mannigfaltigen Liebesverhältnisse mußten das häusliche Glück auf das bedenklichste stören. Die Mutter, die ihren Gatten innig liebte, fühlte sich tief gekränkt und unglücklich, sie trennte sich von ihm, und zog nach dem Gute Ludwigsburg, wohin ihr die Tochter folgte. Elisa, die immer besonders zärtlich an der Mutter gehangen, theilte mit ihr Schmerz und Betrübniß, und litt schwer von diesen so traurigen und zerrissenen Verhältnissen.

      Nach einem still und zurückgezogen verlebten Winter in Ludwigsburg, beschloß die Gräfin Charlotte, deren Gesundheit etwas zu leiden begann, im Sommer 1808 mit ihrer Tochter nach dem Bade Nenndorf zu gehen. Eine Freundin Elisens, eine junge Engländerin, Namens Fanny Harward, die seit einiger Zeit bei ihnen lebte, begleitete sie dahin.

      Mit frischem Jugendmuth, der trotz aller Trübung doch immer wieder fröhlich hervorbrach, sahen die beiden jungen Mädchen dieser Reise entgegen. Wie viel Unerwartetes, Schönes, Abentheuerliches dachten sie sich aus, das ihnen unterweges begegnen könne! Sie wurden nicht müde, sich auszumalen, was ihnen alles Neues und Bedeutsames bevorstehen möchte, und beide waren bereit, alles mit offenem, empfänglichem Sinn aufzunehmen. Diese Vorahnung wurde zum Theil mehr als bestätigt, denn was Elisen betraf, so sollte allerdings ihr Aufenthalt in Nenndorf für ihr ganzes Leben entscheidend werden.

      Die Reise wurde gegen die Mitte des Juni angetreten; man kehrte zuerst in Holstein bei Gräfin Charlottens Bruder, dem Gutsbesitzer von Hedemann-Heespen auf Deutsch-Nienhof ein, bei jenem vortrefflichen Onkel Elisens, dem sie immer, mehr noch wie ihrem Vater, zugethan war, und der sich ihrer in der Folge auch stets väterlich annahm; dann verweilte man einige Tage in Hamburg, wohnte einer Revüe bei, welche der damalige Fürst von Ponte-Corvo, der nachherige Kronprinz von Schweden, auf dem Walle über holländische Truppen abhielt, und besuchte die schönen Elbufer. In Hannover wurden die Gärten von Herrenhausen besehen, und als man in Nenndorf anlangte, glaubten Elisa und ihre Freundin schon viel des Interessanten und Hübschen erfahren zu haben.

      Wie viel mehr noch sollte ihnen das bunte Badeleben von Nenndorf darbieten, wo sich eine mannigfaltige Gesellschaft froh bewegte! Die verständige Gräfin, ihre reizende Tochter und die muntre Fanny waren überall gern gesehen, man kam ihnen von allen Seiten mit Beeiferung und Freundlichkeit entgegen; sie hörten die Conzerte des dort anwesenden berühmten Violinspielers Kiesewetter, sie tanzten und fuhren spazieren in der angenehmsten Umgebung und heitersten Laune. Einige französische Offiziere, die sich in der Gesellschaft befanden, wußten den jungen Damen in feinster und liebenswürdigster Weise den Hof zu machen, Elisa besonders war immer der Hauptgegenstand aller Auszeichnung.

      Eines Tages saß an der Table d'hôte neben Elisen ein ihr bereits bekannter junger französischer Offizier, der sich in ein lebhaftes Gespräch mit ihr vertiefte. Plötzlich geschah es, daß er in dem Eifer der Unterhaltung ihre Hand erfaßte. Elisa erschrack auf das heftigste, und die Berührung war ihr so widrig, daß sie ohne sich zu besinnen in ihrer Angst eine Wasserflasche ergriff, die vor ihr auf dem Tische stand, und vor aller Augen ihre Hand damit begoß und abwusch. Der Franzose sah sie bestürzt an.

      Einige an der Tafel sitzende preußische Offiziere hatten aus einiger Entfernung dem Vorgang zugesehen; unter diesen waren Adolph von Lützow, der nachherige berühmte Freischaarenführer, und sein Freund, Gustav von Bornstedt, welcher in der Schlacht von Auerstädt große Proben von Unerschrockenheit abgelegt und nach dem Tilsiter Frieden seinen Abschied genommen hatte. In jener Zeit, wo das Vaterland von Napoleon unterdrückt war und man den Franzosen so vielfältig mit Haß begegnete, war es leicht erklärlich, daß die Preußen die Meinung faßten, die ihnen unbekannte junge Dame wolle durch ihre Handlung ihren deutschen Patriotismus an den Tag legen, und damit ausdrücken, daß ihre Hand ihr durch die geringste Berührung eines Franzosen wie befleckt erschiene, ja, sie waren so erfreut über diesen energischen Haß, für den sie es hielten, daß sie am Nachmittag bei Elisens Mutter um die Erlaubniß anhielten, ihr die Aufwartung machen zu dürfen, um die schöne, franzosenfeindliche deutsche Jungfrau kennen zu lernen.

      Sie hatten sich indessen sehr geirrt. Ganz abgesehen davon, daß Elisa eigentlich keine Deutsche, sondern eine geborene Dänin war, so lag es überhaupt durchaus nicht in ihrem Charakter, einem Einzelnen, mit dem sie sich noch eben harmlos unterhalten hatte, und dem sie auch außerdem ganz freundlich gesinnt war, eine so harte Kränkung zuzufügen, und ihn allein ungerechterweise entgelten zu lassen, was seine Nation, oder vielmehr Napoleon an Deutschland verbrochen hatte. Im Gegentheil bedauerte sie, wie sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, den Franzosen so verletzt zu haben und suchte sich möglichst bei ihm zu entschuldigen. Dieser Vorfall war es jedoch, der den ersten Anlaß zu Elisens Bekanntschaft mit Adolph von Lützow gab, und noch in ihrem späteren Alter pflegte sie zuweilen scherzend zu sagen, jenem seltsamen Mißverständniß habe sie ihren Gatten verdankt.

      Wenn Adolph von Lützow auch nicht die Franzosenfeindin in Elisen fand, die er in ihr erwartete, so fand er dafür besseres in ihr. Wenn auch von Geburt eine Dänin, so war sie doch dem Sinn und Geiste nach eine Deutsche, die deutsche Mutter und die brave Marianne Philipi hatten in diesem Betreff entschiedenen Einfluß auf sie ausgeübt, und viel mehr fühlte sie sich zu den Deutschen hingezogen als zu den Dänen. Mit ihrem warmen Herzen, mit ihrer lebhaften Phantasie hatte sie tief den Druck mitempfunden, der auf Deutschland ruhte, und in ihrem begeisterten Gemüthe fanden die Freiheitshoffnungen, die sich in der ganzen deutschen Jugend mächtig regten, ihren reinsten Wiederhall.

      Es war nicht anders möglich, Adolph von Lützow, welcher bereits die Kriege am Rhein mitgemacht, sich in der Schill'schen Freischaar ausgezeichnet hatte, und bei der ruhmvollen Vertheidigung von Kolberg gegenwärtig war, wofür er als Hauptmann schon den Orden pour le mérite erhielt, mußte Elisens besonderen Antheil erwecken. Die Wunden, welche er von Kolberg davongetragen, und deren Heilung ihn nach Nenndorf geführt, durften ihr Interesse für ihn nur erhöhen; sie sah in ihm einen deutschen Krieger, welcher mit ganzer Seele für das Vaterland glühte, das auch sie wie das ihrige liebte.

      Adolph von Lützow war damals sechsundzwanzig Jahre alt, von mittlerer Größe; er sah weder regelmäßig schön, noch geistreich und bedeutend aus, aber gutmüthig und angenehm; seine großen blauen Augen trugen den Ausdruck von Treue, Wohlwollen und Bravheit; sein rundes Gesicht war von schlichten blonden Haaren umgeben, ein blonder Bart bedeckte die Oberlippe; das Kinn war kurz und etwas vorspringend. Sein offenes, männliches Wesen durfte gefallen, und ein Zug von soldatischer Munterkeit stand ihm wohl an.

      Elisa trat ihm entgegen in der vollen Blüthe ihrer Jugend und Schönheit, eine wahrhaft ätherische Erscheinung, achtzehn Jahre alt, voll Geist, Leben und Frische, mit liebenswürdig kindlicher Unschuld schon ernsten Sinn und tiefere Einsicht verbindend, und jene süße Anmuth, die alles bezauberte, was ihr nahte. Gewiß, sie durfte darauf rechnen, sich viele Herzen zu gewinnen, auch wenn sie nicht die vornehme Grafentochter, die künftige Erbin großer Reichthümer gewesen wäre!

      Lützow bezeigte ihr seine Verehrung und Bewunderung auf das lebhafteste; als er sie kennen lernte, hatte er seine Abreise schon festgesetzt, die nach zwei Tagen erfolgen sollte; nun konnte er sich aber nicht entschließen, sich so rasch aus solcher Nähe zu verbannen, und er blieb von einem Tage zum andern.

      »Welche von den beiden Damen ist es denn,« fragte ein alter Graf Löwenhielm leise und lächelnd zu Elisen und Fanny gewandt, indem er auf Lützow deutete, »die jenen schnurrbärtigen Offizier dort festhält, der immer morgen abreisen will und immer hier bleibt?« – »Ich nicht!« rief Fanny, aber Elisa erröthete.

      Lützow verweilte beinahe drei Wochen und trat immer offener und dringender mit seinen Bewerbungen hervor. Daß er Elisens Neigung erobert, durfte er hoffen, und auch der Gräfin Charlotte wußte er Zutrauen und Wohlwollen einzuflößen. Beide Frauen konnten sich aber nicht verhehlen, welche Schwierigkeiten einer Verbindung im Wege standen, da sie wohl wußten, daß Graf Ahlefeldt sich nicht leicht entschließen würde, seine Tochter außer Landes zu geben, und noch dazu einem jungen preußischen Offizier, der zwar von guter Familie war, tapfer und brav, aber weder durch Rang noch Vermögen die Ansprüche befriedigte, die jener an seinen künftigen

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