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ist schade, Sie haben sich da eines vorzüglichen Mittels zum Erfolg beraubt. Ca-a-ro, ca-a-a-ro, ca-a-a-a-ro, non du-bi-ta-re«, sang die Gräfin.

      Eugen hatte, als er den Namen des Vaters Goriot aussprach, wieder einmal mit der Wünschelrute an etwas gerührt, aber der Erfolg war der umgekehrte des Wortes: »Verwandter der Madame Beauséant«. Er war in der Lage eines Mannes, der bei einem Sammler eingeführt wird und der an einen Wandschrank mit Statuetten stößt, um drei oder vier schlecht angeleimte Köpfe zum Fallen zu bringen. Er hätte sich am liebsten in einen Abgrund gestürzt. Das Gesicht der Madame de Restaud war hart und kalt, und ihre Augen, die einen gleichgültigen Ausdruck angenommen hatten, mieden die des lästigen Studenten.

      »Madame«, sagte er, »Sie haben sicher mit Monsieur de Restaud etwas zu besprechen, nehmen Sie meine Huldigung entgegen und erlauben Sie mir …«

      »Sooft Sie uns aufsuchen«, sagte die Gräfin hastig, »Sie werden stets Monsieur de Restaud und mir den größten Gefallen tun.«

      Eugen grüßte das Paar tief und verließ das Zimmer, gefolgt von Herrn de Restaud, der ihn trotz seiner Gegenvorstellungen bis ins Vorzimmer begleitete.

      »Wenn der Herr sich wieder meldet«, sagte der Graf zu Maurice, »ist niemand zu sprechen, weder Madame noch ich.«

      Als Eugen den Hof betrat, regnete es.

      Nun, sagte er sich, ich habe eine Ungeschicklichkeit begangen, deren Ursachen und Tragweite ich nicht kenne, ich werde obendrein noch meinen Anzug und meinen Hut verderben. Ich sollte lieber in einem Winkel bleiben, um Jura zu ochsen, und nur daran denken, ein Beamter zu werden. Wie kann ich in der großen Gesellschaft verkehren, wenn man, um da leidlich mitzuspielen, einen Haufen von Dingen, Kabrioletts, Lackschuhe, goldene Ketten, am Morgen weiße Glacéhandschuhe für sechs Francs und am Abend gelbe braucht? Dieser alte Schuft, der Vater Goriot!

      Als er unter dem Straßentor war, machte der Kutscher eines Mietwagens, der gerade ein jungvermähltes Paar abgesetzt hatte und der jetzt gern eine Schwarzfahrt gemacht hätte, Eugen ein Zeichen, als er ihn ohne Schirm, im dunklen Anzug, gelben Handschuhen, weißer Weste und Lackstiefeln sah. Eugen befand sich in einem Zustand stummer Wut und war jung genug, immer tiefer in den Abgrund hinunterzusteigen. Er gab dem Kutscher durch ein Kopfnicken das Zeichen des Einverständnisses und stieg in den Wagen, in dem einiger Flitterkram und Orangenblüten noch von dem Aufenthalt des jungen Ehepaares zeugten.

      »Wohin fährt der Herr?« fragte der Kutscher, der seine weißen Handschuhe schon abgelegt hatte.

      Zum Teufel, sagte sich Eugen, wenn ich mich schon ruiniere, so muß es schon zu etwas nützen. »Zum Palais de Beauséant«, rief er.

      »Zu welchem?« fragte der Kutscher.

      Ein großes Wort, das Eugen in Verwirrung brachte! Dieser Kandidat der großen Welt wußte nicht einmal, daß es zwei Palais de Beauséant gab, er wußte nicht einmal, wie reich er war an Verwandten, die sich nicht um ihn kümmerten.

      »Zum Vicomte de Beauséant, Rue …«

      »De Grenelle«, sagte der Kutscher mit einer Kopfbewegung. »Sehen Sie, es gibt noch das Palais des Grafen und des Marquis de Beauséant in der Rue St-Dominique«, fügte er hinzu, indem er das Trittbrett hochklappte.

      »Ich weiß, ich weiß«, antwortete Eugen trocken. Alle Welt macht sich heute über mich lustig, dachte er, indem er seinen Hut auf die Kissen des Vordersitzes warf. Das ist ein Streich, der mich ein Heidengeld kosten wird. Aber ich mache wenigstens meiner sogenannten Cousine meine Aufwartung auf wirklich aristokratische Art. Der Vater Goriot kostet mich nun schon mindestens zehn Francs, der alte Verbrecher! Ich werde mein Abenteuer Madame de Beauséant erzählen, vielleicht bringe ich sie zum Lachen. Sie kennt ohne Zweifel das Geheimnis der verbrecherischen Verbindung zwischen diesem alten Rattenkönig und dieser schönen Frau. Es ist sicherlich besser, wenn ich meiner Cousine gefalle, als wenn ich vergebliche Versuche bei dieser unmoralischen Frau mache, die mir sehr kostspielig zu sein scheint. Wenn der Name der schönen Vicomtesse schon eine solche Macht hat, welchen Einfluß muß dann erst ihre Person ausüben? Wir wollen hoch hinaus! Wenn man im Himmel etwas erreichen will, muß man sich an den lieben Gott halten!

      Dies etwa war der Extrakt von tausendundeinem Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen. Er gewann ein wenig Ruhe und Sicherheit, als er den Regen fallen sah. Wenn er schon zwei der kostbaren Fünffrancstücke, die ihm blieben, ausgegeben hatte, sagte er sich, so waren sie doch glücklicherweise für den Schutz seines Anzuges, seiner Stiefel und seines Hutes verwandt worden. In einer fast frohen Stimmung hörte er den Ruf seines Kutschers: »Macht das Tor auf, bitte!« Ein Schweizer in rotgoldener Livree öffnete das knarrende Tor des Palais, und Eugen sah mit stiller Genugtuung den Wagen in den Vorhof fahren, dann wenden und schließlich unter dem Dach des Treppenaufganges halten. Der Kutscher in seinem groben, blauen, rotgeränderten Mantel ließ das Trittbrett herunter. Als Eugen den Wagen verließ, vernahm er ein unterdrücktes Kichern, das aus dem Souterrain heraufkam. Drei oder vier Diener hatten bereits über diese ordinäre Hochzeitskutsche ihre Witze gemacht. Der Student begriff ihren Spott, als er neben seinem Gefährt eines der elegantesten Kupees von Paris erblickte, das im Vorhof stand, davor zwei lebhafte Pferde mit blumengeschmücktem Geschirr, die ein gepuderter und wohlgekleideter Kutscher so fest an den Zügeln hielt, als wenn sie durchgehen wollten. In der Chaussée d'Antin, im Hofe der Frau von Restaud, stand das hübsche Kabriolett des jungen Mannes von 26 Jahren. Im Faubourg St-Germain wartete der Luxus eines Grandseigneurs, eine Equipage, die man mit dreißigtausend Francs nicht hätte bezahlen können.

      »Wer mag wohl da sein?« fragte sich Eugen, der – ein wenig spät – freilich einsah, daß es in Paris recht wenig Frauen gab, die nicht besetzt sind, und daß die Eroberung einer dieser Königinnen mehr als bloß Blut kostet. »Zum Henker, auch meine Cousine hat sicher ihren Maxime!«

      Er stieg die Treppe hinauf, den Tod im Herzen. Die Glastür öffnete sich, und er fand eine Gruppe von Dienern vor, die so feierlich taten wie Esel, die gestriegelt werden. Das Fest, an dem er teilgenommen hatte, war in den großen Empfangsräumen des Erdgeschosses gegeben worden. Da er zwischen der Einladung und dem Ball noch nicht die Zeit gehabt hatte, der Cousine seine Aufwartung zu machen, kannte er ihre Privatgemächer nicht. Er sollte daher zum ersten Male die Wunder der persönlichen Eleganz kennenlernen, mit der eine vornehme Frau ihr Wesen und ihre Seele zum Ausdruck bringt. Dieses Studium war um so aufschlußreicher, als der Salon der Madame de Restaud ihm als Vergleichspunkt dienen konnte. Um viereinhalb Uhr war die Vicomtesse zu sprechen. Fünf Minuten früher hätte sie ihren Vetter nicht empfangen. Eugen, der von den Nuancen der Pariser Etikette noch nichts wußte, wurde über eine große weiße, blumengeschmückte Treppe mit vergoldeter Rampe und rotem Teppich zu Madame de Beauséant geführt, deren durch die Skandalchronik verbreitete Biographie er noch nicht kannte: eine jener ewig variierten Geschichten, die des Abends in den Salons von Ohr zu Ohr geflüstert werden.

      Die Vicomtesse war seit drei Jahren mit einem der bekanntesten und reichsten portugiesischen Adligen, dem Marquis d'Ajuda-Pinto, liiert. Es war eine jener unschuldigen Verbindungen, die für die Beteiligten so viele Reize haben, daß sie die Gegenwart eines Dritten nicht ertragen können. So hatte denn der Vicomte de Beauséant selbst der Gesellschaft ein gutes Beispiel gegeben, indem er, freiwillig oder unfreiwillig, diese morganatische Verbindung respektierte. Die Besucher, die in den ersten Tagen dieser Freundschaft die Vicomtesse um zwei Uhr aufsuchten, trafen stets den Marquis d'Ajuda-Pinto an. Madame de Beauséant konnte ihre Tür nicht verschließen, denn das wäre unpassend gewesen, aber sie empfing die Besucher so kühl, und sie starrte so angelegentlich auf den Hof, daß jeder merkte, wie lästig er fiel. Als man in Paris wußte, daß Madame de Beauséant durch einen Besuch zwischen zwei und vier Uhr belästigt würde, wagte sich um diese Zeit niemand zu ihr. Sie ging in die Oper oder ins Bouffontheater in Begleitung des Herrn de Beauséant und des Herrn d'Ajuda-Pinto, aber als Mann von Welt verließ Monsieur de Beauséant stets seine Frau und den Portugiesen, sobald sie ihre Plätze eingenommen hatten. Herr d'Ajuda stand vor seiner Heirat. Er sollte ein Fräulein de Rochefide heimführen. In der ganzen großen Gesellschaft gab es nur eine einzige Persönlichkeit, die von dieser Heirat nichts wußte: Madame de Beauséant. Einige ihrer Freundinnen hatten ihr dunkle Andeutungen gemacht. Sie lachte darüber und glaubte, man wollte damit nur ihr Glück stören. Unterdes wurde das Aufgebot vorbereitet, aber der

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