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Ihrem Ball neulich war mir Madame de Restaud aufgefallen, und ich habe ihr heute morgen einen Besuch gemacht.«

      »Sie sind ihr gewiß recht lästig gefallen«, entgegnete Madame de Beauséant lächelnd.

      »Leider ja, ich bin ein Tor, der noch alle Welt gegen sich aufbringen wird, wenn Sie mir Ihre Hilfe verweigern. Ich glaube, es ist sehr schwer, in Paris eine junge, schöne, reiche und elegante Frau zu finden, die nicht schon in Anspruch genommen wäre. Dabei brauche ich doch eine, die mich das lehrt, was nur Frauen lehren können: das Leben! Überall werde ich einen Herrn de Trailles antreffen. Ich komme daher zu Ihnen mit der Bitte, mir das Rätsel aufzulösen und mir zu sagen, welcher Art die Dummheit ist, die ich begangen habe. Ich sprach von einem Vater …«

      »Die Herzogin von Langeais«, rief Jacques und schnitt dem sichtlich verärgerten Studenten das Wort ab.

      »Wenn Sie Erfolg haben wollen«, sagte die Vicomtesse, »so seien Sie vor allem nicht so hastig.«

      »Ah! Guten Tag, meine Liebe«, sagte sie, indem sie sich erhob und der Herzogin entgegenging. Sie drückte ihr die Hände mit einer überfließenden Zärtlichkeit, als wenn sie ihre Schwester wäre. Die Herzogin antwortete mit reizendsten Schmeicheleien.

      Das sind gewiß zwei gute Freundinnen, sagte sich Rastignac. Ich habe also zwei Gönnerinnen, die zwei Frauen müssen in ihrer Zuneigung übereinstimmen, und die neue wird sich ohne Zweifel auch meiner annehmen.

      »Welchem glücklichen Einfall verdanke ich das Vergnügen, Sie zu sehen, teure Antoinette?« fragte Madame de Beauséant.

      »Ich sah Herrn d'Ajuda-Pinto bei Monsieur de Rochefide vorsprechen, und da dachte ich, Sie seien allein.« Madame de Beauséant biß sich nicht auf die Lippen, sie errötete nicht, ihr Blick blieb sich gleich, und ihre Miene schien sich sogar aufzuheitern, als die Herzogin diese fatalen Worte aussprach.

      »Wenn ich gewußt hätte, daß Sie besetzt sind…«, fuhr die Herzogin fort, indem sie sich zu Eugen wandte.

      »Der Herr ist mein Cousin Eugen de Rastignac«, sagte die Vicomtesse. »Haben Sie Nachrichten vom General de Montriveau?« fragte sie. »Sérizy sagte mir gestern, daß man ihn gar nicht mehr sieht. War er heute bei Ihnen?«

      Man erzählte sich, daß Herr de Montriveau, in den die Herzogin leidenschaftlich verliebt war, sie verlassen habe. Sie fühlte den Dolchstich dieser Frage im Herzen und erwiderte errötend:

      »Er war gestern im Élysée.«

      »Im Dienst?« fragte Madame de Beauséant.

      »Claire, Sie wissen sicher«, fuhr die Herzogin fort, und ihre Augen funkelten vor Bosheit, »daß morgen das Aufgebot des Herrn d'Ajuda-Pinto mit Fräulein de Rochefide veröffentlicht wird?«

      Der Hieb war grausam. Die Vicomtesse wurde blaß und erwiderte:

      »Das ist eins von den Gerüchten, an denen die Dummköpfe ihr Vergnügen haben. Warum sollte Herr d'Ajuda einen der schönsten Namen Portugals gerade den Rochefides zum Geschenk machen? Leuten, deren Adel erst von gestern stammt?«

      »Aber Berthe wird, wie man sagt, 200 000 Livres Rente erhalten.«

      »Herr d'Ajuda ist zu reich, um derartige Rechenexempel zu machen.«

      »Aber, meine Teure, Fräulein de Rochefide ist ein entzückendes Mädchen.«

      »Ah!«

      »Aber wie dem auch sei, er diniert heute bei ihnen, und der Heiratsvertrag ist perfekt. Es erstaunt mich wirklich, daß Sie so schlecht informiert sind.«

      »Was war das doch gleich für eine Dummheit, die Sie begangen haben?« wandte sich Madame de Beauséant an Eugen. »Dieser arme Junge ist erst seit so kurzer Zeit in die Welt verschlagen worden, daß er von dem, was wir reden, nichts versteht, liebe Antoinette. Seien Sie recht gut zu ihm und vertagen wir unsere Unterredung auf morgen. Morgen, sehen Sie, wird sicher alles offiziell sein, und Sie können dann mit Bestimmtheit offiziöse Mitteilungen machen.«

      Die Herzogin warf Eugen einen jener hochmütigen Blicke zu, die den Menschen vom Kopf bis zum Fuß treffen, ihn sozusagen plattdrücken und zur Null machen.

      »Gnädige Frau, ich habe, ohne es zu wissen, Madame de Restaud einen Dolch ins Herz gestoßen. Ohne es zu wissen! Das ist meine ganze Schuld«, sagte der Student, den sein Genius jetzt nicht im Stiche ließ, der gut aufgemerkt und die Bosheiten wohl verstanden hatte, die sich unter den liebenswürdigen Phrasen der beiden Frauen verbargen. »Die Leute, die das Leid kennen, das sie zufügen, werden weiter empfangen und vielleicht gefürchtet, aber der, der verletzt, ohne die Tiefe der Wunde zu kennen, wird als ein Dummkopf und Tolpatsch betrachtet, der der Situation nicht gewachsen ist und den jeder verachtet.«

      Madame de Beauséant warf dem Studenten einen jener innigen Blicke zu, durch die große Seelen sowohl Anerkennung wie Würde auszudrücken wissen. Dieser Blick war Balsam auf die Wunde, die dem Studenten der kalte Auktionator blick der Herzogin zugefügt hatte.

      »Stellen Sie sich vor«, fuhr Eugen fort, »daß ich mir bereits das Wohlwollen des Grafen de Restaud erobert hatte. Denn Sie müssen wissen, Madame«, wandte er sich an die Herzogin, zugleich ergeben und boshaft, »ich bin nur ein kleiner Student, ich stehe ganz allein und bin sehr arm …«

      »Sagen Sie das nicht, Herr de Rastignac! Was niemand beachtet, davon wollen auch die Frauen nichts wissen.«

      »Bah«, erwiderte Eugen, »ich bin erst zweiundzwanzig Jahre alt, man muß die Mißgeschicke seines Alters ertragen. Übrigens bin ich am Beichten, und in einem reizenderen Beichtstuhl kann man nicht knien. In diesem begeht man Sünden, deren man sich an der anderen Stelle für schuldig bekennt.«

      Die Herzogin setzte bei diesen Worten, die sie für antireligiös hielt, eine kalte Miene auf. Sie wollte diese Wendungen als geschmacklos ächten und fragte die Gräfin: »Der Herr kommt wohl eben erst …«

      Madame de Beauséant lachte aufrichtig über beide, über ihren Cousin und über die Herzogin.

      »Ja, er kommt eben erst nach Paris, meine Teure, und er sucht eine Lehrerin, die ihm guten Geschmack beibringt.«

      »Frau Herzogin«, wandte Eugen ein, »ist es nicht natürlich, daß man in die Geheimnisse dessen eindringen will, was uns entzückt?«

      Hoppla, nun rede ich tatsächlich wie ein Friseur, dachte er bei sich.

      »Madame de Restaud ist, wenn ich nicht irre, selbst Schülerin, und zwar bei Herrn de Trailles«, sagte die Herzogin.

      »Ich wußte davon nichts, gnädige Frau«, erwiderte der Student. »Ich bin ganz unbedacht da hineingeplatzt. Schließlich hatte ich mich mit dem Gatten ziemlich gut verständigt, und ich fühlte mich auch für einige Zeit von seiner Frau geduldet, als es mir einfiel, ihnen zu erzählen, daß ich einen Mann kenne, den ich soeben über die Hintertreppe herabgehen und auf einem Korridor die Gräfin hatte küssen sehen.«

      »Wer war das?« fragten beide Frauen gleichzeitig.

      »Ein alter Mann, der wie ich armer Student von zwei Louis im Monat hinten im Faubourg St-Marceau lebt, wirklich ein armer Kerl, über den sich alle Welt lustig macht und den wir Vater Goriot nennen!«

      »Aber Sie Kind, Sie Kind«, rief die Vicomtesse, »Madame de Restaud ist eine geborene Goriot!«

      »Die Tochter eines Nudelfabrikanten, die am gleichen Tage mit der Tochter eines Konditors bei Hof vorgestellt wurde«, sagte die Herzogin. »Erinnern Sie sich nicht, Claire? Der König lachte und machte einen lateinischen Witz, der sich auf Mehl bezog. Leute …?

      Wie nur? Leute …«

      »Ejusdem farinae«, sagte Eugen.

      »Richtig«, sagte die Herzogin.

      »Wie! Das ist ihr Vater!« rief der Student mit einer Gebärde des Entsetzens.

      »Freilich. Der Alte hat zwei Töchter, in die er irrsinnig vernarrt ist, obwohl die eine wie die andere ihn verleugnet.«

      »Ist die andere nicht«, wandte sich die Vicomtesse an Madame de Langeais, »an einen Bankier mit deutschem Namen verheiratet, einen Baron Nücingen? Heißt sie nicht Delphine? Eine Blondine, die eine

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