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Bonfons aus, »und ohne Ursache! – das ist ja eine gesetzwidrige Überschreitung des väterlichen Züchtigungsrechts: Mißhandlung ist das! Dagegen kann sie Protest einlegen, und um so mehr, als . . .«

      »Komm, lieber Neffe«, sagte der Notar, »laß dein Gerichtskauderwelsch. Beruhigen Sie sich, Madame, von morgen ab soll diese Gefangenschaft ein Ende haben.«

      Als Eugénie hörte, daß man von ihr sprach, kam sie aus ihrem Zimmer herbei. »Messieurs«, sagte sie und trat mit stolzer Bewegung näher, »ich bitte Sie, sich nicht mit dieser Sache zu befassen. Mein Vater ist Herr in seinem Hause. Solange ich dieses Haus bewohne, muß ich ihm gehorchen. Seine Handlungsweise unterliegt weder der Billigung noch der Mißbilligung der Welt, er ist niemandem Rechenschaft schuldig als Gott. Ich erwarte von Ihrer Freundschaft das tiefste Stillschweigen in dieser Sache. Meinen Vater tadeln hieße unsere eigene Würde angreifen. Ich weiß Ihnen Dank, Messieurs, für die Teilnahme, die Sie mir bezeigen; aber Sie würden mich weit mehr verpflichten, wenn Sie das beleidigende Gerede zum Schweigen bringen würden, das in der Stadt in Umlauf ist und von dem ich zufälligerweise Kenntnis erhielt.«

      »Sie hat recht«, sagte Madame Grandet.

      »Die beste Manier, Mademoiselle, die Welt zum Schweigen zu bringen, wäre die, Ihnen die Freiheit wiederzugeben«, erwiderte der alte Notar ehrerbietig, verblüfft von der Schönheit, mit der die Einsamkeit, die Schwermut und die Liebe Eugénie geschmückt hatten.

      »Nun, mein Kind, dann überlaß nur Monsieur Cruchot die Sorge, diese Angelegenheit zu ordnen, da er sich für den Erfolg verbürgt. Er kennt deinen Vater und weiß, wie man ihn nehmen muß. Wenn du mich in der kurzen Zeit, die mir noch zu leben bleibt, glücklich sehen willst, ist es unbedingt notwendig, daß ihr versöhnt seid, du und dein Vater.«

      Am andern Morgen machte Grandet einer Gewohnheit zufolge, die er seit der Gefangensetzung Eugénies angenommen hatte, einige Runden durch seinen kleinen Garten. Er hatte für diesen Spaziergang den Augenblick gewählt, da Eugénie sich die Haare kämmte.

      Als der Biedermann beim großen Nußbaum angelangt war, verbarg er sich hinter dem Stamm und betrachtete während einiger Minuten das lange Haar seiner Tochter; ohne Zweifel hatte er einen harten Kampf zu bestehen zwischen seinem zähen Trotz und dem heftigen Wunsch, die Tochter in die Arme zu schließen.

      Oft ließ er sich auf der kleinen morschen Holzbank nieder, auf der Charles und Eugénie einander ewige Liebe geschworen hatten; dann blickte auch sie verstohlen zum Vater hinunter oder sah ihn in ihrem Spiegel. Erhob er sich und begann seine Wanderung von neuem, so setzte sie sich ans Fenster und blickte auf das Stückchen Mauer, auf dem die schönsten Blumen wucherten. Da gab es in den Mauerspalten Venushaar, Winden und ein fettes gelblichweißes Pflänzchen, ein Sedum, das in den Weingärten von Saumur und Tours sehr häufig ist.

      Notar Cruchot kam früh an einem schönen Junimorgen und fand den alten Weinbauer auf dem kleinen Bänkchen sitzen; er hatte den Kopf an die Mauer zurückgelehnt und war in den Anblick seiner Tochter vertieft. »Womit kann ich dienen, Monsieur Cruchot?« sagte er, als er den Notar gewahrte.

      »Ich komme in Geschäften.«

      »Aha! Sie wollen mir ein paar Taler in Gold umwechseln?«

      »Nein, nein; es handelt sich nicht um Geld, sondern um Ihre Tochter Eugénie. Alle Welt spricht von ihr und von Ihnen.«

      »Weshalb mischt man sich ein? Jeder ist Herr in seinem Hause.«

      »Gewiß; es hat auch jeder das Recht, sich umzubringen oder – was schlimmer ist – sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen.«

      »Was heißt das?«

      »Ja – Ihre Frau ist sehr krank, lieber Freund. Sie sollten wirklich Monsieur Bergerin konsultieren, sie schwebt in Todesgefahr. Wenn sie nun sterben sollte, ohne mit aller Sorgfalt gepflegt worden zu sein, würde das nicht Ihr Gewissen beunruhigen?«

      »Ta ta ta ta! Sie wissen, was meiner Frau fehlt. Wenn diese Ärzte erst mal den Fuß in ein Haus gesetzt haben, so kommen sie fünf-, sechsmal am Tag.«

      »Schön, Grandet, tun Sie, was Ihnen beliebt. Wir sind alte Freunde, nicht wahr? Es gibt in ganz Saumur keinen Mann, der mehr als ich teilnimmt an allem, was Sie betrifft; ich mußte also mit Ihnen reden. Nun, Glück zu! Sie sind mündig, Sie müssen wissen, was Sie tun, nur zu! Übrigens ist es nicht das, was mich herführt. Es handelt sich um etwas, das vielleicht noch trauriger für Sie ist. Kurz, Sie haben wohl nicht die Absicht, Ihre Frau zu töten? Sie ist Ihnen viel zu nützlich. Bedenken Sie nur, in welche Lage Sie Ihrer Tochter gegenüber kämen, wenn Madame Grandet sterben würde. Sie müßten Eugénie Rechnung ablegen, da Sie mit Ihrer Frau in Gütergemeinschaft leben. Ihre Tochter hätte das Recht, eine Vermögensteilung zu fordern, Froidfond verkaufen zu lassen.

      Also: sie würde das Erbe ihrer Mutter antreten, die Sie nicht beerben können.«

      Diese Worte wirkten wie ein Blitzschlag auf den Biedermann, der in der Gesetzgebung nicht so bewandert war wie im Handel. An eine Teilungsmöglichkeit hatte er nie gedacht.

      »Ich rate Ihnen daher, sie mit Milde zu behandeln«, schloß Cruchot.

      »Aber wissen Sie denn, Cruchot, was sie gemacht hat?« entgegnete Grandet.

      »Was?« fragte der Notar, neugierig auf ein Bekenntnis des Geizhalses über die Ursache des Zwistes.

      »Sie hat ihr Gold verschenkt.«

      »Nun, und . . .? Gehörte es ihr?« fragte der Notar.

      »Alle sagen sie mir das!« sagte der Biedermann und ließ mit tragischer Gebärde die Arme sinken.

      »Wollen Sie wegen einer solchen Kleinigkeit die Zugeständnisse, die Sie von ihr beim Tode ihrer Mutter erreichen wollen, unmöglich machen?« fuhr Cruchot fort.

      »Ah! Sie nennen sechstausend Francs in Gold eine Kleinigkeit?«

      »He, alter Freund, wissen Sie, was die Inventaraufnahme und Teilung des Nachlasses Ihrer Frau kosten würde, falls Eugénie sie verlangen sollte?«

      »Was also?«

      »Zwei- oder drei-, ja viertausend Francs vielleicht! Müßte man nicht verkaufen und versteigern, um den wirklichen Wert festzustellen? Hingegen, wenn Sie sich miteinander verständigen . . .«

      »Beim Winzermesser meines Vaters!« rief der Weinbauer, der erbleichte, »wir wollen sehen, Cruchot, wir wollen sehen.« Nach einem Augenblick des Schweigens, der Ohnmacht blickte der Biedermann den Notar an und sagte: »Das Leben ist sehr hart; es bringt viel Leid mit sich. Cruchot«, fuhr er feierlich fort, »Sie wollen mich doch nicht täuschen? Schwören Sie mir auf Ehrenwort, daß das, was Sie mir da erzählen, gesetzlich richtig ist. Zeigen Sie mir das Gesetzbuch! Ich will das Gesetzbuch sehen!«

      »Mein armer Freund«, erwiderte der Notar, »ich kenne doch wohl mein Gewerbe.«

      »Das ist also wirklich wahr? Ich sollte von meiner eigenen Tochter verraten, beraubt, gemordet werden?«

      »Sie ist die Erbin ihrer Mutter.«

      »Was hat man denn da von seinen Kindern? Tja! Meine Frau, ich liebe sie. Sie ist glücklicherweise kräftig: eine la Bertellière.«

      »Sie hat nicht einen Monat mehr zu leben.«

      Der Böttcher schlug sich an die Stirn, sprang auf, lief davon, kam wieder und fragte mit einem grimmigen Blick auf Cruchot: »Was tun?«

      »Eugénie könnte rein und ganz auf die Erbschaft ihrer Mutter verzichten. Sie wollen sie ja nicht enterben, nicht wahr? Um aber ein derartiges Zugeständnis zu erhalten, dürfen Sie sie nicht mißhandeln. Was ich Ihnen da sage, mein Alter, ist eigentlich gegen meine eigenen Interessen. Denn was ist mein Amt, wie? . . . Liquidationen machen, Inventaraufnahmen, Verkäufe, Teilungen . . .«

      »Wir werden sehen, wir werden sehen. Reden Sie von etwas anderem, Cruchot. Sie drehen mir das Herz im Leibe um. Haben Sie Gold bekommen?«

      »Nein; aber ich besitze ein paar alte Louisdore, zehn Stück, ich werde sie Ihnen geben. Mein guter Freund, schließen Sie Frieden mit Eugénie. Sehen Sie, ganz Saumur wirft den Stein auf Sie.«

      »Die Narren!«

      »Übrigens,

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