Скачать книгу

Mädchen hatte ihm mit leuchtenden Augen zugehört.

      »Er ist mein Bräutigam«, sagte sie stolz und glücklich.

      »Erzähle mir, Mädchen.«

      »O, Onkel Florens, das ist eine lange Geschichte.«

      »Also eine Liebesgeschichte?«

      »Ja.«

      Der Domherr hatte sich rasch besonnen.

      »Höre, Karoline, so erzähle sie mir heute nicht, aber morgen oder übermorgen, wenn ich zu Dir komme, und dann vor dem Bilde Deiner Mutter!«

      »Das soll geschehen, lieber Onkel Florens.«

      Dem Domherrn war dann etwas anderes eingefallen, und es trübte ihm die Freude, und er durfte es doch nicht zeigen. Fragen musste er aber.

      »Hast Du kürzlich Nachricht von ihm?«

      »Vor acht Tagen die letzte.«

      »Und woher?«

      »Aus Namur. Er erwartete bald eine Schlacht.«

      »So, so! Nun, morgen, spätestens übermorgen erzählst Du mir. Aber jetzt eine Bitte an Dich, mein liebes Mädchen.«

      »Du an mich eine Bitte?«

      »Ich habe Dir eine Unglückliche zugebracht, eine Frau mit ihrem Kinde; Frau Mahler heißt sie. Weiter weiß ich eigentlich nicht viel von ihr. Was es noch ist, wird sie Dir selber sagen, und wenn Ihr Freundinnen werdet — ob ihr es werden könnt, werdet Ihr ja schon sehen — so wird sie Dir wohl noch mehr sagen. Nimm sie jedenfalls mit der Liebe und Freundlichkeit bei Dir auf, die das Unglück verdient.«

      »Ihr Unglück wird mir heilig sein, Onkel.«

      »Ich wusste es. Und nun noch eine Frage. Du kommst von Niederhelmern, wie mir die alte Christine sagte. Hast Du dort helfen können? Es macht Dir Freude zu helfen, und ich möchte Deine Freude teilen.«

      »Der Krieg hat den armen Leuten die Stütze genommen. Der Ernährer der Familie wurde zur Landwehr eingezogen; da sind sie immer mehr heruntergekommen, und nicht bloß in ihrem Nahrungsstande.«

      »Du sollst mir auch das nächstens erzählen. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Ich werde in Hofgeismar erwartet. — Habe ich Dir schon von meiner Nichte Gisbertine gesprochen?«

      »Noch nie.«

      »Ja, ja — vor zwei Jahren! Nun, Du sollst auch von ihr erfahren. Lebe wohl, mein Kind!«

      Er nahm einen zärtlichen Abschied von ihr.

      Sie setzte dann ihren Weg nach Ovelgönne, er den seinigen nach Hofgeismar fort.

      Als er wieder allein war, sprach er für sich:

      »Ja, ja, der Krieg, er ruiniert alles, selbst die Freiheit, die er erkämpfen soll. Es ist eine alte Geschichte. Und die Landwehr, die die Throne wieder befestigt hat — hm, hm, die Welt weiß auch von einer uralten Geschichte zu sprechen, die man den Lohn der Welt nennt.

      Und die arme Karoline! Noch schlägt ihr das Herz so glücklich! Und vielleicht hat der Tod ihr schon in diesem Augenblicke den Mann ihres Herzens, ihres Glückes entrissen! Und das Herz der Unglücklichen, an dem sie einen Trost suchen könnte, wird es nicht den gleichen Verlust zu beklagen haben, gar den Gatten, den Vater ihres Kindes? Aber sagte sie nicht, dass sie eine Verbrecherin sei? Gegen wen ist sie es? Wird der Tod des Mannes — Aber wer wird anklagen, wo er nichts weiß! — Und zu dem dritten Herzen, das in dem wilden Kriege zu verlieren hat, alles, alles verlieren kann, komme ich jetzt, und wird sie unglücklich sein, diese unglückliche Gisbertine?«

      Er kam in Hofgeismar an. Die Sonne wollte gerade untergehen.

      »Zu dem Linke’schen Hause!« hatte er seinem Fuhrmann gesagt. »Kennst Du es?«

      »Ja, Euer Gnaden.«

      Er fuhr an dem Hause vor.

      Der alte Diener Johann trat schon heraus.

      »Alles in Ordnung, Johann?«

      »Zu Befehl, Euer Gnaden!«

      »Auch die Wohnung für den General?«

      »Im zweiten Hause links hierneben.«

      »Der General schon da?«

      »Noch nicht.«

      Der Domherr ging in das Haus.

      Auch die Wirtsleute waren ihm schon entgegengekommen. Sie hatten ihre herzliche Freude, den alten langjährigen Gast wiederzusehen; der Domherr freute sich mit ihnen.

      Dann riefen ihn die Klänge eines Posthorns wieder hinaus.

      »Der Wagen des Herrn Generals«, sagte Johann.

      Der alte Diener eilte zu dem Wagen, um ihn zurecht zu bringen.

      Der Domherr folgte ihm langsamer zu dem zweiten Hause links nebenan.

      Es war ein freundliches kleines Landhaus in einem reizenden Gärtchen. Man ging in Gärtchen und Haus ohne Stufen, dem General war das Bein zerschossen; er konnte also nicht wohl Treppen steigen.

      »Der Johann hat an alles gedacht«, sagte sich der Domherr. »Hm, hm, und Dame Gisbertine?«

      Sie nur allein schien ihn am Ende zu beschäftigen.

      Eine Extrapost, von Johann geleitet, hielt vor dem Häuschen.

      Es war ein bequemer, eleganter Reisewagen; die Fenster waren niedergelassen, wohl gegen den Chausseestaub; er bedeckte sie, dass man nicht hindurchsehen konnte. Hintenan hing ein kleines Coupé, wie an dem Wagen des Domherrn; ein Bedienter und eine Kammerjungfer saßen darin.

      Der Bediente war aus dem Coupé und an den Kutschenschlag gesprungen, als der Wagen hielt; an demselben Schlage stand der Diener des Domherrn.

      Aber der Domherr war beiden zuvorgekommen; er hatte den Wagen geöffnet.

      »Guten Abend, Vetter Steinau«, sprach er hinein.

      »Guten Abend, Vetter Aschen«, wurde ihm geantwortet.

      Es war eine tiefe Schlachtenstimme, die ihm antwortete.

      »Vetter Steinau«, sagte der Domherr, »wollen Sie zuerst aussteigen, oder sollen zuerst Ihre Krücken kommen?«

      »Zuerst die Krücken.«

      Zwei starke lange Krücken wurden aus dem Wagen gereicht; sie mussten für einen Riesen sein.

      Der Domherr nahm sie und reichte sie dem Bedienten des Generals.

      Aus der andern Ecke des Wagens kam eine Stimme.

      »Onkel Florens, Du könntest mir behilflich sein; dem Onkel Steinau helfen die Bedienten.«

      Es war eine außerordentlich wohlklingende Frauenstimme, die die Worte sprach; sie sprach nur nicht eben sehr sanft, vielmehr ungeduldig, fast befehlend.

      Der Domherr blickte ruhig zu ihr in. den Wagen hinein.

      »Lass‘ Dir von Deiner Jungfer helfen, Gisbertine. Wenn Du so alt bist wie Dein Onkel Steinau und auf Krücken gehen musst wie er, dann sollst Du die Erste sein.«

      Er sprach es kalt und ruhig, wie sein Blick war.

      Und er sprach zu seiner Nichte Gisbertine, die ihm auf seiner ganzen Reise nicht aus den Gedanken gekommen war, deren mannigfache Rücksichtslosigkeiten ihm ebenso viele Befehle gewesen waren.

      Er erhielt keine Antwort. Er schien auch keine zu erwarten.

      Er half seinem Vetter Steinau aussteigen; die beiden Bedienten halfen ihm.

      Der General von Steinau war eine fast riesige, kräftige, stramme Soldatengestalt. Das rechte Bein war ihm im vorigen Feldzuge zerschossen; es war zwar geheilt, der General konnte aber noch nicht darauf treten; das Bad sollte

Скачать книгу