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sich hin und rührte mit dem kleinen Silberlöffel mechanisch in der Teetasse.

      Lord Horace betrachtete sie mit forschendem Blick. Seit Tagen fiel ihm eine Veränderung an ihr auf, für die er keine Erklärung fand. Was konnte die ruhige, gefestigte Natur seiner Frau so außer Fassung bringen? Der drohende Krieg? … Wenig wahrscheinlich! Was sonst?

      Lady Diana atmete, wie von einer Last befreit, als die Gäste sich empfahlen. Lord Horace sah, wie gezwungen das Lächeln war, mit dem sie sie verabschiedete.

      Vergeblich wartete er auf ihre Rückkehr.

      »Die Lady hat sich in ihre Räume zurückgezogen.«

      Der Bescheid wurde ihm auf seine Frage. So war es ihm unmöglich, dem Grunde dieser Veränderung näherzukommen. Es hieß wohl zu warten, bis seine Gattin freiwillig sprechen würde.

      Er war in Sorge. Seine Heirat war eine Liebesheirat im besten und edelsten Sinne. Die Erhöhung des Gatten, die unerwartete Erbschaft des Lordtitels hatte das innige zarte Verhältnis der Gatten nicht geändert. Die Liebe, die in der Hütte blüht, stirbt leicht im Palast. Hier war das nicht der Fall. Doch seit einigen Tagen fühlte Lord Horace, daß etwas Fremdes zwischen ihm und seiner Gattin stand.

      Lady Diana schritt rastlos in ihrem Zimmer hin und her, mit fieberisch geröteten Wangen. Die Lippen wie durstig geöffnet.

      Die Stutzuhr schlug die sechste Stunde.

      Diana Maitland hielt in ihrem Gang inne und starrte auf das Zifferblatt.

      »Schon wieder ein Tag vergangen … ohne Nachricht … Noch eine Nacht wie die vergangene ertrage ich nicht … Warum das alles? … Um eines Mannes willen, dessen Namen ich längst aus meinem Leben gestrichen zu haben glaubte. Ah …«

      Sie warf sich auf den Diwan. Die eine Hand schob ungeduldig die Kissen zurecht, die andere strich das Haar von der Schläfe. Ihre Augen waren geschlossen, aber es zuckte zuweilen in den langen Wimpern.

      Eine Welt lag zwischen diesem unruhig sinnenden, gegen Tränen kämpfenden Weib und jener heiteren, strahlenden Schönheit, die noch vor wenigen Tagen den Mittelpunkt der glänzenden Gästeschar in Maitland Castle bildete.

      Ihre Lippen formten Worte.

      »Warum lasse ich mich in wachendem Zustand von diesen Träumen quälen? Ist es nicht genug an den unruhigen Nächten? … Warum diese Angst? … Was habe ich getan, was ich nicht vor mir selbst, vor aller Welt verantworten könnte?

      Ich bin nur feig … oder vielleicht krank … und könnte doch gerade so glücklich sein, wie mich die Welt schätzt.«

      Lady Diana richtete sich heftig auf.

      »Horace beobachtet mich … meine Aufregung ist ihm nicht entgangen … ich bin ihm kein Geständnis schuldig! Nein, nein! Soll ich ein zweites Mal für eine Sünde büßen, die keine war?«

      Erschöpft warf sie sich auf den Diwan zurück und schlug die großen dunklen Augen zur Zimmerdecke auf. Wie unter einem Zwange sprach sie weiter:

      »Der eine liegt auf dem Père Lachaise. Der andere in Linnais …?«

      Ein Pochen an der Tür. Auf silbernem Tablett brachte die Zofe einen Brief. Ein großes graues Kuvert. Deutsche Briefmarken. Die Schrift der Adresse schien ihr wohl bekannt, und doch konnte sie den Schreiber nicht erraten.

      »Legen Sie den Brief auf den Tisch. Ich werde ihn später lesen.«

      Sie sagte es mit gleichgültiger Stimme. Kaum hatte die Zofe den Raum verlassen, als sie aufsprang und den Umschlag mit zitternden Fingern zerriß. Ein einfaches Zeitungsblatt bildete den Inhalt. Eine schwedische Zeitung. Ihre Sprachkenntnisse reichten hin, den Inhalt halb zu entziffern, halb zu erraten. An einer Stelle ein roter Strich. Eine fettgedruckte Stichmarke … Linnais …

      Sie ging zum Diwan zurück, zwang sich gewaltsam, die wenigen Zeilen Wort für Wort zu lesen:

      »Linnais, den 20. Juli. Eine Katastrophe, die noch der Aufklärung bedarf, hat gestern das in unserer Nähe liegende Gehöft der Truwors betroffen. Um Mitternacht flog das Herrenhaus unter schweren Explosionen in die Luft. Es wurde von dem erst kürzlich aus dem Auslande zurückgekehrten Besitzer bewohnt, der zwei Freunde als Gäste bei sich hatte. Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß alle Insassen den Tod gefunden haben. Über die Ursache der Katastrophe gehen Gerüchte, die wir ihrer Unkontrollierbarkeit wegen vorläufig nicht wiedergeben wollen.«

      Mit einem leisen Aufschrei sank Diana Maitland auf den Diwan zurück. Wie im Traume sah sie, wie sich die Tür öffnete, Lord Horace in das Zimmer trat, die Tür hinter ihm ins Schloß fiel. Es war ihr unmöglich, sich zu erheben. Es gelang ihr nur, sich etwas aufzurichten.

      »Du hast eine unangenehme Nachricht erhalten?«

      »Eine unangenehme Nachricht … wie kommst du auf die Frage?«

      Lord Horace deutete auf das am Boden liegende Zeitungsblatt.

      »Wer sandte dir diese Zeitung?«

      Die Antwort kam nicht gleich. Endlich kam sie … zögernd und unfrei:

      »Dr. Glossin.«

      »Von Dr. Glossin?!«

      Lord Horace trat einen Schritt zurück.

      »Von Dr. Glossin? … Gib mir, bitte, eine Erklärung. Du bist sie mir schuldig. Was steht in dem Blatt, daß dich in eine solche Erregung versetzt?«

      Lady Diana zögerte, stockte. Erst nach geraumer Weile hatte sie ihre Stimme in der Gewalt.

      »Du darfst mir nicht zürnen, Horace. Es überkam mich plötzlich … gewiß eine Folge der letzten kritischen Tage. Sie haben Ansprüche auf meine Nerven gemacht, denen ich nicht gewachsen war … Die Zeitung von Dr. Glossin … oh, gewiß! Es wird dich interessieren, welchen Erfolg die Expedition nach Linnais gehabt hat. Dr. Glossin … ah, gewiß! Es wird dich interessieren, welche Nachrichten er überbringt.«

      »Warum schickte er die Zeitung an deine Adresse?«

      »Ich glaube … ich glaube … nun sehr einfach, ihr Männer seid doch jetzt Feinde.«

      Diana Maitland versuchte zu scherzen.

      »Sein patriotisches Gewissen erlaubt ihm keinen Verkehr mehr mit dir … Ich werde dir diese Zeilen übersetzen.« Sie las ihm den Inhalt der Notiz vor.

      »Ah, sehr gut … Der Plan ist also gelungen. Unbegreiflich, daß noch keine Meldung von Oberst Trotter vorliegt … Doch du? … Du freust dich nicht? Und nahmst doch zuerst so starken Anteil an dem Plan.«

      Diana war zurückgesunken. Sie drückte das feine Spitzentuch gegen die Stirn. Ihre Brust bewegte sich heftig.

      »Diana, was ist dir?«

      »Nichts! Habe Geduld mit mir, Horace. Es wird vorübergehen. Überlasse mich heute mir selbst, ich bitte dich!«

      »Schenke mir Vertrauen, Diana. Befreie dich von der Last. Sage mir, was dich quält.«

      Lord Maitland näherte sich ihr und legte den Arm beruhigend um ihren Nacken.

      Diana zuckte leise zusammen. Ihr Körper erzitterte.

      »Lasse mich! Lasse mich! Ich bin nicht die, die …«

      Klage und Herausforderung schienen zu gleicher Zeit im Klange dieser Worte zu liegen. Lord Horace zog seine Hände von ihren Schultern zurück. Betroffen sah er das jagende Wechselspiel von Licht und Schatten auf ihren Zügen. Er wagte nicht zu sprechen, wagte nicht diese Qual, in der ihre Seele sich wand, zu unterbrechen. Endlich nach langem Schweigen schien ihr der Entschluß zu reifen. Ein harter Zug legte sich um ihren Mund.

      »Ich will nicht länger schweigen. Nur die Wahrheit kann mir helfen.«

      Sie sprach ohne Schwäche.

      »Hör mich an als mein Gatte, mein Freund … als mein Richter.« Sie wendete sich ihm zu und blickte ihn mit freien Augen an.

      »Du weißt, Horace, daß

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