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längst mitgeteilt …«

      Dr. Glossin sah nicht sehr geistreich aus. Das Erstaunen war zu groß, die Neuigkeit war zu überraschend und kam zu plötzlich.

      Jane sah es und brach in ein helles Gelächter aus.

      »Sie wissen also nicht, daß ich verheiratet bin? Wissen natürlich auch nicht, wer mein Mann ist?«

      »Keine Ahnung, Mrs. … Mrs. …«

      »Mrs. Bursfeld, damit Sie meinen vollen Namen kennenlernen, Herr Doktor.«

      »Ich konnte es mir fast denken.«

      Dr. Glossin murmelte die Worte unhörbar vor sich hin. Mochte Jane immerhin geheiratet haben, so war sie heute doch schon wieder Witwe. Das sollte ihn nicht stören. Aber er mußte klar sehen, welche Veränderung mit ihr vorgegangen war.

      Ihre Erinnerung war lückenhaft. Sie wußte nichts mehr von Reynolds-Farm, wußte vielleicht überhaupt nicht mehr, daß es jemals einen Menschen namens Logg Sar gegeben hatte, obwohl sie heute Mrs. Bursfeld war. Todesurteil, Verrat, alle die Dinge, bei denen Glossin eine so schlimme Rolle spielte, waren ihrem Gedächtnis entschwunden. Es war dem Doktor klar, daß hier eine suggestive Beeinflussung vorlag. Man hatte Jane diese aufregenden Vorfälle vergessen lassen, um ihr hier ein ruhiges Leben der Erholung und Kräftigung zu ermöglichen. Die guten Wirkungen der Maßnahme zeigten sich auch unverkennbar an ihrem Aussehen.

      Aber noch etwas anderes mußte geschehen sein. Während Dr. Glossin mit Jane sprach, versuchte er die alten Künste. Ganze Ströme magnetischen Fluidums ließ er auf sie wirken, während er im Laufe des Gespräches ihre Hände ergriff. Mit aller Kraft suchte er sie wieder unter seinen Willen zu zwingen. Ein Weilchen ließ ihn Jane gewähren. Dann entzog sie ihm ihre Hände.

      »Nun ist es genug, Herr Doktor. Sie sehen mich an … so … was … wollen Sie?«

      Bei diesen Worten schaute sie ihm selbst so sicher und unbeeinflußt in die Augen, daß er seine Bemühungen aufgab.

      Ein mächtiger Wille hatte Jane gegen alle hypnotischen Beeinflussungen von anderer Seite verriegelt. Wohl konnte er ruhig mit Jane sprechen. Aber alle Annäherung konnte ihm nichts nutzen. Sie war gegen seinen Einfluß gefeit. Eine Verriegelung, die Atma gelegt hatte … Dr. Glossin zweifelte, ob es ihm je gelingen könnte, sie wieder aufzuheben. Ein einziges Mittel blieb, eine schwere seelische Erschütterung. Wenn sie stark genug war, wenn sie die Seele mit voller Macht traf, dann konnte sie den Riegel vielleicht zerbrechen.

      Dr. Glossin lehnte sich in seinen Stuhl zurück und holte aus seiner Brusttasche ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt hervor.

      »Ich bitte Sie um Verzeihung, Mrs. Bursfeld, wenn meine Blicke länger als üblich an den Ihren hingen, meine Hände länger als gewöhnlich in den Ihren ruhten. Die überraschende Mitteilung Ihrer Vermählung bringt mich in eine eigenartige Lage, macht eine Nachricht, die sonst nur bedauerlich gewesen wäre, zu einer Trauerbotschaft.«

      Jane blickte ihn mit weitgeöffneten Augen an. Überraschung und Bestürzung malten sich auf ihren Zügen.

      »Eine schlimme Nachricht aus Linnais.«

      Dr. Glossin sagte es, während er Jane das Haparanda Dagblad mit der Nachricht vom Untergange des alten Hauses Truwor hinhielt.

      Jane warf einen Blick darauf.

      »Herr Doktor, ich verstehe kein Schwedisch. Sie müssen mir das übersetzen.«

      Dr. Glossin nahm das Blatt wieder an sich und begann Wort für Wort zu übersetzen. Die Nachricht vom Brande, von den Explosionen. Vom Untergange des ganzen alten Hauses in einer einzigen wabernden Lohe. Vom sicheren Tode aller Insassen.

      Während er Zeile für Zeile übersetzte, wurde Jane von Sekunde zu Sekunde blasser. Bei den letzten Worten sank sie mit einem leisen Schrei ohnmächtig von ihrem Stuhl auf den Teppich.

      »Jetzt oder nie … vielleicht ist der Riegel gebrochen.«

      Dr. Glossin beugte sich über die ohnmächtig Daliegende. Er strich ihr über die Stirn. Alles magnetische Fluidum, über das er verfügte, versuchte er in ihren Körper zu jagen. Sie wieder ganz unter seinen Willen und Einfluß zu zwingen.

      Er befahl ihr, sich zu erheben, und Jane führte den Befehl aus. Mit halbgeschlossenen Augen stand sie vor ihm.

      Auf einen Dritten hätte die Szene einen wunderbaren Eindruck gemacht … Kein Wort wurde gesprochen. Lautlos erteilte Dr. Glossin seine Befehle. Lautlos vollzog sie Jane, solange sie sie noch vollzog.

      Eine Richtung der Pupillen von Jane gefiel dem Doktor nicht. »Sehen Sie mich an. Sehen Sie mir genau in die Augen«, befahl er.

      Jane leistete dem Befehl keine Folge. Erst wanderte ihr Blick. Dann drehte sich ihr Haupt und dann der ganze Körper. Sie wandte dem Doktor halb den Rücken zu. Wäre Dr. Glossin über die Himmelsrichtungen in dem Zimmer orientiert gewesen, hätte er bemerkt, daß Jane genau nach Norden blickte.

      So stand sie. Minuten hindurch. Dr. Glossin bot seine ganze Kraft auf und hatte keinen Erfolg.

      Wenn der Riegel jemals gebrochen war, so war er in diesen Sekunden wieder zusammengeschweißt.

      Jetzt wandte sich Jane ruhig dem Doktor wieder zu. Sie zeigte eine heitere Miene. Jede Angst und Unruhe waren wie weggewischt. Sie nahm die Unterhaltung da wieder auf, wo sie vor langen Minuten gestockt hatte.

      »Dieser Zeitungsbericht ist doch längst überholt. Ein bedauerlicher Zwischenfall. Ein Brand, der im Laboratorium von Erik Truwor ausbrach. Ich hörte davon. Es ist schade. Es hält die Arbeiten wieder auf. Ich werde meinen Mann ein paar Tage länger entbehren müssen. Aber Sie können beruhigt sein. Er ist unversehrt und arbeitet mit allen Kräften an seiner Erfindung weiter …«

      Dr. Glossin hatte das Empfinden, als ob alles um ihn niederbräche. Eben noch seines Sieges gewiß. Im Bewußtsein, drei Gegner vernichtet zu haben. Im Begriff, Jane wieder unter seinen Einfluß zu zwingen.

      Und nun? Die junge Frau stand sicher und selbstbewußt vor ihm. Sie lachte über die Mitteilungen, die sie niederschlagen sollten.

      »Herr Doktor, Ihre Nachrichten sind überholt. Ich habe neuere, bessere.«

      Mit dieser im Konversationston vorgebrachten Bemerkung schlug sie alle seine Angriffe zurück, vereitelte sie seine Anstrengungen, setzte sie ihn der Gefahr aus, sich lächerlich zu machen, wenn er seinen Besuch noch weiter ausdehnte.

      Dr. Glossin empfahl sich. Äußerlich höflich, innerlich zerrissen und wütend.

      »Wenn nicht die eine, so die andere! Wir wollen sehen, wie Lady Diana die Nachricht aufnimmt.«

      Mit diesem Vorsatz verließ er das Haus.

      Das war die Stellung der beiden Flotten. Vor der Broken-Bai auf der Reede von Port Jackson lagen die sechs großen australischen Schlachtschiffe. Die »Tasmania«, »Viktoria«, »Kaledonia« usw. Mit den leichteren Streitkräften insgesamt fünfzehn Fahrzeuge. Etwa sechzehn Kilometer nördlich nach Rielmond hin ankerte das englische Geschwader. Es hatte alles in allem rund die doppelte Schiffszahl der australischen Flotte und auch die doppelte Kampfstärke.

      Nur Kommodore Blain und die Herren von der Admiralität in London wußten, warum ein englisches Geschwader von solcher Stärke plötzlich in der Nähe von Sydney auftauchte. Vielleicht geschah es, um den Vorstellungen des englischen Sondergesandten MacNeill ein besonderes Gewicht zu verleihen. Vielleicht war es auch wirklich nur ein Zufall.

      Mochte dem sein, wie ihm wolle. Die Besatzungen der australischen Schiffe vom Admiral Morison bis hinab zu den letzten Midshipmen waren über die Anwesenheit nicht erbaut. Für den Admiral Morison waren zwar die strikten Anweisungen seiner Regierung bindend, die ihm einen nicht nur höflichen, sondern sogar herzlichen Verkehr mit der englischen Flotte zur Pflicht machten. Aber Admiral Morison war einer gegen dreißigtausend Mann der Flottenbesatzung.

      Mittags um zwölf wurde der Beschluß des australischen Parlaments auf der Flotte bekannt. Es war Essenszeit. Wer nur irgendwie dienstfrei war, saß beim Mittagmahl. Die Mannschaften

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