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Mißbrauch, Frevel wäre es! Ich kann es nicht! Ich will es nicht!«

      Uhlenkort starrte in das Gesicht des Freundes. Von Jugend an kannten sie sich. Nie hatte er es so gesehen. Die tiefe Blässe, die stets darauf geruht, war verschwunden, einer leichten Röte gewichen. Die blauen Augen – ein leichter Schleier hatte stets darüber gelegen – leuchteten, wie wenn ein heiliges Feuer sie entzündete. Statt der sanft geschwungenen Lippen des zarten Mundes ein messerscharfer roter Strich an ihrer Stelle. Die schmächtige, leicht vorn übergeneigte Gestalt stand hoch aufgerichtet da. Uhlenkort war zurückgetreten, sah zu ihm hinüber. War das Johannes Harte? War das der Freund seiner Jugend?

      »Du wirst sie wiedersehen, die Verlorene, sei’s dir ein Trost! Doch vergiß es nicht, daß auch dir das Schicksal zu tragen gegeben hat, schwer, schwerer als vielen anderen Sterblichen. Daß auch du sein Diener bist, bestimmt zu Großem, bestimmt, vielen Tausenden zu helfen, ihre Not zu lindern … Sie …«, der starre Ausdruck seines Gesichts milderte sich, »… sie ist in Not, einer Not, klein gegenüber der der Tausende. Du tust dein Werk, wie das Schicksal es will. Ich will das meine tun. Als du kamst, tat ich den ersten Schritt …«

      Und dann war es wieder der alte Freund, der Johannes Harte, wie er ihn von Jugend auf kannte.

      »Wir wollen einen Gang über die Insel machen. Komm mit mir.«

      Sie standen an einer vorspringenden Klippe. Unter ihnen die brausende, rauschende Flut. Zur Seite der Hafen. Ein ankommendes Schiff. Die Landungsbrücke war herunten, ein Strom von Menschen eilte über sie hinweg, auf das Schiff.

      Uhlenkort sah es. Gleichgültig glitt sein Auge über das Bild. Nichts in ihm regte sich dabei. Sein Herz, es schlug im Widerhall der Worte, die sein Freund gesprochen:

      »Ich habe den ersten Schritt getan.«

      Von Süden her näherte sich ein Flugzeug. Schon konnte man die Formen unterscheiden. Ein schnelles Privatflugzeug mußte es sein. Wer konnte das sein?

      Tredrup! schoß es Uhlenkort durch den Kopf. Eine jähe Freude stieg in ihm auf, ihn wiederzusehen! Lebend! Hier!

      Auch er war ein Diener des Schicksals. Mit ihm zusammengestellt, manche Wege gemeinsam zu gehen, Freund dem Freunde, jetzt und auch weiterhin. Christie … Tredrup … der offene, klare Charakter … ein Kind konnte in seinen Zügen lesen. Und doch, was hatte ihm die Natur noch gegeben, mehr als anderen … den schlauen, findigen Geist, allen Lebenslagen gewachsen, überall einen Ausweg sehend.

      »Gehen wir zum Flugplatz!«

      Er sprach’s und ging mit schnellen Schritten darauf zu, achtete nicht, daß der andere ihm nur langsam folgte. Ja, es war Klaus Tredrup, der ihm am Tor des Hafens entgegentrat. Sie gingen der Stadt zu. Tredrup erzählte, kaum konnte ihn Uhlenkort mit einer Frage unterbrechen. Die Hauptsache kannte er ja aus den Zeitungsberichten, aber die Flucht, die abenteuerliche Flucht, bis er wieder europäischen Boden unter sich hatte. Und damit hatte Tredrup seinen Bericht beendet.

      »Nun bin ich hier! Wieder bei Ihnen. Und nur die eine Frage ist’s, die mir auf dem Herzen liegt, sich darauf gelegt hat, vom ersten Schritt, den ich tat … die, von der ich mich nicht frei machen konnte, bis zu diesem Augenblick: War’s recht, was ich tat?«

      Uhlenkort hatte seine Hand ergriffen, sie gedrückt, dann an sich gezogen.

      »Ja! Und tausendmal ja, es war recht!«

      Sie standen am Leuchtturm. Der Turmbewohner … die Erinnerung hatte auf Tredrup gelastet seit dem Morgen nach der nächtlichen Fahrt.

      Sein beweglicher Geist hatte am hellen Tage die Gespenster der Erinnerung zu verscheuchen gewußt. Aber die Nächte …

      Sie standen am Fuße des Turms. Tredrup ging voran. Fast nahm sein Fuß zwei Stufen auf einmal. Und dann stand er vor dem Rätselhaften, ergriff dessen Hand, drückte sie. Der hielt sie fest. Reichte die andere Uhlenkort, bis sie standen Hand in Hand … Diener des Schicksals! Sie saßen gemeinsam am Tisch. Tredrup erzählte den Freunden, wie er es getan. Und wieder hatte Uhlenkort, als er endete, das Wort wiederholt:

      »Recht war’s!«

      Tredrup sah zu dem anderen hinüber. Dieser nickte, und leise kam es von seinen Lippen: »Das Schicksal wollte es!« Uhlenkort nahm die Zeitung. »Christie Harlessen von Seeräubern geraubt …«

      Tredrup fuhr zusammen. Seine Augen blickten zu dem anderen, schienen es nicht zu fassen.

      »Wir müssen sie retten«, entfuhr es ihm. »Retten so schnell wie möglich. Christie Harlessen geraubt.«

      Immer wieder murmelte er es vor sich hin. »Unmöglich! Unmöglich!«

      Er wiederholte die gleichen Worte, die Uhlenkort gesprochen.

      »Warum? Weshalb? Lösegeld? Kontoristin aus New York?

      Schulreiterin?«

      Die Augen weit geöffnet, sprang er auf.

      »Kapstadt! Juanita! Guy Rouse!«

      Die drei Worte gellten durch den Raum.

      »Juanita! Du! Ah! Jetzt weiß ich’s … Jetzt verstehe ich es … Du belogst mich doch!«

      Er sank auf den Stuhl zurück und schlug die Hände vor das Gesicht.

      »Du belogst mich doch!«

      Immer wieder stieß er es aus. Die anderen sahen auf ihn. Diese Kraftnatur, geschüttelt in schwerstem Seelenkampf. Was war das? Da sprang er auf.

      »Guy Rouse!« zischte er. »Kein anderer! Juanita! Warum?«

      Er drückte die Fäuste vor die Stirn. »Ich weiß es nicht. Nur das eine weiß ich, er steht hinter all diesem.«

      »Guy Rouse?« Auch Uhlenkort sprang auf. »Wie kommst du zu diesem Namen? Was hat er mit Christie zu tun?«

      Er trat auf Tredrup zu und schüttelte ihn. »Was ist mit Guy Rouse und Christie? Sag’s! Was weißt du?«

      Und wie sie noch standen, war der dritte zu ihnen getreten, hatte zu ihnen gesprochen, daß sie voneinander ließen, sich setzten, daß Tredrup sagte, was er dachte. Lange, lange sprachen sie, Tredrup und Uhlenkort.

      Immer wieder ging ihr Blick zu dem anderen hinüber. Der saß, das Gesicht nach Süden gerichtet, regungslos. Kein Zug … kein Zucken in seinem Gesicht. Keine Antwort auf ihr stummes Fragen.

      Tausend Pläne wurden erwogen, verworfen. Kein Ausweg. Bis sie erschöpft schwiegen. Ratlos, hilflos. Da wandte sich der andere um.

      »Schicksal! Wißt ihr’s noch nicht? Es geht seinen Gang. Es wird geschehen, es wird erfüllt werden, wenn die Zeit gekommen ist. Ihr habt zu warten, zu tun, was euch das Schicksal gebietet.«

      Das Linienflugzeug Mineapolis-Timbuktu landete. Rouse ging über den Flugplatz, winkte seinem Chauffeur.

      »Zum Hotel. Schnellste Fahrt!«

      Er warf sich in den Wagen, blickte auf die Uhr. Eine knappe Stunde, dann hatte er Audienz beim Kaiser, Abschiedsaudienz. Am nächsten Morgen wollte er zurück nach den USA. Noch einmal hatte er das Bild der Riesenfeuersbrunst in sich aufgenommen.

      Der brennende Augustus-Schacht war die Weltsensation, das Weltgespräch, der unerschöpfliche Stoff für die Weltpresse. Wie Heuschreckenschwärme kamen die Flugzeuge von den größten Passagierflugzeugen bis hinab zur kleineren Privatmaschine. Zehn Meilen vom Schacht begann die Gefahrenzone. Ein Schwarm von Patrouillenflugzeugen, Tag und Nacht kreisend, hielt die allzu Neugierigen zurück.

      Der Zyklon, geboren aus der Riesenbrunst des Feuers, drohte jeden, der näher kam, in den Flammentod zu ziehen. In den ersten Tagen des Brandes, ehe man den Patrouillendienst einrichtete, war es manchem Flugzeug ergangen wie der Motte, die um das Licht kreist und stirbt.

      Der Schacht brannte. Die Riesenfackel, heute wie am ersten Tage, spottete aller Versuche, ihrer Herr zu werden. Alle Geister der Welt brachten Vorschläge … einer so unmöglich wie der andere. Den Wasserzufluß dämmen! Wäre es möglich, der einzige Weg wäre es. Ein

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