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Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962815295
Автор произведения Фридрих Вильгельм Ðицше
Жанр Документальная литература
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
»Daß dem Stärkeren diene das Schwächere, dazu überredet es sein Wille, der über noch Schwächeres Herr sein will: dieser Lust allein mag es nicht entrathen.
»Und wie das Kleinere sich dem Größeren hingiebt, daß es Lust und Macht am Kleinsten habe: also giebt sich auch das Größte noch hin und setzt um der Macht willen – das Leben dran.
»Das ist die Hingebung des Größten, daß es Wagniß ist und Gefahr, und um den Tod ein Würfelspielen.« –
Im Frühjahre 1885, nach der Vollendung des vierten Theiles des Zarathustra, scheint mein Bruder bereits, den Aufzeichnungen nach, entschlossen gewesen zu sein, den Willen zur Macht als Lebensprincip zum Mittelpunkt seines theoretisch-philosophischen Hauptwerkes zu machen. Wir finden den Titel: »Der Wille zur Macht, eine Auslegung alles Geschehens«. Im Winter 1885/86 wollte er aber zunächst eine kleine Schrift darüber zusammenstellen, zu der wir eine ganze Reihe Aufzeichnungen haben. Er nennt sie: »Der Wille zur Macht. Versuch einer neuen Weltauslegung.« Es ist so begreiflich, daß er vor der ungeheueren Aufgabe schauderte, den Willen zur Macht in der Natur, Leben, Gesellschaft, als Wille zur Wahrheit, Religion, Kunst, Moral, bis in alle Consequenzen hinein darzustellen. Ach, wie oft wird er sich verzweifelt gesagt haben: »ein Einzelner! ach nur ein Einzelner! und dieser große Wald und Urwald!« So versucht er immer wieder, um sich die Aufgabe etwas leichter und übersichtlicher zu machen, das große Werk in kleinere, weniger umfangreiche Schriften zu zerlegen. Er plant z.B. im Frühjahr 1886 zehn neue Schriften zu verfassen und vielleicht als neue »Unzeitgemäße Betrachtungen« zu veröffentlichen.
Aber während seines Aufenthaltes in Leipzig, Mai-Juni 1886, während er mit dem Verleger wegen der Drucklegung des »Jenseits« verhandelte, kam er doch zu dem festen Entschluß, außer dem »Jenseits«, das eine Vorbereitung auf das große Werk sein sollte (in Wahrheit aber ein Stück davon ist), die nächsten Jahre ganz allein der Ausarbeitung und Drucklegung des »Willens zur Macht« zu widmen. Ich darf vielleicht mit Recht die Vermuthung aussprechen, daß dieser Aufenthalt Mai-Juni 1886 in Leipzig ihm die letzte Hoffnung geraubt hat, daß es ihm möglich sein würde, Mitarbeiter und Genossen zu diesem großen Werke zu finden. Diese Hoffnung auf mitarbeitende Freunde, die bei der Schwäche seiner Augen doppelt verführerisch war, und welche immer wieder auftauchte, trotz der großen Enttäuschungen, war von Jugend an der entzückende Traum seiner Seele gewesen – ein Traum, der sich niemals erfüllen sollte. Er schreibt:
»Die Probleme, vor welche ich gestellt bin, scheinen mir von so radikaler Wichtigkeit, daß ich mich beinahe jedes Jahr ein paar Mal zu der Einbildung verstieg, daß die geistigen Menschen, denen ich diese Probleme sichtbar machte, darüber ihre eigene Arbeit bei Seite legen müßten, um sich einstweilen ganz meinen Angelegenheiten zu widmen. Das, was dann jedes Mal statt dessen geschah, war in so komischer und unheimlicher Weise das Gegentheil dessen, was ich erwartet hatte, daß ich alter Menschenkenner mich meiner selber zu schämen lernte und ich immer von Neuem wieder in der Anfänger-Lehre umzulernen hatte, daß die Menschen ihre Gewohnheiten hunderttausend Mal wichtiger nehmen als selbst – ihren Vortheil…«
Alle tüchtigen Leute, ehemalige Freunde und Bekannte, fand er mit ihren eignen Arbeiten beschäftigt; selbst Peter Gast, der einzige helfende Freund, legte doch, nach meines Bruders eigenem Wunsch, den Hauptaccent seines Lebens und seiner Thätigkeit auf seine Musik. Andere Mitarbeiter, als die allertüchtigsten, konnte er nicht gebrauchen. So ergriff ihn die schmerzliche Gewißheit, daß er niemals einen Genossen für seine schwierigsten Arbeiten finden würde, daß er Alles, Alles allein thun und in absoluter Einsamkeit seinen schweren Weg gehen müßte.
Während der Correkturen des »Jenseits«, Sommer 1886, die er von Sils-Maria aus besorgte, benutzte er jede freie Stunde, den bereits vorhandenen Stoff zu dem in vier Bänden geplanten Hauptwerk zu sichten. Er stellte den ganzen Plan des ungeheuren Werkes zusammen, mit einem Gedankengange, der das ganze Werk umfaßt und im Wesentlichen mit kleinen Verschiebungen beibehalten worden ist. (Der Inhalt des dritten Buches ist später in das vierte übergegangen und ein ganz neues drittes Buch eingefügt worden.) Der Plan vom Sommer 1886 lautet folgendermaaßen:
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»Der Wille zur Macht.
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Versuch einer Umwerthung aller Werthe. In vier Büchern.
Erstes Buch: Die Gefahr der Gefahren (Darstellung des Nihilismus als der nothwendigen Consequenz der bisherigen Werthschätzungen). Ungeheure Gewalten sind entfesselt: aber sich widersprechend; die entfesselten Kräfte sich gegenseitig vernichtend. Im demokratischen Gemeinwesen, wo Jedermann Specialist ist, fehlt das Wozu? Für-Wen? der Stand, in dem alle die tausendfältige Verkümmerung aller Einzelnen (zu Funktionen) Sinn bekommt.
Zweites Buch: Kritik der Werthe (der Logik usw.). Überall die Disharmonie aufzuzeigen zwischen dem Ideal und seinen einzelnen Bedingungen (z.B. Redlichkeit bei Christen, welche fortwährend zur Lüge gezwungen sind).
Drittes Buch: Das Problem des Gesetzgebers (darin die Geschichte der Einsamkeit). Die entfesselten Kräfte neu zu binden, daß sie sich nicht gegenseitig vernichten; Augen aufmachen für die wirkliche Vermehrung an Kraft!
Viertes Buch: Der Hammer. Wie müssen Menschen beschaffen sein, die umgekehrt werthschätzen? – Menschen, die alle Eigenschaften der modernen Seele haben, aber stark genug sind, sie in lauter Gesundheit umzuwandeln; ihre Mittel zu ihrer Aufgabe.
Sils-Maria. Sommer 1886.«
*
Es wäre ganz falsch, wenn man nun annehmen wollte, daß der Autor des »Willens zur Macht« in diesem Werke sein System hätte geben wollen. Wir wissen, wie sehr er allen Systemen mißtraute, und wie es ihm als ein trauriges Zeichen für einen Philosophen galt, wenn er seine Gedanken zu einem System erstarren läßt. »Ein Systematiker ist ein Philosoph«, ruft er aus, »der seinem Geist nicht länger mehr zugestehen will, daß er lebt, daß er wie ein Baum mächtig in die Breite und unersättlich um sich greift, der schlechterdings keine Ruhe kennt, bis er aus ihm etwas Lebloses, etwas Hölzernes, eine viereckige Dummheit, ein »System« herausgeschnitzt hat!«
Gewiß wollte er seine Philosophie,