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II.

      Für die notarielle Praxis empfiehlt sich bei allen grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, die sekundärrechtliche Lücken schließt, eine intensive und detaillierte Abstimmung mit den zuständigen Registergerichten.

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      Mit der Verordnung zur europäischen Aktiengesellschaft, Societas Europaea (SE-VO), welche am 8.10.2004 in Kraft getreten ist, wurde ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines europäischen Gesellschaftsrechts gemacht. Die SE bot als erste Rechtsform die Möglichkeit, innerhalb der Mitgliedstaaten der EU/des EWR grenzüberschreitende Umstrukturierungen vorzunehmen.[51] Diese Funktion der SE spiegelt sich auch in dem numerus clausus der Gründungsformen einer SE, nämlich der ausschließlichen Zulässigkeit der originären Gründung durch Verschmelzung (»grenzüberschreitend«), Art. 2 Abs. 1 SE-VO, Gründung einer Holding-SE, Art. 2 Abs. 2 SE-VO, oder Gründung einer Tochter-SE, Art. 2 Abs. 3 SE-VO, durch bestehende AGs, GmbHs oder SEs mit Mehrstaatenbezug oder durch Formwechsel einer AG in eine SE, Art. 2 Abs. 4 SE-VO.[52] Teilweise wurde nach Inkrafttreten der SE-VO für grenzüberschreitende Verschmelzungen auch der Weg der Kettenverschmelzung unter Zwischenschaltung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) gewählt, um das wirtschaftliche Ergebnis einer umfassenderen grenzüberschreitenden Verschmelzung zu erreichen.

      Für dieses Handbuch sind die zulässigen Umwandlungen unter Beteiligung einer SE interessant. Zum einen sind das die in der Übersicht oben Rn. 5 aufgeführten Umwandlungsarten des UmwG, an welchen eine SE beteiligt werden kann. Zum anderen sind dies die in der SE-VO geregelten Verschmelzungsmöglichkeiten, Art. 17 SE-VO sowie der Formwechsel einer AG in eine SE gem. Art. 37 SE-VO sowie der Formwechsel einer SE in eine AG gem. Art. 66 SE-VO. Die SE-VO, in Kraft seit 8.10.2004, wird ergänzt durch das SE-Ausführungsgesetz (SEAG) sowie das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG), welche beide am 29.12.2004 in Kraft getreten sind. Soweit die SE-VO (in erster Linie) sowie das SEAG sowie das SEBG (in zweiter Linie) keine speziellen Rechtsvorschriften enthalten, gelten in dritter Linie die nationalen Vorschriften zur Aktiengesellschaft und hier wiederum in erster Linie die Vorschriften des AktG und in zweiter Linie die übrigen auf die AG anwendbaren Vorschriften, so auch das UmwG.[53]

      Aus dem vorstehend dargestellten Rangverhältnis resultierend wird die Zulässigkeit der Beteiligung einer SE an Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG kontrovers diskutiert. Zum einen darf die SE gem. Art. 10 SE-VO nicht gegenüber nationalen AGs diskriminiert werden, zum anderen könnte aus der Rangfolge der Vorschriften für die SE geschlossen werden, dass die in der SE-VO vorgesehenen Umwandlungsarten für die SE abschließend sind.[54] Der Meinungsstand ist in den Fußnoten zu Rn. 5 dargestellt.

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      Mit der Societas Cooperativa Europaea (SCE) steht seit dem 18.8.2006 dem deutschen Rechtsverkehr eine weitere europäische Gesellschaftsform zur Verfügung.[55] Ähnlich wie bei der SE wird auch bei der SCE diskutiert, inwiefern diese sich an Umwandlungsvorgängen nach deutschem Recht beteiligen kann. 2015 wurde die erste formwechselnde Umwandlung einer deutschen Genossenschaft in eine SCE vollzogen.[56] Wenn Bereiche in der SCE-VO nicht oder nur teilweise geregelt sind, kommt das nationale Recht zur Anwendung. Nach h.M.[57] sind jedoch die in der SCE-VO zugelassenen Gründungsarten abschließend, somit kommen als Umwandlungsvorgänge zur Neugründung einer SCE lediglich die Verschmelzung gem. Art. 19–24 SCE-VO bzw. der Formwechsel gem. Art. 35 SCE-VO in Betracht. Gem. Art. 9 SCE-VO können jedoch wegen des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung bestehende SCEs mit Sitz in Deutschland sich an nationalen wie auch grenzüberschreitenden Umwandlungen grundsätzlich in gleichem Umfang beteiligen wie eine Genossenschaft deutschen Rechts.[58]

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      Geplant ist die Einführung einer weiteren europäischen Gesellschaftsform, nämlich der Société privée européenne (SPE), auch als Europäische Privatgesellschaft (EPG) bezeichnet. Es handelt sich um die Schaffung einer europäischen Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Tätigkeit auf dem EU-Binnenmarkt erleichtern soll. Es lag auch bereits ein Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft vor,[59] es ist derzeit aber noch nicht abzusehen, wann und mit welchem genauen Inhalt eine SPE auf den Weg gebracht wird. Hauptstreitpunkte sind die Festlegung des Mindesthaftkapitals, die Möglichkeit zur Aufspaltung von Satzungs- und Verwaltungssitz sowie die Festlegung der Schwellenwerte für die Arbeitnehmermitbestimmung.[60] Die schwedische Ratspräsidentschaft ist am 4.12.2009 mit ihrem Kompromissvorschlag zu Mindestkapital und Mitbestimmung im Rat gescheitert. Nachfolgende Bemühungen waren bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt; die EU-Kommission hat den VO-Vorschlag zurückgezogen.[61]

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      Bei der Arbeit mit Umwandlungsfällen ist es wichtig, die Struktur des UmwG zu begreifen. Der „Allgemeine Teil“ (Erstes Buch) des UmwG umfasst nur eine Vorschrift, nämlich den § 1 UmwG. Im Zweiten Buch „Verschmelzung“ werden im Ersten Teil „Allgemeine Vorschriften“ für die Verschmelzung aufgestellt, welche für die Gesamtvermögensübertragung grundlegend sind. Auf diese wird dann in den anderen Büchern des UmwG, welche die Gesamtvermögensübertragung ohne Identitätswahrung betreffen (Spaltung und Vermögensübertragung), in großem Umfang zurückverwiesen. Im Zweiten Teil des Zweiten Buchs, „Besondere Vorschriften“, werden dann die Besonderheiten bei der Beteiligung verschiedener Rechtsträger an der Verschmelzung, jeweils untergliedert nach den unterschiedlichen Verschmelzungsarten, geregelt einschließlich der im 10. Abschnitt neu eingefügten grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. Diese Gliederung wird im Dritten Buch „Spaltung“ und im Vierten Buch „Vermögensübertragung“ exakt nachgebildet. Im Fünften Buch „Formwechsel“ ist die Gliederung ähnlich, jedoch ergeben sich Besonderheiten aus dem identitätswahrenden Charakter des Formwechsels. Für den Einsteiger in diese Materie empfiehlt es sich daher, zunächst in die allgemeinen Vorschriften zur Verschmelzung intensiv einzusteigen und sich dann jeweils die Abweichungen der allgemeinen Vorschriften der anderen Umwandlungsarten zu vergegenwärtigen. Die allgemeinen Vorschriften zum Formwechsel sollten separat im Anschluss erarbeitet werden. Erst dann empfiehlt sich der Einstieg in die Details der jeweiligen besonderen Vorschriften. Durch diesen stufenartigen Aufbau bietet das UmwG die Möglichkeit, dass sich sehr schnell die Besonderheiten der im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften unter Berücksichtigung der beteiligten Rechtsträger und der in Frage kommenden Umwandlungsart ermitteln lassen.[62]

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      Jeder, der mit Umwandlungsvorgängen befasst ist, muss sich die vom Gesetz vorgegebenen Formvorschriften vergegenwärtigen. Die Umwandlungsvorgänge bedürfen alle der notariellen Beurkundung (§§ 6, 36, 125, 176, 177, 193 UmwG). Ausnahmen bestehen lediglich für wenige Beschlüsse (so z.B. Ausgliederungsbeschluss gem. § 169 UmwG bei einer Ausgliederung aus dem Vermögen einer Gebietskörperschaft). Eine häufig gestellte Frage ist, ob auch für Vollmachten zu Umwandlungsvorgängen eine Form zu beachten ist. Aus dem UmwG ist dazu nichts zu entnehmen. Es gilt daher der allgemeine Grundsatz des § 167 Abs. 2 BGB, dass die Vollmacht grundsätzlich nicht der Form des Hauptgeschäfts bedarf, daher formfrei erteilt werden kann. Zum Nachweis ist jedoch mindestens Schriftform empfehlenswert. Wird durch den Umwandlungsvorgang eine Neugründung bei einer AG, KGaA oder GmbH bewirkt, so bedarf die Vollmacht nach zwischenzeitlich wohl h.M. in der Literatur der notariellen Beglaubigung oder Beurkundung,[63] dies gilt sowohl für die Vollmacht zum Abschluss des Umwandlungsvertrages wie auch zur Stimmabgabe im Rahmen des betreffenden Umwandlungsbeschlusses.[64] Die Vollmacht bedarf auch entgegen § 55 Abs. 1 GmbHG keiner besonderen Form, wenn bei einer übernehmenden GmbH eine Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung vorgenommen wird, da § 55 Abs. 1 S. 1 UmwG gerade die entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 1 GmbHG ausnimmt und nach der herrschenden Meinung zwischenzeitlich auch eine analoge Anwendung wegen des damit verbundenen Schutzzwecks für die Vollmacht abgelehnt wird.[65] Beim Formwechsel ist zu beachten, dass für die Vollmacht zur Abgabe von Zustimmungserklärungen einzelner Anteilsinhaber, deren Zustimmung nach den §§ 190 ff. UmwG zusätzlich zur Beschlussfassung für

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