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Fiona hatte ihr viel bedeutet. Sie beschloss, das Thema zu wechseln: »Habt ihr mitbekommen, dass sich Gabriel und Markus wegen uns streiten?« Sie benutzte mit Absicht das Wort uns. Sie fühlte sich der Familie Bernauer verbunden. Auch wenn kein Hexenblut durch ihre Adern floss, gehörte sie dennoch zu ihnen.

      »Na klar! Es gibt bereits Trennungsgerüchte. Ich hoffe wirklich, dass sie nicht wahr werden«, meinte Logan. Er fühlte sich offenbar schuldig, dass die beiden sich über das Thema Bernauer zerstritten.

      »Aber auch viele andere unterstützen uns.« Liam sah mal wieder das Positive. »Dass bei uns seit einer Woche noch keine Reporter oder das Galileo-Team aufgetaucht sind, haben wir der ganzen Stadt zu verdanken. Alle halten offenbar ihre Klappe. Niemand trägt es an die Öffentlichkeit.«

      Violett lachte. Es war niedlich, dass er glaubte, die Leute würden das aus Solidarität und nicht aus Angst vor Aurora tun. Sie mochte seine Naivität. Egal, was alle sagten, sie würde sich ganz sicher nicht von ihm trennen.

      Neun Stunden später hockte sie beim Essen. Sie stocherte in ihrem Gemüse herum. Es war zerkocht und ungewürzt. Sie holte tief Luft und fragte, was sie bereits seit über einer Woche bewegte: »Wieso habt ihr mich nicht einfach weiter bei den Bernauers leben lassen? Was ist jetzt anders?«

      »Eine Schwarzmagierin wurde entlarvt. Du warst in Gefahr!«, behauptete Nathanael sofort und gab den besorgten Vater. Er benahm sich fast so, als hätte er sich wirklich Sorgen gemacht, doch Violett hörte die Gleichgültigkeit in seiner Stimme.

      »Mach dich nicht lächerlich, Nathanael!«, spottete sie deshalb. Sie glaubte ihm kein Wort. Es ging allein darum, dass er nun, da die Wahrheit offenbart war, nicht wollte, dass die ganze Stadt sah, dass eine Hexenjägerin ihre vermeintlichen Feinde ihrer eigenen Familie vorzog.

      Nathanael atmete ein und sie sah, wie sich seine Hand unter dem Tisch zu einer Faust ballte. Er konnte seine Gefühle so schwer kontrollieren.

      »Ich bin dein Vater, nenn mich gefälligst auch so!«

      Violett schüttelte den Kopf so energisch, dass ihr Pferdeschwanz zu beiden Seiten wippte. »Du bist mein Erzeuger! Sei froh, dass ich dich nicht sieze!«

      »Oh, Kindchen, du hast bei den Hexen die dämliche Angewohnheit entwickelt, so etwas wie Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ich dachte schon, Niklas hätte es dir inzwischen wieder abgewöhnt, aber es scheint nicht so einfach zu sein, dir den Teufel auszutreiben«, kritisierte sie ihr Onkel Jakob.

      Violett war schockiert, was sie da hörte. Solche Reden war sie gar nicht mehr gewöhnt. Bei den Bernauers ging es zwar auch alles andere als gesittet zu, aber wenigstens benahm sich niemand so vollkommen irre. »Wollt ihr einen Exorzismus veranstalten?«, spottete sie, obwohl es ihr kalt den Rücken herunterlief.

      Jakob schüttelte energisch den Kopf und verkündete: »Wir haben dich bis jetzt nur im praktischen Unterricht gefördert. Es ist höchste Zeit, mit deiner theoretischen Unterweisung zu beginnen. Heute fällt das Training für dich aus. Stattdessen setzen wir beide uns zusammen, um etwas über die Geschichte der Hexenjagd zu plaudern.« Seine Stimme klang beschwörend.

      Er versuchte Violett zu manipulieren, doch ihr Geist war nicht so einfach zu formen wie der ihres Bruders. Sie senkte einfach den Blick und verspeiste wortlos ihr Abendessen.

      Nachdem die ungemütliche Runde aufgelöst worden war, blieb Violett allein mit ihrem Onkel im Wohnzimmer zurück. Niklas machte sich auf den Weg zur Nachtschicht und ihre Eltern verzogen sich ins Schlafzimmer.

      »Du hast Talent, Violett! Das harte Training hat sich ausgezahlt«, begann Jakob mit sanfter, freundlicher Stimme. »Du kannst uns von großem Nutzen gegen diese widerlichen Kreaturen sein.«

      »Ich habe genug Filme über Sekten gesehen, um zu wissen, was du tust. Du schmierst mir Honig ums Maul, damit ich glücklich bin und widerstandslos an deine dämliche Ideologie glaube. Du versuchst gerade, Nähe aufzubauen. Wir sind aber keine Freunde. Du bist ein Arschloch und ich gegen meinen Willen hier«, stellte sie klar. Sie hatte genug. Sie wollte sich das nicht antun lassen. Es machte sie wütend, wie ihre Familie glaubte, mit ihr umspringen zu können. Sie war stark und autonom.

      Jakob verdrehte die Augen, als hätte sie etwas furchtbar Dummes gesagt. »Oh, Violett, das hier ist keine Sekte, sondern deine Familie. Zeig etwas Vertrauen! Du musst zugeben, dass diese Leute unnatürlich und furchterregend sind«, versuchte er Hass zu schüren.

      Doch auch diesmal widerstand sie und erklärte: »Das sind Herzschrittmacher, lebenserhaltende Maschinen und Operationen auch. Was ist noch einmal vor drei Jahren mit deinem Blinddarm passiert? Ach ja, er musste herausgenommen werden. Igitt! Wie unnatürlich! Man hätte ihn platzen lassen sollen, damit du an der Infektion verreckst.« Violett war der Meinung, dass sie durchaus eine logische Argumentationsweise vertrat, aber dafür war ihre Familie unzugänglich.

      Über Jakobs Gesicht huschte ein kurzes Grinsen, das nichts Gutes verhieß. »Wenn all die freundlichen Wege bei dir aussichtslos sind, versuchen wir es auf einem anderen. Was hältst du von einer Diktatur und einem Ultimatum?«, meinte er in einem hinterhältigen Ton.

      Doch es handelte sich um eine rhetorische Frage, denn er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern verließ das Zimmer. Wenig später kam er mit einem Buch aus seinem Arbeitszimmer zurück und schmetterte es vor ihr auf den Tisch. »Lies das bis morgen Abend. In vierundzwanzig Stunden werde ich dein Wissen prüfen.«

      Violett nahm das dicke Buch in die Hand. Es hatte fünfhundertzwanzig Seiten! »Und was passiert, wenn ich nichts weiß?«, hakte sie nach. Sie blickte ihm provozierend geradewegs in die Augen. Er sollte ihren Widerstand sehen.

      »Dann gehst du so lange nicht in die Schule, bis du es weißt. So hast du gar keine Chance mehr, deinen Freak zu sehen. Dann sucht er sich vielleicht etwas ebenso Widerliches wie sich selbst. Etwas, das mit ihm die Rituale durchführt. Wie klingt das?«

      Violett ging auf seinen Versuch, Zweifel an ihrer Beziehung zu säen, nicht ein. Liam blieb ihr treu, da war sie sicher. Stattdessen stieß sie sich an einem anderen Punkt. »Hallo? Ich muss in die Schule? Ich schreib in einem Jahr mein Abi«, erinnerte sie ihren Onkel fassungslos. Logischerweise sabotierte er ihre Beziehung, aber er konnte doch nicht ihren Abschluss aufs Spiel setzen.

      »Du bist die Einzige aus unserer Familie, die abgesehen von mir das Abitur anstrebt. Der Rest kommt ganz gut ohne klar«, behauptete Jakob.

      »Ich habe höhere Ansprüche als mein idiotischer Bruder. Und ich werde mich nicht von dir und Nathanael manipulieren lassen. Ich kann selbst denken«, stellte sie klar.

      »Wenn dir das so wichtig ist, kannst du ja das Buch bis morgen durcharbeiten. Es liegt bei dir!« Mit diesen drohenden Worten stand er auf und verließ das Wohnzimmer.

      Violett saß einige Minuten regungslos da, dann brach sie in Tränen aus. Sie hatte ein halbes Jahr gebraucht, um wieder zusammenzuwachsen, und nun brach ihre Familie sie erneut.

       Kapitel 4

      Bessere Zeiten

      Zoe stand unschlüssig in der Cafeteria. Jessica lag mit einer fetten Erkältung zu Hause im Bett. Markus saß mit Gabriel, der offen zugab, dass er Hexen verabscheute, zusammen und beide führten die längst überfällige Aussprache, die ihre Beziehung vielleicht noch retten konnte. Von Simon fehlte jede Spur.

      Sie hatte also keinen Tisch, an den sie sich setzen konnte. So steuerte sie auf Violett und Liam zu. Die beiden hatten ihre Stühle eng zusammengerückt und Violett lehnte schwach an Liams Schulter. Sie sahen Zoe erst etwas verwirrt an und Liam wollte auch etwas sagen, doch Violett brachte ihn zum Schweigen, indem sie seine Hand drückte.

      »Du siehst beschissen aus«, stellte Zoe fest.

      Violett verzog das Gesicht und entgegnete sarkastisch: »Vielen Dank!«

      »Nein, ich meine nicht, dass du hässlich bist, sondern einfach, dass du so aussiehst, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen«, stellte Zoe klar. Diesmal wollte sie wirklich niemanden beleidigen. Dafür befand sie sich selbst in einer zu schlechten Situation.

      »Das

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