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Ich finde es recht amüsant, dass sie sich gleich den Sohn des Anführers geangelt hat. Daran erkennt man wieder, dass sie überall hundert Prozent gibt.

      Wer ist in deinen Augen eigentlich schuld an der ganzen Misere und warum?

      Diesmal will ich wirklich deine ehrliche Antwort. Es steht keine Forderung dahinter.

      Mit erwartungsfrohen Grüßen

      Karma

      Zoe war verwirrt. Normalerweise interessierte sich ihr Erpresser nicht für ihre Meinung. Da war doch irgendetwas faul, oder?

      Dennoch kam sie der Bitte nach, denn sie war sich sicher, ihm würde als Strafe noch eine Aufgabe einfallen, da er garantiert niemand war, der missachtete Befehle duldete. So tippte sie:

      Abigail, Faith und ich natürlich. Wir hätten es an diesem Abend wissen müssen, aber wir haben uns zu sehr auf unseren Kram konzentriert.

      Mir hat sie sogar einmal von einem Treffen mit einem Mann, der ihr Angst macht, berichtet. Das war sicher einer von diesen Schwarzmagiern, aber mir war es egal, da ich viel zu sehr mit Thomas beschäftigt war.

      Aurora, weil sie in letzter Zeit so gemein zu Fiona war, nur weil sie nicht mehr ganz die Leistungen erbracht hat, die Großmutter sich erhoffte.

      Cleo und Lars haben sich viel zu wenig um Fiona gekümmert, denn sie hätten als Eltern doch sehen müssen, wie ihre Tochter sich von ihnen abwendet. Lars missachtet alle seine Kinder, während Cleo nur Augen für ihre jüngste Tochter hat. Man sieht, dass es sich bei Elenor um ihr Lieblingskind handelt.

      Die ganze verdammte Familie war zu gleichgültig.

      Sie schickte es so ab, denn sie stand hinter jedem ihrer Worte.

      Es gab nicht den Hauptschuldigen, sondern alle hatten eine Teilschuld. Ihre eigene war besonders groß. Sie schämte sich so sehr und bereute ihre Taten. Eine Träne lief über ihre Wangen. Das war die erste, die sich heute den Weg aus ihrem Augenwinkel gebahnt hatte. Zoe sah zu Thomas. Er schlummerte selig neben ihr. Er bemerkte nichts von dem, was sie jetzt ertragen musste.

      Ihr Handy piepte wieder und in der Mail stand:

      Hey Bitch,

      schön, dass du dich schon elend fühlst, weil du dir die Schuld gibst. Wollen wir sichergehen, dass es die anderen Schuldigen ebenfalls tun?! Heute ist meine Aufgabe für dich, dass du deinen Verwandten deren Schuld auf den Kopf zusagst. Ich finde es lächerlich, dass Familien sich in Krisenzeiten zusammenraufen. Wir wollen den Hass schließlich erhalten, nicht dass du anfängst, dich in diesen kalten Gemäuern wohlzufühlen.

      Du weißt, dass ich wissen werde, wenn du dich mir widersetzt.

      Mit fordernden Grüßen

      Karma

      Nun brach Zoe richtig in Tränen aus.

      Es war eigentlich klar gewesen, dass er es nicht bei einer einfachen Frage belassen würde, aber dennoch konnte sie mit diesem Befehl nicht umgehen. Sie wusste nicht, wie sie das tun sollte. Es war nicht nur, dass sie es ihrer Familie nicht antun wollte, so etwas zu sagen. Sie hatte vielmehr Angst vor den Konsequenzen. Sie hatte allgemein kein gutes Verhältnis zu ihren Verwandten. Wie sollte das erst werden, wenn sie ihnen solche Vorwürfe an den Kopf warf?

      Von ihrem Schluchzen wurde Thomas wach, der sie einfach in den Arm nahm. Er wusste nicht, warum genau sie weinte, aber er vermutete sicher, dass es mit Fiona zu tun hatte. Er sagte jedoch nichts, sondern drückte sie nur an sich. Sie beruhigte sich irgendwann, sodass sie schließlich sogar einschlief.

      Als sie am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich ausgelaugt, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen.

      Sie quälte sich aus dem Bett und ging ins Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen. Sie fror bitterlich, sodass sie gar nicht merkte, wie sie das Wasser immer heißer stellte, bis sie sich damit auch einen Tee hätte aufbrühen können.

      In ein Handtuch gehüllt kehrte sie eine Viertelstunde später in ihr Zimmer zurück.

      »Deine Haut ist so rot, als hättest du einen kompletten Tag ohne Sonnencreme am Strand gelegen. Wie heiß hast du geduscht?«, fragte Thomas.

      Zoe sah an sich hinunter. Ihre Arme waren tatsächlich knallrot. Es hatte jedoch nicht wehgetan. Sie fühlte momentan gar nichts außer dem Schmerz, der von innen kam. Sie ging zum Schrank und nahm sich irgendeine Jeans und ein T-Shirt heraus. Ihr Aussehen trat zum ersten Mal in ihrem Leben in den Hintergrund.

      Sie ging nach unten zum Frühstück. Ihr Herz schlug bis zum Hals und sie klammerte sich verzweifelt an Thomas' Hand. Sie wusste, was ihr nun bevorstand. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr Erpresser es erfahren wollte, aber er hatte gemeint, er käme an diese Information. Wahrscheinlich hatte er irgendwo im Haus eine Wanze versteckt, schließlich standen die Tore ständig sperrangelweit offen.

      Sie setzte sich auf ihren Platz und wartete, bis die restlichen Familienmitglieder auf ihren Stühlen saßen. Sie sahen alle müde aus, vielleicht auch ein wenig paralysiert von den Geschehnissen des Vortages. Solche Wunden heilten nicht über Nacht. Auch ein Grind hatte sich sicher noch nicht gebildet, aber genau in diese offenen, blutigen Wunden musste Zoe nun noch Salz streuen.

      Sie ergriff das Wort und ratterte die zurechtgelegten Vorwürfe in Windeseile herunter: »Es ist eine Schande, dass wir Fiona an solche Verbrecher verloren haben. Wir haben kläglich versagt, ihr seid Monster! Ich hoffe, ihr schämt euch. Cleo, Lars, ihr seid wohl die schrecklichsten Eltern, die diese Welt je gesehen hat, aber kein Wunder bei einer Mutter wie Aurora. Und da wären wir schon bei dir, Großmutter. Was hast du erwartet, wenn du sie so behandelst? Sie hat dich vergöttert. Du warst ihr Vorbild und dann hast du sie bei jedem Fehler deine Enttäuschung spüren lassen. Du hast sie zerbrochen und Claudius hielt ihr den rettenden Sekundenkleber vor die Nase. Abigail, Elenor, ihr seid die beschissensten Schwestern der Welt. Habt ihr wirklich nicht gesehen, was mit ihr geschieht? Habt ihr sie überhaupt beachtet?«

      Elenor brach in Tränen aus.

      Zoe tat es sofort unendlich leid, aber das durfte sie nicht zeigen. Sie biss sich auf die Lippen und richtete ihren Blick starr nach vorn.

      »Und du glaubst, du hast an der Sache keine Schuld?«, hakte Aurora mit schneidender Stimme nach.

      »Wir hatten einen einfachen Streit, nach dem sie mich verstoßen hat, nicht ich sie«, behauptete Zoe. In gewisser Weise entsprach das sogar der Wahrheit, denn Fiona hatte den Kontakt abgebrochen, aber es war kein einfacher Streit gewesen, sondern Zoes Erpresser hatte sie dazu gebracht, die Freundschaft auf diese Weise zu beenden. Selbstkritisch musste Zoe zugeben, dass auch ihr übergroßes Ego sie davon abgehalten hatte, für die Freundschaft zu kämpfen.

      »Sag mir, wann ich es hätte sehen sollen, was Fiona da treibt?«, hakte Cleo nach und man hörte die Unsicherheit nur zu gut.

      Zoe hasste ihre Tante, aber gerade hatte sie wirklich ein schlechtes Gewissen. »Als sie jeden Samstag das Haus verließ und nicht verriet, wo sie hinging. Ich habe versucht, mit ihr darüber zu reden, aber sie hat mich zurückgestoßen. Euch andere hat es nicht interessiert«, warf Zoe ihnen vor.

      »Was hast du davon, jetzt Streit zu beginnen?«, kritisierte Paige ihre Tochter mit gerunzelter Stirn.

      »Was hattest du davon, jeden Tag einen mit Fiona zu beginnen? Du hast ihr permanent gezeigt, wie unbeliebt sie in der Familie ist«, konfrontierte Zoe sie nach außen scheinbar ungerührt, doch unter dem Tisch hatte sie ihre Hand zu einer Faust geballt. Sie wollte nur aus dem Zimmer rennen. Gänsehaut breitete sich auf ihren dünnen Armen aus.

      »Schatz, bitte, das bringt doch nichts«, mischte Thomas sich ein. Er hatte die ganze Zeit schweigend neben Zoe gesessen, doch langsam schien ihm als Anwalt die Argumentationsstruktur zu lächerlich zu werden.

      »Hör auf deinen Freund«, forderte Aurora bestimmt. Solchen Widerstand ließ sie sich nicht bieten.

      Zoe wusste genau, dass sie besser schweigen sollte, aber nun ging es nicht mehr nur darum, den Willen des Erpressers zu erfüllen. Nun hatte

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