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Zeitliche gesegnet hat.«

      »Du glaubst, Fiona wird sterben?«, fragte Abigail panisch. Sie schien sich nun doch Sorgen um ihre Schwester zu machen, und der Streit wegen Simon war vergeben und vergessen.

      »Ich gebe ihr ein Jahr. Es sind gefährliche Kreise und sie ist nur ein unerfahrenes Kind«, verkündete Aurora kalt, als hätte Fiona, ihre Vorzeigeenkeltochter, ihr nie etwas bedeutet.

      Cleo schluchzte und Lars tätschelte ihr unbeholfen die Schulter. Cleo schlug seine Hand weg. Die anderen senkten betroffen die Blicke. Dann löste sich die Versammlung ohne weitere Worte auf.

      Auch Zoe und Thomas gingen wieder nach oben, um den letzten Tag der Ruhe vor dem Sturm zu genießen.

      Der nächste Tag war der reinste Spießrutenlauf. Was am Samstag geschehen war, hatte sich in der ganzen Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet.

      Zoe war die Blicke, die auf ihr lagen, sobald sie die Schule betrat, gewohnt. Heute handelte es sich jedoch um Blicke der anderen Art. Die Leute schauten nicht bewundernd und neidisch, sondern sie gafften, als wäre sie ein Autounfall oder ein Ausstellungsobjekt im Kuriositätenkabinett.

      Am Schließfach liefen Viktor, Selin und Augustus an ihr vorbei. »Deine Ex ist jetzt übrigens eine Terroristin«, breitete Viktor an seinen besten Freund gewandt lautstark den Klatsch und Tratsch aus.

      »Zum Glück hast du diese Bitch rechtzeitig abgesägt, bevor sie dir noch etwas antun konnte«, verkündete Selin und strich ihrem Freund über die Wange.

      Zoe atmete tief durch und biss sich vor Wut mit den Schneidezähnen auf die Unterlippe, ihre Zähne bohrten sich tief in ihr Fleisch. Sie durfte nicht reagieren, denn sie wusste, dass die drei die Show extra für sie abzogen. Sie warteten nur darauf, dass sie ausrastete.

      »Ja, ich hätte nie gedacht, dass sie so ein Psycho ist. Ich dachte immer, sie hätte permanent PMS«, behauptete Augustus herablassend. Doch keines seiner Worte war wahr. Seine Beziehung mit Fiona war bis zu dem Punkt, als er betrunken mit Zoe hatte schlafen wollen, äußerst glücklich gewesen. Er vermisste sie. Er blickte reuevoll auf den Jackpot zurück, den er verloren hatte.

      »Zum Glück hast du jetzt mich«, lobte Selin sich selbst und warf ihre strohigen Haare nach hinten. Sie konnte Fiona, auch wenn diese ein Monster geworden war, nicht einmal annähernd das Wasser reichen.

      Zoe knallte die Tür ihres Schließfaches zu und lief den Flur entlang. Normalerweise war das ihr Catwalk, heute war es ihr Walk of Shame.

      Im Klassenzimmer stellte sie sich auf einen Tisch, weil sie es nicht mehr aushielt. »Kann ich mal für eine Minute eure Aufmerksamkeit bekommen? Ups, die hab ich ja sowieso schon«, begann sie ihre Rede. Sie fuhr fort: »Ja, die Gerüchte stimmen. Ich bin eine Hexe. Aber was ist dabei? Wir leben nicht mehr in der Renaissance. Also findet euch damit ab und haltet eure dämlichen Fressen. Gelästert wird nur über Loser. Ich bin die Königin!« Sie machte noch einen kleinen Knicks. Dann setzte sie sich einfach auf ihren Platz und gab sich teilnahmslos.

      Die Leute begannen zu tuscheln, doch es klang nicht wie Zustimmung. Ihre Mitschüler brauchten wohl noch etwas Zeit, um sich damit abzufinden, was die Bernauers waren. Zoe war sich sicher, dass sie sich wieder beruhigen würden. Fragte sich nur, wann. Doch im Gegensatz zum Rest der Bernauers konnte sie sich nicht in den Kreis ihrer Familie zurückziehen, denn durch ihren Auftritt vom Vortag wurde sie momentan gemieden. Und nicht nur da.

      Sie hatte seit der ersten Klasse in der Schule noch nie allein gegessen. Alle rissen sich um einen der begehrten Plätze neben Zoe Bernauer. Nicht heute! Nachdem sie schon in der Frühstückspause ihren Apfel einsam verspeist hatte, saß sie nun allein in der Cafeteria und hielt in der Hand ein labberiges Stück Pizza. Sie bekam keinen Bissen herunter.

      Plötzlich kamen drei Gestalten auf sie zu. Jessica, Simon und Markus. Sie wurden von den anderen mit Blicken verfolgt. Zoes Herz schlug schneller. Sie hatte Angst vor ihren Worten. Nun wusste sie, wie sich ihre Opfer fühlten, wenn sie auf sie zustöckelte. Die drei setzten sich zu ihr an den Tisch. Jessica lächelte freundlich und verkündete: »Wir stehen hinter euch. Wir wissen, dass ihr nicht so irre wie Fiona seid. Wir sind auf eurer Seite.« Zoe fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Sie umarmte Jessica lange.

      »Wo ist Gabriel?«, erkundigte sie sich nach einer Weile und legte den Kopf schief. Man sah Markus fast nie ohne ihn.

      Es herrschte Schweigen, doch das war die eindeutigste Antwort, die es geben konnte. Das war der Tag, an dem Zoe lernte, wie hart es doch war, wenn sich fast alle Leute gegen einen wandten. Es war verdammt belastend, als sonderbar ausgegrenzt zu werden. Sie hatte noch drei Freunde an dieser Schule. Aus einhundert waren über Nacht drei geworden.

      Zoe saß nach der Schule allein in ihrem Zimmer. Niemand sprach mit ihr. Es kamen keine Nachrichten mehr. Die anfängliche Neugier war Abscheu gewichen.

      Es überraschte Zoe, wie sich ihr Leben innerhalb eines halben Jahres doch gewandelt hatte. Über welche Lappalien hatte sie sich früher den Kopf zerbrochen? Nun wusste sie, was echte Probleme waren. Als wäre an Halloween nicht schon genug geschehen, musste auch Fiona noch zu den Schwarzmagiern konvertieren und Zoes Erpresser ihr die Welt zur Hölle machen.

      Sie hasste ihn seit Samstag noch mehr. Er hatte sie dazu gebracht, Fiona zu verstoßen, was dazu geführt hatte, dass sie sich den Schwarzmagiern angeschlossen hatte. Nur wegen ihm war Fiona so isoliert gewesen, dass sie darin den einzigen Ausweg gesehen hatte. Er hatte sie der Familie entfremdet.

      Plötzlich fiel es Zoe wie Schuppen von den Augen. Sie selbst war nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Das eigentliche Interesse galt nicht ihr, sondern einzig und allein Fiona. Es waren sicher die Schwarzmagier, die so Fionas Wurzeln hatten kappen wollen. Wieso war ihr das nicht eher klar geworden? Jetzt, wo sie wusste, wozu sich Fiona entwickelt hatte, ergab endlich alles Sinn. Warum hatte sie nur auf die Befehle ihres Erpressers gehört? Sie hätte alles verhindern können!

      Sie wollte den Erpresser mit ihrem Verdacht konfrontieren und tippte deshalb:

      Hallo, ich habe jetzt eine Frage und will, dass du sie ehrlich beantwortest. Hör mit dem Sarkasmus auf, denn wenn du das bist, was ich denke, geht es dir nicht darum, mich zu demütigen und zu beleidigen. Du hast dein Ziel längst erreicht. Also sei endlich ehrlich zu mir. Bist du ein Schwarzmagier und hast mich instrumentalisiert, damit ich Fiona verrate?

      Zoe starrte in der Zeit des Wartens auf die leere Bettseite neben sich. Sie vermisste Thomas. Durch den Erpresser genoss sie in der Familie noch weniger Ansehen. Sie war einsam und verzweifelt. Doch sie hatte Hoffnung, dass der Spuk mit der Erpressung nun ein Ende haben würde. Die Antwort, die sie wenig später erhielt, machte diese jedoch zunichte:

      Hey Zoe,

      wollte ich, dass Fiona eine Schwarzmagierin wird? Ja! Habe ich dieses Ziel erreicht? Ja! Erfüllt es mich mit Glück? Ebenfalls ja! Bin ich mit dir fertig? Auf keinen Fall!

      Wir haben noch viel vor, Süße! Der Weg ist lang und steinig, aber wir werden Spaß haben, ich zumindest.

      Mit der Nachricht hatte er nichts verraten. Sie wusste nicht, ob es sich um einen Schwarzmagier handelte. Das Einzige, was sie sagen konnte, war, dass sie es noch nicht überstanden hatte. Er würde sie nicht in Ruhe lassen.

       Kapitel 3

      Romeo und Julia

      Es war mittlerweile eine Woche her, seitdem Fiona verschwunden war und Violetts biologische Familie sie gegen ihren Willen aus dem Haus der Bernauers, die sie als ihre eigentliche Familie betrachtete, verschleppt hatte.

      Dennoch ging es Violett nicht besser. Sie konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass ihr großer Bruder erneut die volle Kontrolle über sie hatte. Natürlich hatte sie das Training wieder aufnehmen müssen, obwohl sie täglich betonte, dass sie im Falle eines Krieges sowieso auf der anderen Seite stehen würde. Dafür hatte sie eine Reihe wüster Beschimpfungen von ihrem Bruder kassiert, aber sonst hatte sich nichts verändert. Sie musste auf dem Laufband rennen, Sit-ups, Liegestütze und Klimmzüge machen und natürlich Niklas Lieblingsdisziplin absolvieren: Schießübungen.

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