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      Damit war klar, sie hatte in der Prüfung versagt.

      Auch Niklas schüttelte enttäuscht den Kopf und erhob sich, doch Violett hielt sie auf. Sie klammerte sich an Jakobs Handgelenk. »Bitte, ich möchte in die Schule. Ich will ein gutes Abi machen. Ich kann mir keine Fehltage leisten. Ich lerne das bis morgen, auch wenn ich in die Schule gehe. Ich schaffe beides. Versprochen!« Tränen liefen über ihre Wangen. Sie hatte Angst, dass sie hier gefangen sein würde, denn sobald sie ihr einmal untersagten, die Schule zu besuchen, würden sie es häufiger als Erpressung benutzen.

      Jakob blieb stehen und überlegte kurz, bevor er auf ihr Flehen einging: »Wir hatten eigentlich eine Abmachung, aber ich will gnädig sein. Was bist du bereit zu tun?«

      »Alles!«, versicherte sie, ohne auch nur über die Konsequenzen ihrer unüberlegten Erwiderung nachzudenken.

      »Gut, dann haben wir nur eine kleine Bedingung. Du gehst morgen nach der Schule mit zu deinem Freund nach Hause. Wenn er gerade nicht im Zimmer ist, nimmst du sein Handy, installierst diese App und passt auf, dass er dich dabei nicht erwischt«, wies Jakob sie an und reichte ihr einen Zettel, nachdem er den Namen der besagten App draufgekritzelt hatte.

      Violett war so verzweifelt, dass sie ihn annahm. Jedoch fragte sie nach, was das sei.

      Jakob lächelte freundlich und legte seinen Arm beruhigend um ihre Schulter. »Nichts Schlimmes. Die App hast du ebenfalls seit über einem halben Jahr auf deinem Handy. Du hast sie weder bemerkt, noch hat sie dir geschadet, nicht wahr? Tu es einfach.«

      »Wie wollt ihr dann wissen, ob ich das gemacht habe?«, hakte sie nach.

      Jakob und Niklas brachen in Gelächter aus, als hätte sie etwas unfassbar Dummes gesagt. »Oh, glaub mir. Das merken wir. Dafür ist die App doch da!«

      »Wofür habt ihr die App bei mir genutzt?«

      Jakob lächelte immer noch. Er schien gute Laune zu haben. Zum Glück war er nicht sauer auf sie. Er gab ihr jedoch auch keine Antwort, und sie traute sich nicht, weiter nachzufragen. Stattdessen war sie erleichtert, dass sie ohne weitere Aufgaben in ihr Zimmer gehen durfte.

      Dort starrte sie auf den Zettel in ihrer Hand. Ihr war bewusst, wie falsch es war, diese App auf Liams Handy zu laden. Sie wollte das nicht tun und wünschte sich, sie hätte den Zettel niemals angenommen. Es fühlte sich an, als hätte sie damit einen unsichtbaren Vertrag unterschrieben, und sie wusste, dass es schreckliche Konsequenzen haben würde, wenn sie ihn brach.

      Würde sie es also tun und die App installieren? Violett ballte die Hände zu Fäusten und atmete energisch aus. Nein! Sie würde sich nicht von ihrem Onkel instrumentalisieren lassen!

      Sie legte den Zettel weg, nicht in den Papierkorb, wo er hingehörte, sondern auf den Schreibtisch. Sie machte sich bettfertig und legte sich hin. Als sie das Licht ausschaltete und die stille Dunkelheit sie umgab, war es ihr, als hörte sie den Zettel leise flüstern: »Spiel nicht die Starke! Du tust es doch!«

      Als sie am nächsten Tag in die Schule ging, fühlte sie sich komisch. Das Gespräch des Vortags wirkte so unrealistisch und fern, aber der Zettel in ihrer Hosentasche erinnerte sie daran, dass es wirklich stattgefunden hatte.

      Sie wartete unten im Foyer auf Liam.

      Als er sie erblickte, fiel er ihr um den Hals. »Du hast es echt geschafft, fünfhundertzwanzig Seiten an einem Tag zu lernen? Du bist ein Genie!«

      Violett nickte nur. Sie konnte dazu nichts sagen. Nein, sie hatte kaum etwas gewusst, sondern war bloß auf irgendeinen sonderbaren Deal eingegangen. Das war kein Grund, sich glorifizieren zu lassen, also wechselte sie schnell das Thema. »Ich habe noch eine gute Nachricht. Meine Mutter und mein Bruder haben Spätschicht, mein Onkel ist wie immer in der Kirche beschäftigt und mein Vater trifft sich mit einem seiner Cousins, der in der Gegend unterwegs ist. Ich kann also heute bis um sieben zu dir kommen.« Die Lüge glitt sonderbar leicht über ihre Lippen. Sie sprach bloß weniger fröhlich, als sie über die Neuigkeit eigentlich sein sollte.

      Liam schien es glücklicherweise gar nicht zu bemerken, sondern freute sich nur.

      Violett jedoch hatte während der ganzen Schulstunden ein furchtbar schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte sie es ihm einfach sagen sollen. Gemeinsam hätten sie womöglich eine bessere Lösung gefunden, als den Befehlen ihrer gestörten Familie zu gehorchen. Doch nun traute sie sich nicht mehr, das Ganze richtigzustellen.

      Fünf Stunden später saß sie mit Liam und Logan beim Mittagessen. Heute wurde in der Cafeteria ein sonderbarer grüner Einheitsbrei serviert. Zuordnen ließ er sich nicht. Er sah aus wie Spinat mit undefinierbaren Stückchen, roch künstlich und schmeckte nach nichts.

      »Ich hasse Menschen«, beschwerte Faith sich und krachte ihr Tablett auf den Tisch der drei. Die grüne Ekelbrühe schwappte über die Ränder ihres Tellers. Doch Faith registrierte es kaum. Sie schaute stattdessen in die schockierten Gesichter. Sie schien selbst zu bemerken, dass dieser Satz so kurz nach Fionas Offenbarung für Missstimmung sorgen könnte, sodass sie die Augen verdrehte und sich korrigierte: »Ich meinte nicht Menschen-Menschen, sondern alles von der Spezies Homo sapiens. Also auch uns Hexen! Einfach alle!« Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und patschte ihren Löffel wutentbrannt in die Suppe.

      Violett wischte sich die Spritzer von der Wange. »Was ist denn passiert?«, fragte sie besorgt. So aufgebracht hatte sie Faith lange nicht gesehen. Sogar Fionas Auftritt hatte sie kälter gelassen.

      »Am Anfang der Pause hat Ben mir gesagt, er müsse mit mir reden. Schon das hat mir den Magen umgedreht. Er meinte, er komme nicht damit klar, dass ich eine Hexe bin. Er habe sich wirklich bemüht, aber er könne es nicht ertragen. Was ist er denn für ein dämliches Arschloch? Nach zweieinhalb Jahren Beziehung serviert er mich wegen so einer Kleinigkeit ab.« Sie spuckte ihnen jedes Wort hasserfüllt entgegen.

      »Oh mein Gott. Das tut mir so leid«, fand Liam seine Sprache wieder.

      »Du hast leicht reden. Deine Freundin wurde von klein auf ausgebildet, so etwas wie dich zu töten, und dennoch seid ihr ein Traumpaar. Ihr seid Romeo und Julia des 21. Jahrhunderts. Und ich? Ich bin wie … Ich bin so unbedeutend, dass es nicht mal eine bekannte Person gibt, mit der man mich vergleichen kann.«

      »Verherrlichst du gerade, dass meine Eltern meinen Freund am liebsten umbringen würden und mir den Kontakt zu ihm verbieten?«, hakte Violett nach. Sie konnte nicht fassen, dass Faith Romeo und Julia als Kompliment betrachtete.

      »Du findest einen Neuen, einen Besseren«, versprach Liam.

      Doch Faith verschränkte nur trotzig wie ein Kleinkind die Arme vor der Brust.

      Wollte sie überhaupt getröstet werden? Oder suhlte sie sich nur im Selbstmitleid?

      In dem Moment kam eine Gruppe aus drei Leuten auf sie zu. Zwei von ihnen hielten Händchen. Sie zogen sich Stühle an den Tisch und setzten sich.

      »Ich hab gehört, dein Freund hat dich abserviert«, spottete Augustus, der einer von ihnen war.

      »Willst du mich trösten? Ich meine, du kennst Liebeskummer ja von damals mit Fiona«, giftete Faith, die sich nach solch einem beschissenen Tag nicht noch schikanieren lassen wollte.

      »Er wurde nicht von ihr abserviert. Er hat sich zuerst von ihr gefühlsmäßig entfernt. Die Trennung war nur die logische Konsequenz«, mischte Selin sich in die Diskussion ein und krallte sich mit ihren Wurstfingern an Augustus fest, um ihren Besitzanspruch zu verdeutlichen.

      »Wie erbärmlich bist du eigentlich? Du redest es dir gerade schön, nur die zweite Wahl gewesen zu sein, indem du den Seitensprung verherrlichst?!«, fasste Violett die Argumentation von Augustus neuer Freundin zusammen. Sie erschrak selbst etwas über ihre Missgunst.

      »Es ging um Zoe Bernauer. Welcher Mann wird da nicht schwach?«, bemühte sich Viktor, seinen besten Freund zu unterstützen. Für diese Blödheit kassierte er allerdings nur einen Tritt gegen das Schienbein von Augustus.

      »Findest du Zoe wirklich hübscher als mich?«, fragte Selin unsicher.

      Faith

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