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hakte Claudius nach, der sich offensichtlich von dem Gespräch ausgeschlossen fühlte.

      Patricks Freundin überlegte kurz, dann schilderte sie lächelnd: »Mit meinem Job bin ich ganz zufrieden. Meine Chefin ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber ich werde ganz gut bezahlt. Ich bin jetzt zweiunddreißig. Ich denke, langsam tickt meine biologische Uhr. Ich will eine Familie gründen. Ich möchte irgendwann in ein kleines Häuschen ziehen und mir einen Hund kaufen.« Sie und Patrick lächelten sich an.

      Ganz schön große Pläne für so eine junge Beziehung, dennoch hoffte Fiona für die beiden, dass sie zusammen Noras Ziele umsetzen konnten.

      Als Fiona und Valerian später im Bett lagen, hatte sie die Unterhaltung vom Abendessen noch nicht losgelassen.

      »Ich weiß, wie Patrick zu euch gekommen ist, und ich kenne nun auch Noras Geschichte. Aber wie begann es bei deinem Vater mit der schwarzen Magie?«

      »Das ist aber eine schwere Frage. Mit einer sehr langen Antwort. Ich weiß nicht alle Details, denn mein Vater hat mir die Geschichte nur ein einziges Mal erzählt und wollte dann nie wieder darüber sprechen. Es ist krass.« Valerian atmete tief durch.

      »Er ist mittlerweile sechsundvierzig, aber es ist immer noch ein wunder Punkt. Dad hatte große Probleme zu Hause. Seine Eltern waren Hexe und Hexer und sein Vater auch noch Arzt an der Charité. Es schien alles perfekt, doch nur in der Öffentlichkeit. In Wahrheit war Claudius' Vater gewalttätig. Er schlug seinen Sohn und seine Frau. Claudius begann ihn zu hassen. Doch gegen seinen Vater war er wehrlos, denn der überschritt die Grenze zur schwarzen Magie auch das ein oder andere Mal. Dad war fünfzehn und in der neunten Klasse, als er ein Mädchen auf einer Klassenfahrt kennenlernte. Sie war damals knapp vierzehn und hatte es ebenfalls nicht leicht zu Hause. Sie wurden gute Freunde und blieben in Kontakt. Sie schrieben fast täglich Briefe und berichteten einander, was sie zu ertragen hatten. Eines Tages muss sie ihm wohl geschrieben haben, er solle lernen, sich zu wehren. Er nahm es wörtlich, ein bisschen zu wörtlich. Er stöberte in den Bücherregalen seines Vaters auf der Suche nach Informationen zu schwarzer Magie, und als der wieder auf seine Frau einprügelte, hielt Claudius es einfach nicht mehr aus. Er stieß ihn mit aller Kraft, die er mit Telekinese aufbringen konnte, zurück. Claudius war damals mit siebzehn schon stark, sodass sein Vater stolperte und mit dem Kopf auf die Tischkante schlug. Es war so ein gewaltiger Aufprall, dass die Polizei davon ausging, dass er nicht nur gestolpert, sondern hart geschubst worden wäre. Seine Mutter nahm die Schuld auf sich und landete für zwei Jahre im Gefängnis. Wegen häuslicher Gewalt gab es mildernde Umstände, doch der dämliche Richter ließ es nicht als Notwehr durchgehen. Dad hatte ein ganz gutes Verhältnis zu ihr, doch vor fünf Jahren starb sie an einem Herzinfarkt.«

      »Den Mord an seinem Vater verstehe ich, aber wieso hat er sich so entwickelt?«, bohrte Fiona weiter. Sie hatte sich schon immer sehr für den Klatsch und Tratsch in der Schule begeistert. So interessierte sie sich auch für den Werdegang ihres zukünftigen Schwiegervaters.

      Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Valerian endlich den Mund für eine Antwort öffnete: »Die schwarze Magie hat die Ketten gelöst. Sie hat Dad die Kraft verliehen, sich zu wehren. So hat er ihr sein Leben verschrieben. Er hat sich mit der Ideologie beschäftigt und einen Hass auf die Menschen, die das wahre Gesicht seines Vaters ignoriert hatten, entwickelt.«

      Doch Fionas Neugier war noch lange nicht befriedigt. »Er hat mir bei unserem ersten Treffen gesagt, er wolle die Weltherrschaft. Wie kommt dieses Ziel zustande?«

      Valerian atmete hörbar ein und aus. Es klang beschwerlich, als würde Fiona ihn in eine komplizierte Situation bringen. Schließlich seufzte er. »Ich bin kein Psychologe und ich rede mit ihm über so etwas auch nicht. Ich vermute, dass er das einfach gesagt hat, um dich aufzuziehen. Er will nicht über die ganze Welt herrschen. Er will nur allgemein Macht haben. Er hat durch früher riesige Angst vor Fremdbestimmung. Alles, was ihm die Kontrolle rauben könnte, versetzt ihn in Panik. So bringt er lieber Leute um, als Gefahr zu laufen, dass sie ihn beherrschen. Genau weiß ich das nicht, aber von der Weltherrschaft ist er meilenweit entfernt.« Valerian lachte.

      »Und diese Freundin von damals? Hat er sie geheiratet? Ist sie deine Mutter?«, wollte Fiona hoffnungsfroh wissen. Dass Valerian eigentlich selbst kaum etwas wusste, war ihr klar, dennoch war sie begierig darauf, jede Information aus ihm herauszubekommen. Claudius Geschichte war spannend. Sie wollte endlich wissen, wer hinter der mörderischen Fassade steckte, und scheinbar war es ein kleines, verletztes Kind! Irgendwie erhoffte sie sich ein Happy End, doch sie wusste, dass, selbst wenn diese Frau Valerians Mutter war, die Geschichte nicht glücklich ausging. Sie war gegangen.

      Valerian schüttelte den Kopf. »Nein, meine Mutter lernte er später kennen. Diese andere Frau und er hatten keine richtige Beziehung. Es war ein On-off mit vielen Gefühlen, aber ohne jegliche Perspektive. Sie hatte zahlreiche Freunde, die sie nicht nach ihren Interessen, sondern nach den Ansprüchen ihrer Eltern auswählte, und so suchte mein Vater auch nach einer neuen Liebe. Die sollte meine Mutter sein. Sie bekamen mich ziemlich schnell, aber die Beziehung hat, wie du weißt, nicht sonderlich lange gehalten.«

      »Und was wurde aus der anderen Frau?« Fiona hasste offene Enden.

      »Sie hat auch ihr Leben gelebt. Sie ist in der Geschichte auch gar nicht wichtig. Ich habe sie nur erwähnt, damit du weißt, dass er angespornt wurde, sich zu wehren«, beteuerte Valerian und klang dabei sonderbar ausweichend.

      »Ich will aber immer, dass alle Leute glücklich sind und die wahre Liebe bis ans Lebensende hält«, gab Fiona zu.

      Die Geschichte machte sie traurig. Sie hatte in Claudius immer den starken, würdevollen, ungebrochenen Mann gesehen, doch was Valerian erzählt hatte, warf ein ganz anderes Licht auf seinen Vater. Sie kannte mittlerweile die Wege der Rekrutierung. Hexen und Hexer hatten Probleme und suchten bei Claudius ihren letzten Ausweg, aber der sollte doch der starke Fels in der Brandung sein und nicht ein einsamer Mann, dessen Begeisterung für die schwarze Magie ebenfalls aus Verzweiflung erwachsen war. Fiona wäre es in diesem Moment sogar lieber gewesen, wenn Claudius Ziel tatsächlich die Weltherrschaft gewesen wäre.

      Valerian lächelte traurig und glücklich zugleich. Er blickte seiner Freundin voller Liebe tief in die Augen und flüsterte: »So ist das Leben nicht. Nur die wenigsten können von solch einem Glück sprechen, aber ich schon.«

      Ein Lächeln glitt über Fionas Gesicht. Er war so süß. Sie küsste ihn.

      »Erzähl ihm nicht, dass du das jetzt weißt. Es ist ihm peinlich, dass er einmal so verletzlich gewesen ist«, bat Valerian, als sie sich wieder von ihm löste.

      Fiona nickte und kuschelte sich in seinen Arm, wo sie rasch einschlief.

      Am nächsten Morgen wachte Fiona durch den Geruch von frischem Kaffee auf. Als sie die Augen aufschlug, saß Valerian da und strahlte sie an.

      »Guten Morgen, Schatz! Du weißt, dass du wunderschön bist, oder?«

      Sie lächelte und küsste ihn. Er hatte ein Tablett mit zwei Tassen Kaffee und Croissants neben sie gestellt. »Wollen wir uns auf die Terrasse setzen?«, schlug sie vor.

      »Das ist doch viel zu kalt. Es ist Mitte März«, entgegnete er lachend.

      »Dort sind Decken und die Sonne scheint«, widersprach Fiona und sprang aus dem Bett. Ihre Beine waren nackt. Sie trug nur eine Unterhose und ein weites T-Shirt. Sie nahm Valerians Pullover vom Sessel und streifte ihn über. Dann nahm sie sich aus dem Schrank dicke Kuschelsocken und posierte. »Tata. Ich bin fertig«, verkündete sie.

      Valerian nickte lachend und trug das Tablett nach draußen, wo sie die Liegestühle nebeneinander schoben und sich in die Decken kuschelten. Fiona zog eine Zigarette aus der Packung, die sie mitgenommen hatte. Sie führte sie zum Mund und sog den Rauch ein. Sie musste nicht mehr ihre Hände zum Feuermachen benutzen, denn Claudius hatte ihr beigebracht, wie das einfach nur mit Gedanken möglich war. Sie bot ihrem Freund eine Zigarette an, doch er lehnte ab.

      Es war der perfekte Morgen. Sie blies den Rauch in die frische, kühle Morgenluft, trank ihren Kaffee und aß köstliche Croissants, während sie mit der Liebe ihres Lebens die warmen Strahlen der Frühlingssonne

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