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dass ihr nur kalt sei. Er startete den Motor und fuhr ins Tal zum Haus seiner Eltern. Die Fahrt dauerte gerade einmal fünf Minuten, doch es fühlte sich so viel länger an. Als er endlich den Wagen parkte, stieg sie aus. Sie bemerkte erst jetzt, dass ihre Beine sich wie Pudding anfühlten. Es war fast, als wollten ihre Füße nicht zu dem Grundstück laufen. Thomas reichte ihr die Hand und sie steuerten auf die Tür zu. Sie bohrte ihre Fingernägel in seine Handfläche. Er sah sie an und sie nickte kaum merklich. Dann betätigte Thomas die Klingel. Nun konnten sie nur noch warten.

      Es dauerte nicht lange, da öffnete Frau Fehring die Tür. Das schwache Lächeln auf ihren Lippen verblasste und ihr Gesicht verdunkelte sich. Sie deutete mit ihrem Zeigefinger auf Zoe und fragte voller Abscheu, was sie hier mache. Zoe wusste gar nicht, wie viel Hass man in vier so kleine Worte stecken konnte.

      »Sie ist meine Freundin, Mama. Es ist langsam Zeit, dass ihr sie richtig kennenlernt und akzeptiert. Ich weiß, dass ein paar Dinge passiert sind, die nicht das beste Licht auf sie werfen, aber versucht doch erst einmal, mit ihr zu reden.«

      »Diese Hexe kommt ganz sicher nicht in mein Haus«, widersprach Frau Fehring entschieden und verschränkte die Arme.

      Zoe musste ein wenig lachen. Das war natürlich kontraproduktiv, sodass sie rasch versuchte, ihre Reaktion zu erklären: »Meinten Sie Hexe wortwörtlich oder nur als Metapher für meinen Charakter?«

      »Wie kannst du jetzt noch lachen?«, fragte Frau Fehring entgeistert.

      Zoe gelang es, ernst zu werden. »Es tut mir so leid. Wirklich! Ich weiß, dass ich mich gegenüber Florentin beschissen benommen habe. Fiona und ich waren Monster, aber Thomas hat mich zu einem besseren Menschen gemacht.« Sie wusste selbst, wie lächerlich, leer und abgedroschen ihre Worte klangen, aber sie meinte es tatsächlich so. Thomas hatte einen positiven Einfluss auf sie.

      »Ich weiß nicht, wie du vorher gewesen bist, wenn man das schon als gute Entwicklung bezeichnen soll«, spottete Frau Fehring. Sie baute sich im Türrahmen auf, sodass Thomas und Zoe die Tür nicht passieren konnten.

      »Bitte, Mama, können wir einfach reinkommen?«, bat Thomas, worauf Ulrike Fehring das Gesicht zwar widerwillig verzog, aber die beiden überraschenderweise eintreten ließ.

      Es war eine starke Geste und Zoe bewunderte ihre Größe, einer so verhassten Person Eintritt zu gewähren. Thomas half Zoe aus der Jacke und hängte sie an die Garderobe. Zoe stand unschlüssig im Flur. Sie hatte ihn gar nicht so klein und beengend in Erinnerung.

      Danach betraten sie das Wohnzimmer. Auch Herr Fehring schien nicht sonderlich glücklich über die Begleitung seines Sohnes, denn er meinte: »Du hast ja dein Monster dabei.«

      »Sie ist kein Monster, nur weil sie magische Fähigkeiten hat«, widersprach Thomas.

      Ihm schien das Benehmen seiner Eltern nicht zu gefallen. Wenigstens eine positive Sache an diesem Abend, Thomas setzte sich für sie ein. Zoe konnte von sich sagen, dass sie den Kampf gegen ihre Schwiegereltern vorerst gewonnen hatte.

      »Das meinte ich nicht. Auch wenn die Kramers deiner Mutter Gegenteiliges einreden, ist es mir vollkommen egal, dass sie zaubern kann. Mit Monster meinte ich ihr indiskutables Benehmen«, stellte Thomas' Vater klar.

      »Vielen Dank. Ich freue mich auch, Sie kennenlernen«, erwiderte Zoe sarkastisch und setzte sich einfach an den Tisch. Sie tat das, was sie immer machte, wenn sie das Gefühl hatte, die Kontrolle zu verlieren. Sie ging auf Konfrontation und versuchte mit aller Macht, ihr Gesicht zu wahren.

      »Ich habe jetzt aber nur für drei Leute gekocht«, startete Ulrike Fehring noch einen letzten Versuch, die unliebsame Freundin ihres Sohnes zum Gehen zu bewegen.

      Doch ihr Mann erwiderte nur knapp: »Das ist kein Problem. So wie die aussieht, isst sie eh nichts!«

      Zoe musste sich sehr zusammenreißen, um die Beleidigungen nicht zu kontern. Sie wollte keinen richtigen Streit ausbrechen lassen.

      »Mom, du kochst immer mehr, als wir brauchen. Das reicht für uns«, beteuerte Thomas.

      Er gab sich so viel Mühe, den Abend zu retten. Es wirkte fast naiv, dass er glaubte, seine Eltern und seine Freundin könnten sich vertragen.

      Sie warteten, bis Frau Fehring das Abendessen auftischte. Es sah lecker aus. Es gab Kichererbsen-Curry mit Basmatireis und buntem Gemüse. Frau Fehring konnte wirklich gut kochen. Da sie nicht gewusst hatte, dass Zoe zum Essen vorbeikam, war es sogar mit Liebe gekocht und nicht mit Hass und unbändiger Wut.

      »Zeit für das Tischgebet«, forderte Frau Fehring.

      Zoe sah überrascht zu Thomas. Seit wann taten seine Eltern das? Als Zoe am Anfang des Schuljahres mit Florentin an den Projekten gearbeitet und mit den Fehrings gegessen hatte, hatten sie noch nicht vor dem Essen gebetet. Sicher hatten die Kramers ihnen das eingetrichtert.

      »Die Mühe müssen Sie sich nicht machen. Ich geh da nicht in Flammen auf«, scherzte Zoe. Sie wusste nicht, ob sie sich damit für die Beleidigungen revanchieren oder einfach nur die Stimmung auflockern wollte. In ihrem Kopf vermischte sich alles. Nur bei einer einzigen Sache war sie sich wirklich sicher: Sie konnte es nicht erwarten, endlich dieses Haus zu verlassen.

      »Schade, wäre ein schöner Nebeneffekt gewesen«, giftete Frau Fehring und faltete die Hände, um das Tischgebet zu sprechen: »Oh, allmächtiger Gott, wir danken dir für all die Speisen Ich bitte dich, meinen geliebten Sohn Florentin zu uns zurückzuführen und den Satan aus unserer Mitte zu verbannen.«

      Auch wenn Zoe genau wusste, dass sich der letzte Satzteil auf sie bezog, rief sie dennoch voller Inbrunst: »Amen!«

      »Amen!«, nuschelten auch Thomas und sein Vater, bevor sie sich dem Essen zuwandten.

      »Was ist jetzt eigentlich aus deiner kriminellen Cousine geworden?«, hakte Frau Fehring nach, als alle das Besteck ergriffen hatten.

      Auch wenn Zoe noch sehr an Fiona hing und es immer noch nicht hören konnte, wenn jemand schlecht über sie sprach, bemühte sie sich um eine konstruktive Gesprächskultur. »Ich habe nichts mehr von ihr gehört, seit sie zusammen mit Magnus Claudius Wenninger das Haus verlassen hat. Sie hat deutlich gezeigt, dass sie nichts mehr mit uns zu tun haben will. Außerdem glaube ich nicht, dass Aurora sie nach der Show, die sie bei Mamas Geburtstag abgezogen hat, wieder ins Haus lässt. Sie ist da recht absolut. Ich …« Sie brach mitten im Satz ab. Während sie ins Erzählen bekommen war, hatte sie ganz vergessen, dass Thomas' Eltern nicht wirklich Interesse an ihren familiären Problemen hatten.

      »Nathanael ist überzeugt, dass in eurem Haus ein schwarzmagisches Nest heranwächst«, deutete Thomas Mutter an.

      Jetzt wurde Zoe wütend. Was bildete Ulrike Fehring sich eigentlich ein, ihr und ihrer Familie so etwas zu unterstellen? »Nathanael ist auch ein dämlicher Idiot, der seine Tochter wie den letzten Dreck behandelt«, zischte sie deshalb.

      »Dieses Mädchen hat es nicht anders verdient, wenn sie ihre Familie für deinesgleichen verrät«, stellte Frau Fehring klar.

      »Warum können Sie nicht einfach aufhören, mich so zu hassen?«, fragte Zoe und sie wusste, wie dumm diese Frage doch klingen musste.

      Frau Fehring funkelte sie wütend an. »Ich bin nicht irgendeine böse Schwiegermutter. Mein siebzehnjähriger Sohn ist verschwunden. Ich habe seit fünf Monaten nichts mehr von ihm gehört. Bei jeder Nachfrage, die ich an die Polizei richte, machen sie mir klar, dass sie glauben, ihn eher tot als lebendig zu finden. Weißt du, was ich jeden Tag durchleide? Kannst du dir in deinem kleinen, blonden Kopf vorstellen, wie es uns geht?«, kreischte sie. Sie war wirklich verzweifelt.

      »Ich weiß, dass Sie mich für das, was ich Florentin angetan habe, hassen, und das verstehe ich auch, aber Sie bestrafen damit nicht mich, sondern Thomas. Ich weiß, dass ich ein Monster war, und wenn ich könnte, würde ich jedes Wort, das ich gesagt habe, zurücknehmen. Ich wusste nicht, was ich damit anrichte. Ich hatte keine Ahnung, wie es ist, allein zu sein!«

      »Ach, und jetzt weißt du es plötzlich?«, spottete Frau Fehring böse.

      »Ja, denn seit Fiona unser wahres

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