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seines Opfers durchtrennt, ohne es auch nur anzufassen.«

      »Nein, Fiona, ich sprach nicht von der dramatischsten, sondern von der stilvollsten. Es soll nicht wie Arbeit aussehen, sondern einfach vonstattengehen. Du hast recht, dass auch solche fließenden Bewegungen etwas hermachen, doch manchmal sind es die minimalistischen Sachen, die überzeugen. Ich habe bereits viele Menschen sterben sehen. Ein Fingerschnippen gefällt mir persönlich am besten. Fiona, du musst lernen, die Elemente ohne große Bewegungen zu kontrollieren. Du darfst nicht mit den Armen fuchteln. Du kannst bereits kleine Feuer mit einem Fingerschnippen entzünden, aber das muss größer werden und sich auf andere Sachverhalte übertragen lassen. Wie stilvoll ist es bitte, wenn man eine Kehle aufschlitzt, nur indem man mit dem Finger schnippt oder gar keinen Finger rührt«, freute sich Claudius.

      Fiona lächelte. Es war sonderbar, wie sehr er das Morden doch glorifizierte.

      »Aber darum kümmern wir uns später. Heute bin ich erst einmal neugierig, wie du dich beim Einfrieren anstellst. Man kann seinen Feinden auch wortwörtlich das Blut in den Adern gefrieren lassen. Bis du so weit bist, ist es noch ein weiter Weg. Darum lass uns erst einmal beginnen, wie man aus Wasser Eis macht.« Er griff sich ein Glas. Er hielt es in der Hand und es füllte sich mit Wasser. Das Wasser tropfte nicht aus seiner Hand, sondern er berührte das Glas und sofort füllte es sich scheinbar von selbst. Er bemerkte ihren bewundernden Blick, zuckte mit den Schultern und meinte: »Das wirst du auch bald alles können, Fiona! Du hast Talent!« Er stellte das Glas vor sie und forderte: »Einfrieren!«

      Fiona sah ihn mit großen Augen an und hakte unsicher nach: »Wie geht das? Ich habe das noch nie gemacht!«

      »Dann wird es Zeit! Probier es einfach! Du musst es spüren und deinen eigenen Weg finden. Jede Hexe und jeder Hexer ist einzigartig. Wenn es nicht funktioniert, kann ich dir immer noch einen Anstoß geben«, verkündete er und schob das Glas vor sie.

      Sie betrachtete es. Wie sollte sie beginnen? Sie legte ihre Hand darüber. Wie strahlte man Kälte aus? Sie schloss die Augen und leitete ihre Magie in ihre Hand. Dann spannte sie die Finger an und leitete Kälte in ihren Arm, so wie sie es sonst mit der Hitze tat. Die Kälte war träger und schwerer, doch sie spürte, wie ihre rechte Hand eiskalt wurde. Es war anstrengend, so viel Energie aufzubringen, dass es für das ganze Glas reichte.

      »Du tust genau das, was ich erwartet habe«, kritisierte Claudius amüsiert.

      Fiona brach ab und sah ihn verwirrt an. Sie wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte.

      »Für Hitze brauchst du Energie. Das heißt, dass du sie von dir geben musst, aber wenn du etwas abkühlen willst, wird Energie frei. Das heißt, dass du dem Wasser die Energie entziehen musst. Du versuchst, die Energie in deinem Körper umzuleiten. Du schadest dir selbst. Das ist das Problem der Weißmagier. Ihr zaubert nur auf eure eigenen Kosten. Saug die Energie des Wassers stattdessen in dich auf!«, forderte er.

      Sie nickte, legte ihre Hand wieder über das Wasser und befolgte seinen Befehl. Es war also genau das Gegenteil von Feuer. Und tatsächlich, es funktionierte vortrefflich. Sie spürte, wie die Energie in ihren Körper strömte und sich Eiskristalle im Wasser bildeten, bis sich schließlich im Glas kein Wasser mehr befand, sondern ein massives Eisstück.

      Sie sah triumphierend zu Claudius, der breit grinste. »Du lernst schnell! Gut, versuchen wir es nun mit etwas, das sich bewegt. Ich erzeuge Wellen und du versuchst sie einzufrieren«, erklärte Claudius und schwang seine Hände.

      Dünne Wellen wirbelten durch die Luft. Sie waren schnell. Immer wenn Fiona ihre Hand ausstreckte, um Energie aus ihnen zu absorbieren, waren sie schon wieder verschwunden.

      »Du musst schneller werden«, stichelte Valerian, der locker an der Wand lehnte und das Schauspiel beobachtete.

      Fiona versuchte es. Sie hatte das Gefühl, schon mit den Händen zu fuchteln. Sie atmete durch und konzentrierte sich. Sie streckte ihre Hand aus und entzog der Welle Energie. Ein wenig begann diese auch zu kristallisieren, doch zu schnell war sie wieder fort. Fiona konnte die Magie einfach nicht aufrechthalten. »Das funktioniert nicht«, beschwerte sie sich.

      Claudius antwortete nicht und gab keinen Tipp, sondern holte aus und gewaltige Wassermassen drohten auf Fiona einzubrechen. Sie hob schützend die Arme und bevor sie unter den Fluten begraben wurde, stieß sie einen Eisblitz los. Es herrschte Stille. Für einige Sekunden war es sogar totenstill. Dann begann Claudius langsam zu klatschen: »Das funktioniert sogar sehr gut. Du hast nur die richtige Motivation gebraucht.«

      Fiona blickte nach oben und tatsächlich türmte sich ein riesiger Block Eis über ihr auf.

      Valerian trat zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn: »Sie ist halt die Eisprinzessin!«

      »Daran besteht keinerlei Zweifel«, bestätigte Claudius und nickte anerkennend.

      Fiona spürte, wie Stolz in ihr aufstieg. Es war wie früher bei Auroras Unterrichtsstunden, als sie ihre ganze Familie übertrumpft hatte.

      »Jetzt bei der Eisherstellung hast du gesehen, was wirkliche schwarze Magie ist. Die großen Feuer in den letzten Stunden vor deinem Umzug waren nicht schwarzmagisch. Deine nette Familie voller Weißmagier würde sich an Telekinese mit solch einer zerstörerischen Kraft kaum wagen, aber schwarze Magie sind solche Feuer nicht. Telekinese wird erst schwarze Magie, wenn du nicht mehr Energie reinsteckst, sondern welche rausholst. Genau das hast du gerade getan, als du das Wasser zu Eis hast erstarren lassen. Du hast Energie aus dem Wasser gezogen. Heute erkläre ich somit deine schwarzmagische Ausbildung für begonnen.« Er verwandelte die riesigen Wellen aus Eis in Wasserdampf, der sich in dünnen Nebelschwaden in der Luft verteilte. Für ihn schien es eine Leichtigkeit zu sein. Er sprach nebenbei, als wäre es für ihn nicht mehr, als einen Tisch abzuwischen. Er war so stark.

      »Und was gibt es dann noch so? Um ein Feuer zu entfachen, muss man Aktivierungsenergie hinzufügen und für die restlichen drei Elemente muss man kinetische zuführen. Was ist dann an Telekinese außer Eisherstellung wirklich schwarzmagisch?«, fragte Fiona überrascht nach.

      Claudius überlegte. Nicht weil er die Antwort nicht wusste, sondern er schien sich nicht sicher zu sein, wie er es ihr am besten erklären konnte. Schließlich erläuterte er: »Das bei dem Feuer gilt nur, wenn du das Feuer herrschen lässt. Das ist eine exotherme Reaktion, auch da wird Energie frei. Du musst sie nur nutzen. Da kann man viel resorbieren, aber das greift noch zu weit. Merke dir erst einmal das Einfrieren.«

      Sie übten das Einfrieren und Auftauen noch zwei Stunden, bevor Claudius den Unterricht für den heutigen Tag für beendet erklärte. Fiona war froh, denn ihre Konzentrationsfähigkeit hatte in den letzten Minuten stark abgenommen. Sie ging nach oben und setzte sich aufs Bett. Sie schaute auf ihr Handy. Sie hatte sich neue Accounts in den sozialen Netzwerken angelegt, um die Entwicklung in ihrer Heimatstadt zu beobachten, ohne dass das jemand bemerkte.

      Valerian schaute ihr dabei über die Schulter. »Ich versteh nicht, warum dieser Thomas mit deiner Cousine zusammen ist«, mischte er sich ein.

      Fiona zuckte mit den Schultern. »Er weiß ja nicht, was wir getan haben«, erinnerte sie ihren Freund. Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Vor ihrem Auszug hatte sie gelernt, Zoe zu verabscheuen, aber sie gönnte ihr dennoch ein glückliches Leben. Gar zu sehr hasste sie sie auch wieder nicht.

      »Vielleicht sollte er es mal erfahren«, überlegte Valerian lächelnd, als wäre es ein Spiel.

      Doch das war es nicht, nicht für Fiona. In ihren Kopf hatte sich dieser Tag eingebrannt. Sie sah manchmal noch Florentins tote Augen vor sich. Sie wollte sich daran nicht erinnern, geschweige denn, dass ihre Schuld offenbart wurde. Die Polizei würde sie suchen. Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, bist du bescheuert?! Erstens will ich ihr Leben nicht zerstören und zweitens beschuldige ich mich da selbst des Mordes. Ich stand neben ihr im Keller. Ich habe das Grab für die Leiche ausgehoben. Es war mein Ritual, mein Fehler«, erinnerte sie ihn, und der letzte Satz schmerzte am meisten.

      Valerian lenkte ein. »Gut, deine Entscheidung. Aber was die Polizei betrifft, darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Du bist hier vollkommen sicher.«

      Fiona

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