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Malleus Proletarum - Der Proletenhammer. Marcello Dallapiccola
Читать онлайн.Название Malleus Proletarum - Der Proletenhammer
Год выпуска 0
isbn 9783844250473
Автор произведения Marcello Dallapiccola
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Zwei Tschicklängen später bog er auf den Parkplatz der hell erleuchteten Tankstelle ein. Er war schon gespannt, ob das viele Geld, das der Luis ihm in die Hand gedrückt hatte, ausreichen würde, um die Mechaniker dazu zu motivieren, eine Nachtschicht einzulegen. Er stellte den Benz vor einer der Hebebühnen ab und machte sich auf in den Verkaufsraum, um den Chef zu suchen.
„Ja, wen haben wir denn da? Ein ganz seltener Gast!”, dröhnte ihm der mächtige Bass Zurnfrieds entgegen, als Frasther die Tanke betrat.
Der Chef der Tankstelle stand hinter dem Verkaufstresen und war gerade mit der Kassa beschäftigt. Zurnfried trug wie immer einen Blaumann, der bereits zur Hälfte schwarz von Motoröl war und ein Schieberkäppi, auf dem in zackigen, kreischgelben Buchstaben „Z-Sprit“ stand.
„Grüß dich, Zurnl! Ja, hast schon Recht, ein seltener Gast, aber dafür einer, der mit 'nem schönen Batzen Scheinchen auftaucht”, grinste Frasther und streckte seinem Kumpel die Flosse hin.
Wie an einer guten Tankstelle so üblich, war gleich neben dem Verkaufsraum mit der Kassa, den ganzen Zeitungen und den pervers überteuerten Fressalien noch ein kleiner Nebenraum, meist mit vom Rauch beige gefärbten Vorhängen, in dem sich ansässige Promillenz abendlich traf, um sich gemeinsam die Hucke vollzuschütten.
Frasther hörte lautes, schon leicht lallendes Gelächter und besserwisserisches Geschrei aus diesem Raum heraus, während er Zurnfrieds ölverschmierte Pranke kräftig schüttelte.
„'n schöner Batzen Scheine? Und den willst' mir schenken? – Is' aber lieb von dir!“, grinste Zurnfried und drückte Frasthers Hand.
Frasther lachte: „Zum Verschenken hab' ich nix, aber wenn der Benz da draußen so schnell wie möglich repariert wird, ist das dem Besitzer ein schönes Sümmchen wert…“
Zurnfried verengte seine Augen zu Schlitzen und spähte auf den Vorplatz hinaus. „Kommt mir bekannt vor, die Karre. Ist das nicht der Benz vom Prag-Luis?“
„Der Ersatzbenz – und ja, das isser“, antwortete Frasther.
„Was hat er denn? Sieht von hier aus in Ordnung aus“, brummelte Zurnfried.
„Da gab's ein Malheur mit dem Airbag, Beifahrerseite…“
Zurnfried pfiff durch die Zähne: „Airbag? Ach du Scheiße – brauchst 'nen Neuen, komplett neue Teile vorne rein. Aber geh erstmal in die Wirtschaft rüber und schnapp dir ein Bier, ich muss noch diesen Abrechnungsmist hier erledigen. Komm' dann gleich zu dir!“ Dann brüllte er in die Wirtschaft, wie er den Schankraum nannte, hinüber: „Hoher Besuch, Männer! Gebt dem Mann ein Bier, aber zackig!“
Frasther betrat den Raum und sofort brach ein Mords-Hallo aus. Zwei von Zurnfrieds Mechanikern, Herrmann und Alfons, standen mit Bierflaschen in den Tatzen am Stehtischchen und feierten hier ihren Feierabend. Zudem waren noch zwei weitere, der Arbeiterklasse angehörende Kerle anwesend, Dietmar und Walter, die ein wenig außerhalb arbeiteten und hier einen kurzen Zwischenstopp auf dem Nachhauseweg eingelegt hatten, um sich mit einem Bier zu stärken, bevor sie heim zu ihren keifenden Weibern gingen. Auch ein Vollzeit-Bsuff, der nur „Haube” genannt wurde und der in einer betreuten Wohngemeinschaft ganz in der Nähe wohnte, lümmelte herum und hatte dem Grinsen nach schon gewaltig einen in der Krone.
Alfons reichte Frasther ein Bier und der Schmäh begann zu rennen. Die Mechaniker erzählten Frasther vom jährlich stattfinden "Rebel Race" einem illegalen Straßenrennen, das kurz bevorstand und auf dessen Sieg sich das „Team Zurnsprit“ heuer gute Chancen ausrechnete. Man hatte eine alte Corvette grundüberholt, in Schuss gebracht und einen Motor eingebaut, der sowas von hochgetunt war, dass sie sich bis jetzt noch gar nicht getraut hatten, sein volles Potenzial auszuprobieren. Und man hatte den Vollgas-Pepsch als Fahrer gewinnen können, der schon bei mehreren Banküberfällen erfolgreich den Fluchtwagen gefahren hatte. Der Pepsch konnte zwar nicht bis drei zählen, verfügte jedoch über die besondere Gabe, dass er jedes Gefährt, in das er sich hineinsetze, innerhalb kürzester Zeit mit traumwandlerischer Sicherheit beherrschte. Kurz, der geborene Rennfahrer.
Frasther schlackerte mit den Ohren: Das „Rebel Race“ war natürlich auch für ihn ein Pflichttermin. Er selbst hatte mehrmals versucht, ein Cockpit zu ergattern, war jedoch in den knallharten Ausscheidungsrennen immer von anderen Fahrern in die Schranken gewiesen worden. Er war zwar ein guter Lenkradakrobat, aber eben nur für die zweite Liga; eine Erkenntnis, die ihn damals ziemlich bitter getroffen hatte. So hatte er es schließlich eingesehen und war fortan nur noch als Zuschauer dabei. Das „Rebel Race“ war aus der Tradition eines Wettkampfs zweier Tuning-Werkstätten entstanden und hatte sich über die Jahre zu einem der führenden illegalen Großereignisse des Jahres entwickelt. Inzwischen nahmen so ziemlich alle Autobastler der Umgebung, die sich diese Materialschlacht leisten konnten, daran teil. Es gab keine Beschränkungen, weder fürs Motortuning, noch für die Aerodynamik, so war stets für Überraschungen gesorgt. Motoren gingen hoch, Bremsscheiben überhitzten, auf Renneinstellung abgestimmte Autos verloren auf den holprigen Abschnitten der Strecke die Bodenhaftung und schlitterten unkontrollierbar die Leitplanken entlang… in den letzten zehn Jahren waren sechs Fahrer draufgegangen, drei Kollateralschäden hatte die Zivilbevölkerung zu verzeichnen. Da konnte man nichts machen, für ein illegales Rennen konnte man nun mal keine Strecke absperren – angesichts dessen war es ohnehin ein Wunder, dass es nur drei Unbeteiligte erwischt hatte in all den Jahren. Und natürlich waren die Bullen stets sehr erpicht darauf, den Spaß zu verbieten, weshalb das Rennen keinen fixen Termin hatte und stets nur im letzten Moment per Mundpropaganda beworben wurde.
Da gesellte sich endlich auch Zurnfried zu seinem späten Gast und riss ihn aus seinen Gedanken: „Was hast denn mit der Karre angestellt, Frasther? Hab’ mir den Schaden mal kurz angesehen – wie kriegt man den Airbag zum Explodieren, ohne einen Blechschaden zu haben?”, wunderte er sich. Der Chef der Tanke krallte sich ein Bier und öffnete es in einer fließenden Bewegung mit dem Feuerzeug; mit einem lauten “Pflopp” beschleunigte der Verschluss einem Geschoss gleich davon. Daran erinnert, schmerzten Frasthers Knöchel wieder ein wenig und er fragte sich, weshalb er eigentlich mit der Faust dort draufgedonnert hatte; er war sich sicher, einen triftigen Grund gehabt zu haben, konnte sich aber nicht mehr genau daran erinnern.
„Der Gfüllte hat mich verrückt gemacht, da hab' ich mit der Faust draufgehaut…“, erklärte er. Daraufhin begannen die Anwesenden zu lachen.
„Immer noch so unbeherrscht wie eh und je, unser Hauinger”, meldete sich Haube, der Vollzeit-Bsuff. Tückische, blutunterlaufene Augen blickten Frasther über eine vom vielen Saufen her schon bläulich verfärbte Kartoffelnase hinweg an.
„Jedenfalls sollt' ich die Karre so schnell wie möglich im Idealzustand wieder zurückhaben – es würd' auch ordentlich was für dabei rausspringen für euch, Jungs“, Frasther packte das Bündel Scheine vom Luis auf den Tisch.
Hermann pfiff anerkennend, Alfons grinste und kratzte sich an den Eiern, Zurnfried nickte bestätigend: „Die Teile haben wir nicht da, hab' schon geschaut, aber ich kann sie organisieren. Hab' schon mit dem Vietcong telefoniert. Der sagt, er hat die passenden Teile lagernd. Vor morgen Früh wird das aber nix und auch bis dahin isses nur möglich, wenn die Jungs sich die Nacht um die Ohren hauen.“
Der Vietcong, das waren ein paar Vietnamesen, die eine Art Großmarkt für importiertes Zeug aus Asien betrieben. Eigentlich diente der Markt nur der Tarnung ihrer Schmuggelaktivitäten – die Gerüchte reichten von Zigaretten über Drogen bis hin zu Elfenbein und Potenzmitteln aus getrockneten Tigerhoden, zerriebenem Nashornpulver und dergleichen mehr – doch er bot den Vorteil, dass man dort wirklich fast alles fand, was man sonst oft vergebens suchte. Und wenn der Vietcong mal etwas nicht hatte, konnte er es hundertprotzentig organisieren. Waren tüchtige Leute, diese Vietnamesen, kannten weder Sonn- noch Feiertag und schon gar keine Nachtruhe. Egal um welche Uhrzeit man vorbeischaute, es war immer einer da, grinste und verkaufte einem das Gewünschte. Frasther schob den Stapel Scheine über den Tisch und hob fragend die Augenbrauen.
„Ich glaub', ich muss dann mal los, zum Vietcong, Ersatzteile holen“, verkündete Hermann, schnappte sich die Scheine und teilte sie