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Malleus Proletarum - Der Proletenhammer. Marcello Dallapiccola
Читать онлайн.Название Malleus Proletarum - Der Proletenhammer
Год выпуска 0
isbn 9783844250473
Автор произведения Marcello Dallapiccola
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Das soll gar nichts werden, ich versuche lediglich, neue Miglieder für unsere Gemeinschaft zu interessieren, eine Runde von spirituell höchst interessierten Menschen…”
Frasther hob beschwichtigend die Hände und wies die Spinnerin brüsk zurecht: „Seh' ich etwa aus, als ob mich spiritueller Quatsch interessieren würd'? Spiritus, da kann ich mitreden, aber verschon mich mit Gott… Was ist das denn, was ihr da habt – ein wöchentliches Kaffeekränzchen von Laberköpfen, die sich fragen, warum Gott nicht endlich aus seinem Scheißhimmel heruntersteigt und den ganzen Wichsern in den Arsch tritt?”
Er lief schon weiter, als sie ihm noch irgendetwas von wegen gemeinsamem Gebet, geistlichem Beistand und spirituellem Austausch nachrief, doch Frasther beschleunigte seinen Schritt in Richtung nächster Spelunke. Offenbar waren neuerdings nur noch Bescheuerte unterwegs. Langsam begann er sich zu fragen, ob es schon eine schlaue Idee war, hier am Statdrand nach Spuren der Verschwörer zu suchen. Doch sein Instinkt riet ihm, es doch noch in ein, zwei Beizen zu probieren, also latschte er weiter, in Richtung nächstes Beisl.
Überall eilten gestresste Bürospinner in noblen Anzügen und entnervte Geschäftsweiber in teuren Kostümen durch die Gegend; sie hielten sich hektisch irgendwelche elektronischen Geräte an den Schädel und schleppten Einkäufe, Aktentaschen, kleine Kinder, Haushaltsgerümpel, Blumensträuße und ähnlichen Schwachsinn mit sich herum. Zerlumpte Penner hingen auf der Straße ab und streckten den kalt dreinblickenden Anzugträgern mit flehentlichem Blick ihre Hüte entgegen. Horden von verwöhnten, übergewichtigen Jugendlichen schlenderten in kleinen Gruppen über die Bürgersteige. Die Weiber in dem Alter waren alle hergerichtet wie die Schlampen, die Kerle sahen durch die Bank wie zugedröhnte, schwer unterbelichtete Weicheier aus.
Frasther trottete gemütlich dahin und bestaunte die Auslagen der Geschäfte, fragte sich, wozu wohl ein Trachtenmoden-Geschäft gut sein mochte und ob ein Laden, in dem nur Handtaschen verkauft wurden, wohl über die Runden kommen konnte. Kein einziges Geschäft weit und breit, das etwas Sinnvolles verkaufte, kein Laden für Autoersatzteile, kein Geschäft für Edelbrände und auch kein Tuning-Shop, ja, nicht mal ein simpler Rauchwaren-Kiosk war hier zu sehen. Kopfschüttelnd schlenderte er an einem Laden für „biologisch-hochwertige Lebensmittel“ vorbei und fragte sich, was “Tofu“ wohl sein sollte, da fiel sein Blick auf einmal auf den Plattenladen. Gut, dachte Frasther, dann kaufe ich mir halt eine neue Hardrock-Kassette. Kurz entschlossen betrat er den Schuppen. Drin herrschte lautes Geschrei; ein großer Kerl in Motorradlederjacke, mit Jeanskutte drüber und Piraten-Kopftuch auf dem zornesroten Schädel, beschimpfte einen mickrigen, schwarzgekleideten Kerl hinter dem Verkaufstresen gerade aufs Übelste.
Frasther kannte den Kerl: Granteas Stupidner, ein stadtbekannter Tunichtgut, Krawallbruder und Möchtegern-Rocker, eine Zwiderwurzn* der primitivsten Sorte, vermutlich einer der dümmsten Menschen der Welt. Wie alle großen Idioten der Geschichte konnte auch er überall mitreden, hatte immer Recht und war ununterbrochen damit beschäftigt, dies so laut wie möglich vor der ganzen Welt kundzutun – unabhängig davon, ob sich jemand für seine Weisheiten interessierte oder nicht. Weil er sich seiner Umwelt so gut wie ausschließlich mittels lauten Gebrülls mitteilte, wurde er gemeinhin einfach „Der Brüllaffe“ genannt; dann wusste jeder in der Stadt, vom Säugling bis zum Greis, vom Penner in der Gosse bis hin zum Bürgermeister, wer gemeint war.
Auch diesmal machte der Stupidner seinem Spitznamen alle Ehre, seine Stimme war rau und grollte wie Donner; auch sein Tonfall verhieß nichts Gutes, offenbar was er höchst aufgebracht. Und obwohl der mickrige, schwarzgekleidete Kerl etwas, das nach Waffe aussah in der Hand hielt, hätte Frasther im Ernstfall doch seine ganze Kohle auf den Brüllaffen mit seinem dämlichen Piratenkopftuch gesetzt. Er linste genauer hin: Es schien ein Elektroschocker zu sein, womit das schwarzgekleidete Würstchen da herumwedelte.
„Das werden wir ja noch sehen, wie lang dein Scheißladen hier noch durchkommt, wenn ich nicht mehr regelmäßig mein Geld hier liegenlasse!“, brüllte der große Kerl mit drohend erhobenem Zeigefinger.
„Geh jetzt bitte endlich und komm einfach nicht mehr hier herein, nie wieder, okay? Danke!“, antwortete der Kerl mit dem Elektroschocker. Er wirkte wesentlich ruhiger und besonnener als das Piratenkopftuch.
„Ich geh’ schon, aber das wird dir noch mal leid tun, das kannst du dir hinter die Ohren schreiben!“ Der Zeigefinger des Brüllaffen fuchtelte drohend hin und her.
„Hallo, kann ich Ihnen behilflich sein?“ Ein ziemlich ausgehungert aussehender, weil spindeldürrer Typ mit einem sehr langen Rotschopf, den er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, war vor ihm aufgetaucht und lächelte ihn für Frasthers Geschmack fast zu freundlich an. Das Bürschchen trug ein buntes Psychedelic-Hemd mit den Konterfeis der Beatles drauf und eine zerschlissene, beige Cordhose. Sein wild abstehender, roter Bart sah aus, als ob sich dort ganze Generationen von Läusen und Flöhen auf Dauer niedergelassen hatten – mit einem Wort, ein verfluchter Hippie. Offenbar war dieses halbverhungerte Blumenkind Verkäufer in diesem Laden.
„Was hat er denn angestellt, der Depperte?“, fragte Frasther mit einem amüsierten Seitenblick auf die Szenerie.
„Er hat ein kleines Mädchen erschreckt, das sich hier eine Techno-CD zur Probe anhören wollte…“, erklärte der Verkäufer mit entschuldigendem Blick.
„Erschreckt? Weil er den Laden betreten hat?“, schmunzelte Frasther.
„Nein, er hat das Mädchen angeschrien, dass sie gefälligst nicht so einen Mist anhören soll – ohne unser Eingreifen hätte er sie vermutlich sogar gezwungen, eine seiner Grindcore-Bands anzuhören.“
Frasther lachte herzhaft auf: „So ein Spinner. Der wird auch immer noch dümmer, je älter er wird…“
„Nun, es kann eben nicht jeder so vernünftig und besonnen sein, wie Sie oder ich“, schleimte der Verkäufer. „Doch lassen Sie mich bei ihrer Musikauswahl beraten – was suchen Sie denn?“
„Ja, ich brauch' eine g'scheite Hardrock-Kassette, die ich noch nicht kenne. Hab’ schon lang nichts Neues mehr gekauft und keine Ahnung, was es da so gibt. Eventuell so was in der Art wie Dokken oder Raven?“
Der Hippie machte große Augen. Das Geschrei, das der Brüllaffe veranstaltete, ging im Hintergrund immer noch unvermindert weiter, wenngleich es der Typ mit dem Elektroschocker inzwischen geschafft hatte, den Durchgedrehten bis auf einen Meter an den Ausgang heranzubugsieren.
„Äh, da gibt es sicher etwas Neues, wenn mir auch diese Namen im Moment grad’ nichts sagen… ich kann ja mal im Computer nachschauen… aber haben Sie 'Kassette' gesagt?“
„Hier würd’ ich nichts kaufen, in diesem Scheißladen, das sind Wucherer – der 'Mühler-Shop' am Stadtrand hat alle CDs um zwei bis drei Kröten billiger und eine bessere Auswahl hat der obendrein!“, brüllte der Wildgewordene herüber.
„Na, dann würde ich vorschlagen, du gehst jetzt einfach zum 'Mühler-Shop', kaufst dort soviele CDs, wie’s dir beliebt und lässt uns hier in Ruhe…“, erwiderte das schwarzgekleidete Würstchen.
„Ja, klar, Kassetten, keine CDs!“, antwortete Frasther brav dem Verkäufer und ignorierte das Geschrei. Jetzt hielten die beiden Streitenden inne und sahen fragend zu ihm herüber.
„Was, Kassetten?“, fragten sie synchron. Der Hippie, der neben Frasther stand, blickte etwas ratlos zu den beiden hinüber und zuckte mit den Schultern.
„Da gibt’s nix zum deppert schauen, ich hör' meinen Sound von Kassette, scheiß auf das ganze neumodische Zeug!“, erklärte Frasther lapidar. Dann wandte er sich wieder an den Hippie: „Und, hast' jetzt was für mich oder nicht?“
„Wie gefällt Ihnen die Musik, die Sie gerade hören?“ Er deutete auf die Lautsprecher, aus denen gerade ein für Frasthers Empfinden unsägliches Gedudel ertönte. „Das ist die neue von Allan Brown, Progressive Anti-Bebop in seiner edelsten Form, ein musikalischer Avantgarde-Genuss der Sonderklasse…“
„Kann schon sein, aber solange diese beiden Idioten hier“, er deutete auf das Piratenkopftuch und