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Zurnfried sagte zu Frasther: „Wie gesagt, vor morgen Früh wird’s aber nicht fertig, also, falls du noch woanders hin musst, könnt' dich jetzt der Hermann aufm Weg zum Vietcong wo absetzen.“

      „Na, wenn ich schon mal da bin, lass uns doch erstmal was trinken“, schlug Frasther stattdessen vor.

      „Morgen Früh, da liegt der Frasther doch in der Hapfn* und träumt von den Weißwürschten,“ versuchte Haube, sich in das Gespräch einzuschalten.

      „Was redest denn du für einen Blödsinn daher?“, grunzte Frasther den vom Suff Gezeichneten an.

      „Ja, willst etwa behaupten, dass du in der Früh frisch und munter bist? Wohl eher nicht“, kicherte Haube verschmitzt und drückte seinen Tschick im Aschenbecher aus.

      „Hör mir mal zu, Freund der Blasmusik: Wenn ich in der Früh ein Auto wo abholen muss oder sonst was zu erledigen hab', dann steh' ich da, ist das klar? Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag hier in der Tankstelle abhängen und mir die Hucke vollsaufen lassen wie du, ich muss ja ARBEITEN für meinen Lebensunterhalt!”, herrschte Frasther den Bsuff an.

      „Also, erstens Mal, Herr Frasther, häng' ich nicht den ganzen Tag hier in der Tankstelle ab, nein: Von zehn bis drei häng’ ich in der Bahnhofsreste* herum, von drei bis sechs am Würschtlstand neben dem Kino…”

      „Den kenn’ ich, da gibt’s die besten Würschte der ganzen Stadt!”, warf Dietmar ein.

      „…und ab halb sieben, sieben bin ich dann hier zu Gast, denn am Abend möcht' man sich ja schon auch über die Neuheiten in der Welt informieren und vielleicht auch mal ein Match sehen“, er deutete auf den Fernseher, der über ihren Köpfen in der Ecke flimmerte. „Und vor allem ist hier doch ein etwas angenehmeres Publikum als in den anderen Spelunken – man will sich ja schließlich auch gepflegt unterhalten können, oder!”, beendete Haube seinen Satz.

      Wie auf Kommando blickten alle nach oben zur Glotze. Es liefen gerade die Nachrichten, was unschwer zu erkennen war – vermummte Bullen stürmten ein Gebäude, einige Zivilisten, ebenfalls vermummt, versuchten sie davon abzuhalten, indem sie wie wild aus den Fenstern schossen.

      Der Nachrichtensprecher stand mit einer kugelsicheren Weste im Vordergrund und versuchte dauernd seinen Reflex zu widerstehen, bei jedem Schuss den Kopf einzuziehen.

      „Ah, stürmen sie jetzt also des besetzte Botschaftsdings…”, sagte Zurnfried und trank einen ordentlichen Schluck Bier, ohne seinen Blick vom Fernsehbild abzuwenden.

      „Du kannst mich mal mit deinem „gepflegt unterhalten“, Haube! Und mir ist es wurscht, wo du dich den ganzen Tag lang zuplätscherst, also halt hier keine Vorträge, die niemanden interessieren!”, nahm Frasther den Faden wieder auf und maulte den Bsuff an. So einer wie Haube kam ihm gerade recht; g'scheit daherreden und dabei keine Ahnung haben, sowas konnte er überhaupt nicht vertragen.

      „Das würd’ ich auch meinen, Haube”. Walter, den das dämlich Gelaber offenbar auch nervte, sah den Bsuff scharf an. Zurnfried hatte inzwischen einen Korb Brezeln aufgetischt und eine Flasche Whiskey samt zwei Gläsern zwischen sich und Frasther aufgestellt. Haube machte ein enttäuschtes Gesicht, weil Zurnfried ihm kein Glas zugedacht hatte. Frasther nahm sich eine Brezel und biss herzhaft hinein; hier gab es noch richtige, ordentliche Brezeln, solche die frühmorgens von irgendeinem Bäcker in Handarbeit gemacht wurden, knusprig und mit ordentlich viel Salz drauf, das einen höllischen Durscht verursachte.

      Die ersten beiden Whiskey waren flott gesoffen, und Zurnfried kredenzte ein weiteres Bierchen für zwischendurch. Er erzählte Frasther von der Corvette, mit der er beim „Rebel Race“ anzutreten gedachte und erklärte wortreich die Details von Motoreinstellung und Fahrwerkabstimmung. Haube, Walter und Dietmar hatten sich derweil ebenfalls in ein Gespräch vertieft, in dessen Verlauf es mit zunehmendem Alkoholspiegel immer lauter und lauter zuging. Dietmar redete offenbar über Fußball, während Walter die ganze Zeit von Internetpornos schwärmte.

      Zwei weitere Besucher trudelten ein, Sigi und Günther, Kumpels von Haube, die sozusagen eine eigene Klasse innerhalb der Proletenkaste darstellten, identifizierbar an ihren Uniformen: Schuhe, die mindestens 10 Jahre aus der Mode waren, Karottenjeans, farblich nicht zum Rest passende Hemden und Jacken, denen man zwar ansah, dass sie mal gut und teuer gewesen waren, die aber durch pausenloses Tragen und höchst seltenes Waschen schon ungeziemend zerschlissen waren. Tschick in der Schnauze, die Frisur entweder peinlich genau durchgekämmt und mit fettiger Pomade zementiert oder struppig und ungepflegt. Nasenhaare. Schnauzbärte. Die typischen Langzeitarbeitslosen, die vom reinrassigen Penner wie Haube einer war, einzig unterschied, dass sie noch irgendwie ein eigenes Dach über dem Kopf hatten.

      Und beide schielten, als sie den Raum betraten und die Anwesenden begrüßten, unverhohlen auf die Whiskeyflasche, die inzwischen schon über die Hälfte geleert war. Frasther zündete sich seinen x-ten Tschik an und gab sich dem angenehmen Gefühl des Angeduseltseins hin. Zurnfried musste zwischendurch zwar immer wieder kurz in den Verkaufsraum, doch das störte Frasther nicht besonders. Wenn der Zurnl grad Zeit hatte, besorgten* sie es sich ordentlich mit dem Whiskey und redeten über dies und das – vor allem aber über die guten alten Zeiten, als man noch gemeinsam um die Häuser gezogen war.

      Die drei Bsuff versuchten immer wieder, sich kumpelhaft zu geben und vielleicht auch ein Glas Whiskey abzustauben, aber sie bissen bei Frasther genauso auf Granit wie bei Zurnfried. Als die Flasche beinahe ganz geleert war, knatterte und dröhnte es auf einmal draußen an den Zapfsäulen, ein Motor brummte besonders laut auf. 'ne Harley, identifizierte Frasthers unfehlbares Gehör sofort das Motorengeräusch; Zurnfried nickte zustimmend.

      Einen Schluck Frischgezapftes und zwei Züge vom Tschick lang passierte gar nichts; dann hörten sie, wie die Tür zum Verkaufsraum polternd aufgestoßen wurde und ein Paar schwere Bikerstiefel schleppenden Schrittes den Raum betraten. Zurnfried seufzte; sein Blick traf den Frasthers. Eine Harley, das war garantiert entweder ein Zahnklempner, ein Rechtsverdreher oder ein Werbefuzzi, der in seiner Freizeit den Geschmack von Freiheit und Abenteuer suchte. Für teures Geld natürlich, mit ihren fabrikgefertigten Extraausführungen – solchen Luschen sollte man das Fahren eines Motorrades per Gesetz verbieten.

      Lautes Klopfen aus dem Verkaufsraum unterbrach sie in ihrer Spotterei – es hörte sich an, als ob jemand mit einem sehr massiven Gegenstand auf dem Kassentresen herumklopfen würde.

      „Zahlen, verdammt! Ich hab' nicht den ganzen Abend Zeit!”, tönte eine raue und sehr laute Stimme.

      „Wer tankt, wird auch warten können, bis ich Zeit habe zu kassieren!”, brüllte Zurnfried retour; kopfschüttelnd erhob er sich und trottete hinaus in den Verkaufsraum.

      Frasther leerte die Whiskeyflasche, indem er sich und Zurnfried noch ein ordentliches Glas voll einschenkte und hörte grinsend dem Vortrag zu, den dieser gerade dem Harleyfahrer hielt. Irgendwas von wegen er solle hier nicht planlos herumstressen – wer eine Harley habe, sei das Warten ohnehin gewöhnt, sei es auf neue Ersatzteile oder darauf, dass das Mistding endlich anspringe. Selbstverständlich redete der Harleyfahrer mit befehlsgewohnter Stimme dagegen – wofür er sich mit Zurnfried aber eindeutig den Falschen ausgesucht hatte – und so hatte sich im Nu ein ausschweifendes, hitzig geführtes Streitgespräch entwickelt. Bei den meisten anderen wäre Frasther schon lange in den Verkaufsraum gegangen, um die Situation im Auge zu behalten und notfalls eingreifen zu können, doch nicht bei Zurnfried – der konnte sich im Ernstfall sehr gut selber helfen. Einige Minuten später jedoch startete draußen bei den Zapfsäulen wieder knatternd der Harley-Motor.

      Zurnfried kam grinsend zurück und stellte sich wieder an das Stehtischchen neben Frasther. Genussvoll nahm er einen Schluck vom Whiskey. „Das war jetzt vielleicht ein Sautrottel, ja bist du deppert. Denkt, ich fang' auf meine alten Tage noch an herumzurennen wie ein Wiesel, nur weil ihn grad der Sack kneift. Typischer Bezahlfahrer!”

      Frasther lachte dröhnend auf und augenblicklich versuchten die drei Bsuff wieder, sich ein wenig einzuschleimen, indem sie ebenfalls in das Gelächter einstimmten – leider eine deutlich erkennbare Nuance zu spät. Mit höhnischen Blicken von oben herab wurden sie dafür bestraft.

      Da brummten schon wieder

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