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auf den Boden, wo die Kiste völlig zerbrochen lag. "Du Idiot", beschimpfte er sich selbst, "Du hättest sie nicht allein lassen dürfen." Angst über fiel ihn, und er sah sich hektisch nach allen Seiten um. Langsam hob er die Taschenlampe wieder auf, um wenigstens eine kleine Waffe in der Hand zu haben. Vielleicht konnte er das Tier ja blenden, wenn es ihn anspringen wollte. Seine Hand hatte sie gerade berührt, als er ein leises Kratzen hörte, das aus irgendeiner Ecke der Stube kam. Sofort richtete er sich zitternd mit der Taschenlampe auf und betrat die Stube. Böse Vorahnungen gingen ihm durch den Kopf. Ob sich das Tier bei dem Sturz verletzt hatte und nun besonders gefährlich war? Er lauschte gebannt auf jedes Geräusch. "Knack!" Es kam aus der Ecke, wo sein Benjamini-Baum stand. Paul holte tief Luft und schlich auf die Ecke zu. Was auch immer auf ihn wartete, er würde sich zur Wehr setzten und zuschlagen, wenn es sein musste. Er hoffte es zumindest. Es raschelte, und Paul blieb wie versteinert stehen. Sekunden vergingen – dann hörte er hinter seinem Sofa ein Kratzen. Langsam wandte Paul seinen Kopf. "Also dort bist Du", flüsterte er und schlich mit zunehmender Angst hinüber zum Sofa. Aber vielleicht hatte das Tier ja auch Angst und saß nun völlig verstört dort hinter. "Hey, Du, hör mal!", fing er an, "Ich bin ganz friedlich, ich tue Dir nichts.“ Paul stand jetzt kurz vor dem Sofa. Noch ein Schritt, und er konnte sehen, was sich dahinter versteckt hielt. Er holte erneut tief Luft, zählte in Gedanken bis drei und blickte hinter das Sofa. Dort lag ein altes, dreckiges Taschentuch, aber es gab keine Spur von einem Tier. Verwundert hob Paul die Augenbrauen. Dann wurde er mutiger und bückte sich hinunter zum Sofa. Aber da war nichts weiter als Staub. So langsam wurde es ihm unheimlich. Er kroch unter den Tisch - ebenfalls nichts. Er blickte zum Benjamini-Baum, als das Telefon schrillte. Paul fuhr erschrocken hoch und knallte mit dem Kopf unter die Tischplatte. "Meier", brummte er schlechtgelaunt in den Hörer und rieb sich dabei den Kopf. "Hi, Alter, ich hoffe Du hast Dir nicht schon wieder auf die Zunge gebissen?", klang Toms Stimme vom anderen Ende der Leitung. Wollt nur mal hören, wie es Deinem neuen Mitbewohner geht." "Hi, Tom." Paul und verdrehte die Augen, als ihm wieder einfiel, dass er ja heute Abend vorbeikommen wollte. "Das Kätzchen hält Dich wohl ganz schön auf Trab, was?" "Hör mal, ich habe eben überhaupt keine Zeit, und wegen heute Abend ...""Geht mir genauso", unterbrach ihn Tom. "Ich wollte Dir eigentlich nur Bescheid geben, dass es heute Abend nicht klappt." "Du kommst also nicht?“, seufzte Paul fast erleichtert in den Hörer. "He, Alter, nimm`s locker, aber mir ist leider etwas dazwischen gekommen.""Und wie heißt sie diesmal, die Un..., äh, Glückliche?" "Sie ist die Traumfrau meines Lebens und ..." Paul pustete in den Hörer. "He, was war das denn für ein Rauschen? Ist Dein Telefon etwa nicht in Ordnung?", wollte Tom wissen. "Ja, leider", nahm Paul seine Idee sofort auf und pustete noch einmal in den Hörer. "Tut mir - Rausch, aber das kannst Du mir … ja später noch – Rausch - ... " Dann legte Paul einfach auf. Er hatte einfach genug von seinen Frauengeschichten. Immerhin hatte es ja auch etwas Gutes, Tom kam nicht auf einen Sprung vorbei. Plötzlich hörte Paul ein seltsames Geräusch und stürmte in die Stube. Es war ein Anblick des Grauens. Er traute kaum seinen Augen. Wie erstarrt sah er in die Ecke, wo sein Benjamini-Baum stand. Er war vollkommen zerpflückt und – hatte keine Blätter mehr. Paul blickte sich ungläubig um. Nicht ein einziges Blatt lag auf dem Boden. Kurz machte er sich Sorgen um das Tier, dann stieg Wut in ihm auf. "Du gemeines Biest!" rief er. "Ist das etwa der Dank dafür, dass ich Dich vor der Alten gerettet habe? Wer weiß, auf welchem Grund eines Sees Du jetzt liegen würdest?" Paul hielt kurz inne und ließ seine Blicke durch die Stube schweifen. "Komm und zeig Dich, wenn Du kein Feigling bist!" Doch weder ein Kätzchen noch irgendein anderes Tier zeigte sich. "Also gut, wenn Du Krieg willst." Paul wirbelte herum und fing an, die ganze Wohnung auf den Kopf zu stellen. "Ich erwisch Dich schon, Du verfressenes Monster!", rief er und kroch in alle Ecken seiner Wohnung. "Du kannst Dich ja nicht ewig verstecken!" Nach einer Stunde ließ er sich erschöpft in seinen Sessel sinken. Er hatte einfach alles durchsucht. Das einzige, was er nebenbei wieder fand, war seine alte Socke, die - warum auch immer - zwischen einem seiner Bücher im Regal steckte. Sein Gesicht war ausdruckslos und enttäuscht. Welches Tier konnte sich nur so meisterhaft in seiner kleinen Wohnung verstecken? "Vielleicht ein hüpfendes Chamäleon?", überlegte er murmelnd und betrachtete kritisch die Stube. Nach einer Weile erhob er sich wieder von seinem Sessel. Es half nichts, wenn er das Tier finden wollte, musste er wohl oder übel noch mal ran und alle Zimmer durchsuchen. Der Mond hatte die Sonne längst abgelöst, als er endlich die Suche erfolglos aufgab. Keinen noch so kleinen Winkel hatte er ausgelassen, selbst in seiner Waschmaschine und dem Herd sah er nach. So langsam fing er an, an seinem Verstand zu zweifeln. Traurig betrachtete er seinen völlig zerpfückten Benjamini-Baum. Irgend jemand musste ihn doch so zugerichtet haben. Plötzlich fiel ihm etwas ein, das überhaupt nichts mit dem Tier zu tun hatte. Frau Albrecht hatte ihn doch eingeladen. Wie konnte er das nur vergessen. Er starrte zur Uhr, es war gleich halb zehn. Paul stieß einen tiefen Seufzer aus. Das hatte sich also auch erledigt. Ohnehin konnte er nicht einfach die Wohnung verlassen, bevor er das Tier gefunden hatte. Nein, zuerst musste er Gewissheit darüber haben, was sich in der Kiste befand. Doch für heute hatte er genug Stress gehabt. Morgen würde er sicher wieder klarer denken können. "Mach von mir aus, was Du willst!", schallte seine Stimme durch die Wohnung, während er zu seinem Zimmer ging und die Tür öffnete. Paul gähnte, als er sich noch einmal umschaute. "Glaub mir, morgen finde ich Dich, und wenn ich die ganze Wohnung auseinandernehmen müsste." Er schüttelte den Kopf, denn er war sich ganz sicher, das er dass alles nur träumen würde.

      Tante Emma

      Irgendwann fiel er in einen tiefen, unruhigen Schlaf und wälzte sich hin und her. Ihm war, als hörte er ein Geräusch, und es klang als käme es direkt aus der Küche. Vermutlich war das Biest jetzt dort. Er stand auf und verließ lautlos das Zimmer. An der Küchentür blieb er stehen und lauschte. Irgendetwas schleifte auf dem Fußboden entlang. Mit äußerster Vorsicht blickte er um die Ecke und erschrak. An seinem Herd stand eine von Würmern zerfressene alte Mumie und kochte eine Schlangensuppe. Fast zu Tode erschreckt stieß Paul einen Schrei aus und wachte auf."Es war nur ein dummer Albtraum, ein Albtraum", sagte er immer wieder und setzte sich schwer atmend in seinem Bett auf. Erleichtert wanderte sein Blick zum Fenster. Über den Dächern ging schon die Sonne auf. "RUMMS! SCHEPPER! KNALL!", drang es plötzlich durch die Wohnung, und dieses Mal war es kein Traum. "Verdammtes Biest", fuhr Paul entsetzt zusammen, "es verwüstet noch meine ganze Wohnung." Mit einem Satz war er aus dem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe, setzte sich die Brille auf und war schon fast an der Tür, als er den Baseballschläger sah. "Nur für den äußersten Notfall", murmelte er, schnappte ihn sich und verließ das Zimmer. Einen Moment lang war alles still. Dann drang ein unüberhörbares Schnalzen, Schmatzen und Kratzen aus der Küche. Paul schlich bis zur Küchentür, die er besser gestern geschlossen hätte. Er verharrte kurz, holte tief Luft und stellte sich entschlossen mit erhobenem Baseballschläger in die Tür. Eine Welle aus Wut, Hass und Zorn überkam ihn. Seine Küche war ein Ort der Verwüstung. Als hätte eine Bombe eingeschlagen. Tisch und Stühle waren umgekippt und bildeten eine Barriere vor ihm. Der Fußboden war von den Scherben seiner Lieblingstasse übersät. Seine Ex-Freundin Sam hatte sie ihm zum Geburtstag geschenkt. Ironischerweise war "Für immer Dein" auf ihr zu lesen gewesen. Paul schüttelte den Kopf, er hatte gestern vergessen, den Tisch abzuräumen. Mit einem Brummen ignorierte er die Sauerei auf dem Boden und setzte einen Fuß in die Küche. Es knirschte unter seinem Hausschuh, als er in eine Kaffeepfütze trat. Doch das störte ihn nicht, genauso wenig wie die Butter, die am Kühlschrank klebte. Paul ging langsam weiter auf den Tisch zu. Dann blieb er stehen, schob die beiden Stühle beiseite und sah hinter den Tisch. Was immer er geglaubt oder gehofft hatte, dort vorzufinden: Er wurde enttäuscht. Seine Augen starrten auf einen Haufen von Bananen-und Apfelschalen, zerquetschten Tomaten und Mohrrüben. Aber ein Tier befand sich dort nicht. Langsam ließ er den Baseballschläger sinken und sah auf die Scheibe Brot die er gestern nicht aufgegessen hatte. Sie lag ausgespuckt zwischen den Apfelschalen. Nur von der Salami und dem Käse fehlte jede Spur. Noch während er anfing, die Küche aufzuräumen, kam ihn eine Idee. Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, als er die letzten Scherben auffegte und daran dachte, was er vorhatte. Schließlich wandte er sich zum Kühlschrank und öffnete ihn. Seine Hand griff zu dem Käse und den letzten Scheiben Salami. Er wollte den Kühlschrank schon schließen, als er den extra-scharfen Löwensenf sah.Vielleicht konnte er dem Biest damit eine Falle stellen. Er schloss den Kühlschrank, schnitt die Wurst und den Käse in kleine Stücke und

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