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Händen sprang. Entsetzt starrte er ihr nach, wie sie mit lautem Krachen die Stufen herunterpolterte. Sie überschlug sich mehrmals, bis sie schließlich mit einem noch lauteren Knall unten im dritten Stock liegen blieb. Dann war es totenstill, und Paul wagte kaum zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen. Er starrte hinunter auf die Kiste, die zu seinem Erstaunen völlig unbeschädigt war. Doch jetzt rechnete er mit dem Schlimmsten. Türen würden auffliegen und ein Gewirr von Stimmen das Treppenhaus erfüllen. Paul war sich sicher, dass er sich nun eine neue Wohnung suchen müsste. So stand er da und wartete auf das Unvermeidliche. Aber nichts geschah. "Lauf!", sagte plötzlich seine innere Stimme. "Lauf und hol Dir die Kiste!" Doch er zögerte. "Verdammt nochmal!", schrie sie jetzt in ihm. "Auf was wartest du noch?" Paul fasste sich ein Herz und rannte so leise er konnte die Treppe hinunter. Niemand riss eine Tür auf und stürzte sich auf ihn. Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Das ist doch nicht normal", flüsterte er und blickte auf das Namensschild, vor dessen Tür die Kiste liegen geblieben war. Ein Schauer rann ihm über den Rücken, als er den Namen Krause las. Herr Krause war sein Vermieter und lebte alleine. Er hasste Kinder, Katzen, Hunde und ganz besonders Paul. Natürlich hatte er nichts dergleichen je in seiner Gegenwart erwähnt. Aber Paul spürte es, wann immer er ihm begegnete. Und außerdem lebten weder Kinder noch Katzen oder Hunde in dem Haus. Paul bückte sich mit einem ganz unwohlen Gefühl zu der Kiste, denn er hatte Angst, dass sie sich erneut schütteln könnte. Egal, er musste es wagen. Mutig hob er sie an und – es geschah nichts. Erleichtert ging er wieder die Treppe hinauf, als ihm plötzlich ein entsetzlicher Gedanke durch den Kopf schoss. Was, wenn dem Kätzchen etwas passiert war? Abrupt blieb er auf der Mitte der Treppe stehen. Er starrte auf die Kiste. Hätte das Tier nicht laut aufschreien müssen? War es etwa … Nein, diesen Gedanken wollte er nicht zu Ende denken und vertrieb ihn aus seinem Kopf. Sicher war es nur benommen oder bewusstlos. Und wenn nicht? Panik ergriff ihn, und er wollte schon die Treppe hinaufhetzen, als … "Knall!", hinter ihm eine Tür aufflog. Jeder halbwegs normale Mensch wäre jetzt erst recht weitergelaufen. Nur Paul tat es nicht. Mit Schrecken vernahm er die Stimme seines Vermieters. "Herr Meier, was war das hier eben für ein lauter Krach?" Paul seufzte. Jetzt wäre er gern noch mal so fett gewesen wie damals. Doch so konnte er leider nicht verhindern, dass sein Vermieter die Kiste bemerkte. "Und was haben Sie dort in Ihrer Kiste, Herr Meier? Doch nicht etwa ein Haustier, oder?" "Kein Haustier, Herr Krause." Paul drehte sich zu ihm um und sah ihn verwundert an. "Was ist? Haben Sie noch nie jemanden im Bademantel herumlaufen sehen?""Doch schon, es ist nur ...""Nur was?", fragte Herr Krause und fuhr sich dabei über sein mit Rasierschaum verschmiertes Gesicht. Paul hob die Augenbrauen und hätte am liebsten losgelacht, wenn die Kiste nur nicht so schwer gewesen wäre. In dem Moment ging unten die Haustür, und jemand kam die Treppe herauf. Herr Krause blickte eilig über das Geländer hinunter. Anscheinend gefiel es ihm gar nicht, wer da herauf kam. "Wir sprechen uns noch Herr Meier", brummte Herr Krause verärgert und verschwand in seiner Wohnung. Wer immer da herauf kam, Paul dankte ihm schon jetzt von ganzem Herzen. "Hallo, Herr Meier." Es war Frau Albrecht. Erst vor kurzem war sie in das Haus eingezogen. Sie war jung, blond und sah einfach umwerfend aus. "Hatten Sie etwa schon wieder Stress mit unserem Vermieter?", flüsterte sie."Ha … hallo, Frau Albrecht", grüßte Paul zurück. "Nein, ich hatte keinen Stress mit Herrn Krause." "Ist es etwa wegen Ihrer Kiste?", fragte sie neugierig. Frauen, schien Paul zu denken. "Wegen meiner Kiste?", wiederholte er völlig unschuldig. "Wie kommen Sie denn darauf?" "Ach, nur so", erwiderte sie und versuchte, an ihm vorbeizukommen."Oh, Entschuldigung, ich mach Ihnen sofort Platz." Paul drückte sich soweit es ging an die Wand. "Vielen Dank, Herr Meier", nickte sie ihm lächelnd zu und ging an ihm vorbei. Für ein kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und Pauls Knie wurden weich. Dann fing er sich wieder und folgte ihr. Doch schon im vierten Stock trennten sich ihre Wege. "Na, dann", sagte Paul, als er sah wie sie den Schlüssel ins Türschloss steckte, "man sieht sich." "Ach übrigens", meinte sie zu ihm, "ich feiere heute Abend eine kleine Einweihungsparty. Also, wenn Sie Zeit und Lust haben … so gegen 18Uhr?" "Klar habe ich Zeit und Lust sowieso – äh – ja, gerne." Er verzog peinlich sein Gesicht. Was redete er da nur für einen Schwachsinn, das musste an der Kiste liegen, die scheinbar immer schwerer wurde. "Na dann, bis heute Abend", lächelte sie ihm kopfschüttelnd zu. Paul nickte zurück und konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen. "Die Kiste, sie ist verdammt schwer." "Aber ja, natürlich, kann ich Ihnen vielleicht helfen?" Oh, wie gern hätte er ja gesagt, doch er hatte Angst, dass sich die Kiste nochmal schütteln könnte. "Um Himmelswillen … äh, ich meine nein, danke. So schwer ist sie nun auch wieder nicht." Und ob sie schwer war! "Ganz sicher?", fragte Frau Albrecht und blickte auf die Kiste. "Ganz sicher", bestätigte Paul und zwang sich zu einem Grinsen. "Also dann", sagte Frau Albrecht und öffnete die Tür. "Ach, Herr Meier?", wandte sie sich noch einmal um. "Ja … bitte?" sagte Paul, und seine Arme brannten wie Feuer. "Vielleicht erzählen Sie mir heute Abend, was in Ihrer Kiste war?" "Klar … mach ich", erwiderte er und wünschte sich, das sie endlich in ihrer Wohnung verschwand. Sie nickte und er nickte zurück. Dann war sie endlich in ihrer Wohnung verschwunden. Paul atmete tief durch und überlegte, ob er die Kiste noch einmal kurz absetzen sollte. Überlegte es sich anders und trug sie, mit außergewöhnlicher Willenskraft und zusammengebissenen Zähnen, bis hinauf in den siebten Stock. "Du – bist", rang Paul fast atemlos nach Luft, als er sie schließlich auf seiner Türschwelle absetzte, "ein – Riesenbaby – von einem – Kätzchen." "Knall!" Paul sprang entsetzt zurück und starrte auf die Kiste. Sie war zu neuem Leben erwacht und mindestens fünf Zentimeter hochgesprungen. Schnell fingerte er seinen Hausschlüssel aus der Hosentasche und hoffte, dass niemand den Lärm gehört hatte. "Du lebst also noch", flüsterte Paul. ,,Knall!“ Wieder war die Kiste hoch gesprungen. Paul stellte den Fuß auf die Kiste. Hätte er es doch nur sofort getan, denn genau in dem Moment ging unten eine Tür, und jemand kam die Treppe hinaufgelaufen. Paul zitterte und ließ den Schlüssel fallen. Hastig hob er ihn wieder auf und versuchte es erneut. Die Schritte kamen immer näher. Endlich hatte er es geschafft und wollte die Kiste in die Wohnung schieben, als sie wie von selbst in die Wohnung sprang. Paul folgte ihr und schloss eilig die Tür hinter sich. Noch während er das tat, hörte er lautes Stöhnen und Fluchen im Treppenhaus. Dann war es mit einem Mal mucksmäuschen still, und Paul presste sein rechtes Ohr an die Tür um zu lauschen. "Bum! – Bum! – Bum!", hämmerte es im gleichen Moment gegen die Tür. Paul wich erschrocken zurück und stürzte über die Kiste. "ICH HABE SIE GEHÖRT, MACHEN SIE SOFORT AUF UND ERKLÄREN SIE DAS!", schallte die Stimme von Herrn Krause durch die Tür. Paul raffte sich wieder hoch und überlegte, was er jetzt tun sollte. Er beschloss, nichts zu tun und einfach abzuwarten. Denn irgendwann würde sein Vermieter schon aufgeben und wieder abhauen. Noch ein paar Mal hämmerte Herr Krause gegen die Tür. Dann stieß er eine Drohung aus: "Sie werden noch von mir hören!“, und verschwand. Erschöpft ließ sich Paul auf der Kiste nieder. "Ja", seufzte er leise, "ich habe Sie gehört." Das war`s also: Morgen, spätestens am Montag würde er sicher seine Kündigung haben. Er erhob sich wieder von der Kiste und sah sie kopfschüttelnd an. "Bist Du wirklich den ganzen Ärger wert?", flüsterte er und fuhr sich dabei durch die Haare. Doch die Kiste blieb stumm und rührte sich nicht. Schließlich bückte sich Paul und trug sie in die Stube, um sie dort so schnell wie möglich zu öffnen. Langsam setzte er sie auf den massiven Stubentisch und holte die Werkzeugkiste aus der Ecke. "So", sagte er und hielt Hammer und Brechstange in der Hand, "gleich bist Du frei." Dann setzte er die Brechstange an und schlug mit dem Hammer zu. Es knarrte, als er das erste Brett entfernte. "Nur keine Angst", sagte er, "ich werde sehr vorsichtig sein." Paul zitterte ein wenig, denn er wusste ja nicht, was für ein Tier ihn erwarten würde. Er dachte an den Mann mit der Bulldogge. Ob er wirklich recht hatte, dass keine Katze in der Kiste war? Er versuchte, nicht daran zu denken und hebelte das zweite Brett von der Kiste. Doch die Gedanken ließen ihn nicht los. Was, wenn es ein gefährliches Tier war? Vielleicht eine Schlange? Aber konnte eine Schlange mit einer Kiste hochspringen? Nein, das war völlig unmöglich, wie sollte sie das denn anstellen? Und das komische Geräusch, das es machte, kam sicher auch nicht von einer Schlange. Paul legte das Brett beiseite, trat einen Schritt zurück und betrachtete die etwa zehn Zentimeter große Öffnung. Doch nichts geschah. Dann beugte er sich langsam zu ihr hinunter um einen Blick hinein zu wagen. Nichts als rabenschwarze Dunkelheit drang ihm entgegen. Er lauschte, aber kein noch so leises Geräusch war zu hören. "Was nun?", überlegte er, und kam auf die Idee, eine Taschenlampe zu holen. Schnell lief er aus der Stube in sein Zimmer. Die Taschenlampe lag gleich auf seinem Schreibtisch. Paul ergriff sie, als ein lautes "Krach! Rumms! Splitter!" aus der Stube

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