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"AN WELCHEM ENDE?", erkundigte er sich weiter, konnte aber die Antwort nicht mehr verstehen. Warum, dachte Paul, war das nur so verdammt voll heute? Blitzartig fiel es ihm wieder ein: Es war Samstag. "Au!", stöhnte Paul auf, denn jemand hatte ihm seinen Ellbogen in die Seite gerammt. "Hey", was soll das?" Doch er bekam keine Antwort. Stattdessen trat ihm erneut jemand auf den Fuß. "Au!" Pauls Gesicht verfinsterte sich, und so langsam bekam er große Lust zurückzutreten, egal auf wessen Fuß. Er versuchte, sich herumzudrehen und wurde prompt geschubst. "Verdammt nochmal", schnaubte er und packte jemanden am Arm, der vor ihm herlief. "Entschuldigen Sie, aber dürfte ich bitte mal vorbei?" Doch die Person reagierte überhaupt nicht. In Paul brodelte es. Er war wütend, schwitzte wie ein Tier, und seine Füße taten ihm weh. Wenn er jetzt nicht gleich an ihm vorbei kam, dann würde er ihn treten und zur Seite schubsen. Das heißt, wenn er nur nicht so feige gewesen wäre. Ja, Pauls große Schwäche waren seine Feigheit und sein mangelndes Durchsetzungsvermögen. Noch nie hatte er sich herumgeschlagen, weder in der Schule noch sonst wo. Innerlich war er stets bereit, doch fehlte es ihm an Mut, dieses auch in die Tat umzusetzten. Oft hatte er sich schon dafür gehasst. Plötzlich hörte er ein seltsames Stimmengewirr von irgendwoher und blickte sich um. Seine Augen weiteten sich vor Staunen. Da kam ein Mann, hoch und breit wie ein Kleiderschrank, der sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Und dann steuerte der riesige Kerl direkt auf ihn zu. Paul schöpfte neue Hoffnung. Das war seine Chance. Er wartete bis er mit ihm auf gleicher Höhe war, und sprang in seinen Windschatten. Er hielt sich ganz dicht hinter ihm, bis sie fast das Ende des Marktes erreicht hatten. Paul schnaubte erleichtert, als er sich von dem großen Kerl gelöst und ins Freie geschoben hatte. Nie wieder würde er an einem Samstag auf den Markt gehen. Er schüttelte den Kopf. Nein, dachte er, auch nicht für so ein kleines, süßes, knuddelige ... Auf einmal drang etwas in seine Gedanken. Es klang wie ein leises Piepsen oder Miauen, was ihn aufhorchen ließ. Neugierig drehte er sich um. Nicht weit von ihm standen Kinder mit ihren Eltern und lachten und kicherten. "Oh, wie niedlich!", rief ein kleines Mädchen und sprang auf und ab. Zwei weitere Kinder zwängten sich zwischen den Erwachsenen hindurch, um auch etwas zu sehen. "Hey!", schrie ein kleiner Junge. "Ich will auch sehen!" Pauls Interesse war geweckt. Sollte es sich dort etwa um Kätzchen handeln? Was sonst, dachte er, konnte die Kinder in so helle Begeisterung bringen? Mit großen Schritten näherte er sich ihnen. Er war fast da, als ihm plötzlich – rumms – jemand vor die Füße lief. Beinahe wäre ihm die Brille von der Nase gefallen. Er schob sie wieder ordentlich ins Gesicht und starrte die Person an. "Sie!", sagte Paul verärgert. Es war die Alte von vorhin. Sie hatte eine Kiste nur knapp vor seinen Füßen fallengelassen. Also das trug sie unter ihrem Umhang. "tschuldigung – Entschuldigung", stammelte sie nervös und zog sich mit ihren schwarzen Fingernägeln an ihm hoch."Schon gut“, erwiderte Paul voller Ekel, riss sich von ihr los und eilte weiter zu den Kindern. Gerade sah er, wie der Bauer ein getigertes Kätzchen aus einem Kartoffelkorb nahm und es einem kleinen Mädchen reichte. Paul hatte es also doch noch geschafft. Voller Freude blickte er in den Korb und ... "Tut mir leid", hörte er die Stimme des Bauern, "nur eine Minute früher und Sie hätten ..." "Ja, ich weiß", unterbrach ihn Paul und hob seine Hand. Für einen Moment lang starrte er in den leeren Korb, dann schenkte er dem kleinen Mädchen seine Aufmerksamkeit. "Wie soll das Kätzchen denn heißen?" "Tiger nenn ich sie", sagte sie voller Stolz. "Hhm, ja, gefällt mir“, sagte Paul, "der passt zu ihr". Er versuchte, sich ein Lächeln abzuringen, als ihn plötzlich jemand unsanft an seinem Arm zog. Erschrocken wandte er sich um und starrte in das Gesicht der Alten mit der Kiste. "Schon wieder Sie?", zischte er wütend. Denn hätte sie ihn nicht umgerannt, dann … Er holte tief Luft. "Was wollen Sie denn noch von mir?" "Sie suchen doch ein Kätzchen, richtig?", grinste sie breit. Pauls Gesicht verzog sich vor Ekel, als er ihre Zähne sah. Alle, die noch übrig waren, waren abgebrochen und hatten eine gelbbraune Farbe. "Falsch", erwiderte Paul, und ihm wurde fast schlecht. "Ich suche einen Elefanten", brummte er missgelaunt. "Ach wirklich?" Die sabbernde Alte schüttelte den Kopf. Paul nickte und hielt sich die Hand vor den Mund. "Nun ja", fuhr die Alte fort, "einen Elefanten habe ich leider nicht in meiner Kiste." "Ach, was Sie nicht sagen", gab Paul gespielt überrascht zurück. Die Alte überhörte seine Bemerkung. "Aber womöglich befindet sich ein Kätzchen hier drin", sagte sie und deutete unnötigerweise auf die Kiste."Ein Kätzchen?", fragte Paul ungläubig, als er plötzlich eine junge Frau hörte, die unmittelbar hinter ihm zu dem Bauern sprach. "Tut mir leid", sagte sie, "aber leider können wir das Kätzchen nicht nehmen." Und auf die Frage hin, warum, erklärte sie, dass ihre Tochter eine Katzenallergie hätte. Sofort ließ Paul die Alte links liegen und blickte sich um. Erst jetzt fiel ihm die Frau auf, die er vorher nicht bemerkt hatte. Sprachlos sah er auf das kleine Mädchen, das ihm eben noch voller Stolz das Kätzchen gezeigt hatte. Nein, dachte er, so wollte er nicht an ein Kätzchen kommen. Schweren Herzens gab das Mädchen das Kätzchen an den Bauern zurück. Paul seufzte voller Mitleid. Der Bauer hielt das Kätzchen auf seinem Arm und nickte ihm auffordernd zu. Doch Paul beugte sich zu dem kleinen Mädchen hinunter. "Hör mal", sagte er zu ihr, "Dein Kätzchen wird es sicher gut haben." Aber er wusste, dass sie das auch nicht trösten würde. Das kleine Mädchen hob den Kopf und schniefte. "Da – dann nimmst Du es!", sagte sie, und es klang nicht nach einer Bitte. Paul zog zögernd die Augenbrauen hoch und sah zu ihrer Mutter, deren Blick, so schien es, genau dasselbe meinte. "Also gut", nickte er schließlich, "wenn Du es möchtest, dann nehme ich es für Dich." Doch leider sollte es ganz anders kommen. Der Bauer grinste. "Das nenn ich Glück, richtiges Schweineglück", sagte er, als das kleine Mädchen mit ihrer Mutter verschwunden war. "Schweineglück?", wiederholte Paul. Der Bauer nickte. "Aber nicht für die Kleine", seufzte Paul. "Ach was, die kleine Göre wird schon schnell einen Ersatz finden. Außerdem sollte sie viel lieber mit Puppen spielen." Paul hätte ihm gern etwas Passendes darauf erwidert, so wie zum Beispiel, er könnte ihn mal … Aber er verkniff es sich. "Na dann", sagte er und streckte seine Hände nach dem Kätzchen aus. "Macht 40 Mark", sagte der Bauer. Paul erschrak, hatte er etwa seine Gedanken gelesen? "Moment mal", protestierte er, "dort steht doch ganz deutlich 25 Mark." "Ja, schon, aber soeben ist durch Angebot und Nachfrage der Wert dieser kleinen Katze gestiegen." "Das ist doch ein Witz!“ Paul lachte auf. Doch sein Gegenüber blieb ernst, nahm das Schild, warf es beiseite und schrieb ein neues. "Das können Sie doch nicht einfach tun", brach es aus Paul heraus. Der Bauer starrte ihn mit eiskalter Miene an. "Sie sehen doch, das ich es kann, oder?" Paul spürte, wie sein Blutdruck stieg. Der Bauer war eindeutig zu weit gegangen. Das würde er sich nicht so einfach gefallen lassen. Aber was sollte er tun? Sich etwa mit ihm anlegen?"Zwanzig Mark", unterbrach eine Stimme seine Gedanken, und jemand zog ihn am Arm. "Hey!“, fuhr Paul erschrocken herum, "was soll ..." Doch mitten im Satz brach er ab und verdrehte angewidert die Augen. Es war wieder die Alte mit der Kiste. "Haben Sie ein Problem, oder was?", fauchte er."Zwanzig Mark", wiederholte die Alte unbeeindruckt."Ich will aber nicht, verstanden?", knurrte er gereizt. Allerdings klang es nicht sehr überzeugend. "Zwanzig Mark", ließ die Alte denn auch nicht locker. Paul schnaufte und beugte sich halb zu ihr hinunter. "Können Sie nicht oder wollen Sie mich nicht verstehen? Und lassen Sie ihr verdammtes Grinsen und Ihre Finger von meinem Ärmel!" Aber die Alte grinste noch breiter, während sie langsam seinen Ärmel wieder los ließ. Einen Moment lang starrten sie sich nur an, und Paul glaubte schon, sie würde endlich Ruhe geben als … "Zwanzig Mark", erneut über ihre sabbernden Lippen kam. Psychoterror, dachte Paul. Sie wollte ihn wirklich fertigmachen. Jetzt musste er unbedingt die Nerven behalten und stärkere Geschütze auffahren. "Entweder", sagte er, und Schweiß rann ihm die Stirn hinunter, "Sie lassen mich endlich in Ruhe oder Sie bekommen Ärger mit mir!" Paul sah sie so finster und böse an, wie er nur konnte. Schließlich nickte die Alte ihm zu und ließ ein tiefes Seufzen hören. Sie hatte also endlich aufgegeben, dachte Paul und wandte sich wieder dem Bauern zu. "Zwanzig Mark!“, drang es ihm plötzlich zum wiederholten mal schmerzhaft in die Ohren. Wutschnaubend wirbelte er herum. "Sie … Sie ...", zischte er, dann gab er auf. "Für was?", fragte er, denn er glaubte nicht an das Kätzchen in der Kiste. Das Grinsen der Alten wurde noch breiter, soweit das überhaupt noch möglich war. Paul musste sich zusammenreißen, um sie nicht zu packen. "Für das arme", begann sie, "verlassene Kätzchen, das sich möglicherweise immer noch hier drinnen befindet", sagte sie und trat mit ihrem ausgelatschten Schuh auf die Kiste."Unsinn", fauchte Paul genervt, "beweisen Sie es, denn ich kaufe nicht gerne die Katze im Sack … äh, Kiste", verbesserte er sich. Doch die Alte dachte überhaupt nicht daran, ihm irgendeinen Beweis zu liefern. "Na dann", grinste nun Paul übertrieben zurück, "hat sich die Sache für mich ja erledigt."

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