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rief ihm zu: »Gehe so dicht ans Wasser heran, wie du kannst, Jarro, und halte dich zum Fliegen bereit! Du wirst bald befreit sein!«

      Einen Augenblick später lag das Nest am Ufer, aber der kleine Ruderer ging nicht von Bord, er saß ganz still da, zwischen Zweigen und Schilfhalmen verborgen, Jarro stand auch fast regungslos da. Er war vollständig gelähmt vor Angst, daß sein Retter entdeckt werden könne.

      Das nächste, was geschah, war, daß eine Schar wilder Gänse geflogen kam. Da kam Jarro wieder zur Besinnung und warnte sie mit lauten Rufen. Aber dessenungeachtet flogen sie mehrmals über der kleinen Insel hin und her. Sie hielten sich so hoch, daß sie außer Schußweite waren, aber der Knecht ließ sich doch verleiten, ein paar Schüsse auf sie abzugeben. Kaum waren diese Schüsse abgefeuert, als der kleine Wicht an Land sprang, ein kleines Messer aus der Scheide zog und Jarros Schlinge mit ein paar schnellen Schnitten durchschnitt. »Flieg' nun davon, Jarro, ehe der Knecht wieder geladen hat!« rief er, indem er selbst in das Nest zurücksprang und vom Ufer abstieß.

      Der Jäger hatte den Blick auf die Gänse gerichtet und nicht bemerkt, daß Jarro befreit worden war. Cäsar aber hatte besser verfolgt, was vor sich ging, und im selben Augenblick, als Jarro die Flügel hob, stürzte er auf ihn zu und packte ihn im Nacken.

      Jarro schrie jammervoll, aber der Wicht, der ihn befreit hatte, sagte mit der größten Ruhe zu Cäsar: »Wenn du so rechtschaffen bist, wie du aussiehst, wirst du doch wohl einen ehrlichen Vogel nicht zwingen, hier zu sitzen und andere ins Unglück zu locken.«

      Als Cäsar diese Worte hörte, verzog er die Oberlippe spöttisch, im nächsten Augenblick aber ließ er Jarro los. »Flieg', Jarro!« sagte er. »Du bist wahrlich zu gut, um als Lockvogel zu dienen! Deswegen wollte ich dich auch nicht zurückhalten, sondern nur, weil die Stube ohne dich so leer sein wird.«

      Mittwoch, den 20. April.

      Es war wirklich sehr leer in der Bauernstube ohne Jarro. Dem Hund und der Katze wurde die Zeit lang, jetzt, wo sie niemand hatten, über den sie sich zanken konnten, und die Hausfrau vermißte das fröhliche Schnattern, das jedesmal ertönte, wenn sie in die Stube kam. Am meisten Heimweh nach Jarro aber hatte der kleine Junge, Per Ola. Per Ola war erst drei Jahre alt und das einzige Kind, und nie im Leben hatte er so einen Spielkameraden gehabt wie Jarro. Als Per Ola hörte, daß Jarro nach dem Tåkernsee zu den Enten zurückgekehrt sei, konnte er sich gar nicht dabei beruhigen; beständig dachte er darüber nach, wie er ihn wiederbekommen könne.

      Per Ola hatte viel mit Jarro geplaudert, als der still in seinem Korb lag, und er war überzeugt, daß der Enterich ihn verstand. Er bat seine Mutter, mit ihm an den See hinabzugehen, damit er Jarro finden und ihn überreden könne, wieder zu ihnen zu kommen. Das wollte die Mutter nicht, Per Ola aber gab doch sein Vorhaben nicht auf.

      Am Tage, nachdem Jarro verschwunden war, lief Per Ola draußen auf dem Hof umher. Er spielte, wie gewöhnlich, ganz allein, aber Cäsar lag auf der Treppe, und als die Mutter den Kleinen hinausließ, sagte sie: »Gib acht auf Per Ola, Cäsar!«

      Wäre nun alles so gewesen wie sonst, hätte Cäsar auf den Befehl gehorcht und es wäre so gut acht auf Per Ola gegeben worden, daß ihm nichts hätte zustoßen können. Aber Cäsar war in diesen Tagen ganz aus dem Gleichgewicht. Er wußte, daß die Bauern, die um den Tåkernsee herum wohnten, häufig Versammlungen wegen der Trockenlegung des Sees abhielten, und daß die Sache beinahe beschlossen war. Die Enten würden fortziehen und Cäsar konnte nie mehr ehrlich Jagd auf sie machen. Er war so von dem Gedanken an dies Unglück erfüllt, daß er vergaß, auf Per Ola achtzugeben.

      Und kaum war der Kleine draußen auf dem Hof sich selbst überlassen, als er begriff, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, an den Tåkernsee hinabzugehen und mit Jarro zu reden. Er öffnete eine Pforte und ging auf dem schmalen Pfad, der über die Wiesen führte, nach dem See hinab. So lange man ihn vom Hause aus sehen konnte, ging er langsam, aber dann fing er an zu laufen. Er war sehr bange, daß seine Mutter oder sonst jemand ihm zurufen würde, daß er nicht da hinabgehen dürfe. Er wollte ja nichts Böses tun, sondern nur Jarro überreden, wieder zu ihnen zu kommen, aber er hatte ein Gefühl, daß die daheim sein Vorhaben nicht billigen würden.

      Als Per Ola an den See hinabkam, rief er Jarro mehrmals. Dann stand er lange da und wartete, aber es kam kein Jarro. Er sah verschiedene Vögel, die ihm glichen, aber sie flogen vorüber, ohne ihn zu beachten, und daraus schloß er, daß keiner von ihnen der Rechte war.

      Als Jarro nicht kam, dachte der kleine Junge, es würde gewiß leichter sein, ihn zu finden, wenn er sich auf den See hinausbegab. Es lagen mehrere gute Boote am Ufer, aber sie waren alle festgebunden. Das einzige, das da los und ledig lag, war ein alter, lecker Prahm, so schlecht, daß es niemand einfiel, ihn zu benutzen. Aber Per Ola kletterte da hinein, ohne sich daran zu kehren, daß der ganze Boden unter Wasser stand. Die Ruder konnte er nicht handhaben, statt dessen aber setzte er sich hin und wippte und schaukelte in dem Prahm. Einem erwachsenen Menschen wäre es wahrscheinlich niemals gelungen, einen Kahn auf diese Weise auf den Tåkernsee hinauszubringen, aber wenn der Wasserstand hoch ist und das Unglück es will, haben kleine Kinder eine merkwürdige Fähigkeit, aufs Wasser zu kommen. Per Ola trieb bald auf dem Tåkernsee herum und rief nach Jarro.

      Als der alte Prahm so auf dem See schaukelte, wurden die Ritzen, die er hatte, noch größer, und das Wasser strömte förmlich herein. Aber daran kehrte sich Per Ola nicht im geringsten. Er saß auf der kleinen Bank am vorderen Ende, rief jeden Vogel an, den er sah, und wunderte sich, daß Jarro nicht kam.

      Schließlich gewahrte Jarro wirklich Per Ola. Er hörte, daß ihn jemand mit dem Namen rief, den er bei den Menschen gehabt hatte, und er begriff, daß sich der Junge auf den Tåkernsee hinausgewagt hatte, um ihn zu suchen. Jarro freute sich unsagbar, als er sah, daß einer von den Menschen ihm wirklich liebte. Wie ein Pfeil schoß er zu Per Ola hinab, setzte sich neben ihn und ließ sich streicheln. Sie waren beide sehr glücklich über das Wiedersehen.

      Aber plötzlich merkte Jarro, wie es mit dem Prahm beschaffen war. Er war halb voll Wasser und kurz davor zu versinken. Jarro versuchte, Per Ola begreiflich zu machen, daß er, der weder fliegen noch schwimmen könne, versuchen müsse, an Land zu kommen. Aber Per Ola verstand ihn nicht. Da besann sich Jarro keinen Augenblick, sondern eilte von dannen, um Hilfe zu holen.

      Nach einer Weile kehrte er zurück und trug auf seinem Rücken einen kleinen Wicht, der viel kleiner war als Per Ola. Hätte er nicht sprechen und sich bewegen können, so würde Per Ola geglaubt haben, es sei eine Puppe. Und dieser kleine Wicht befahl Per Ola sofort, eine lange Stange zu nehmen, die auf dem Boden des Prahms lag, und zu versuchen, das Boot nach einer der kleinen Schilfinseln hinüberzustängeln. Per Ola gehorchte, und er und der Wicht halfen einander, den Prahm vorwärtszutreiben. Mit ein paar Stößen erreichten sie eine kleine schilfumkränzte Insel, und nun erhielt Per Ola den Befehl, an Land zu gehen. Im selben Augenblick, als er den Fuß an Land setzte, lief der Prahm voll Wasser und versank.

      Als Per Ola dies sah, wurde es ihm klar, daß sein Vater und seine Mutter sehr böse auf ihn sein würden. Hätte er nicht gleich etwas anderes zu denken gehabt, so würde er sicher geweint haben. Aber da kam eine Schar großer, grauer Vögel und ließ sich auf der Insel nieder, und der kleine Wicht nahm ihn zu ihnen hin und erzählte ihm, wie sie hießen und was sie sagten. Und das war so lustig, daß Per Ola alles andere vergaß.

      Indessen hatten die Leute auf dem Bauernhofe entdeckt, daß der Junge verschwunden war und hatten angefangen, nach ihm zu suchen. Sie suchten in den Wirtschaftsgebäuden, guckten in den Brunnen hinab und sahen im Keller nach. Dann gingen sie auf Wege und Stege hinaus, eilten auch nach dem Nachbargehöft und fragten, ob er sich nicht dahin verirrt habe; sie spähten auch unten am Tåkernsee nach ihm aus. Aber soviel sie auch suchten, er war nicht zu finden.

      Cäsar, der Hund, verstand sehr wohl, daß sein Herr und die Hausfrau Per Ola suchten, aber tat nichts, um ihnen auf die richtige Spur zu helfen. Er blieb im Gegenteil ganz ruhig liegen, als gehe ihn das ganze nichts an.

      Späterhin am Tage fanden sie Per Olas Fußstapfen unten am Landungsplatz, Und dann fiel es ihnen auf, daß der alte, lecke Prahm nicht mehr am Ufer lag. Da wurde ihnen der ganze Zusammenhang

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