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Selma Lagerlöf - Gesammelte Werke. Selma Lagerlöf
Читать онлайн.Название Selma Lagerlöf - Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783746750200
Автор произведения Selma Lagerlöf
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Eines Tages, als die Frau auf Ulvåsa in ihrem Saal saß und spann, wie das in alten Zeiten Sitte war, kam ein armer Bauer in den Saal hinein und setzte sich ganz unten an der Tür auf die Bank.
»Ich möchte gern wissen, was ihr denkt, wie ihr da so sitzet, liebe Herrin,« sagte der Bauer, als er eine Weile dagesessen hatte.
»Ich sitze hier und denke an hohe und heilige Dinge,« erwiderte sie. – »Da kann es wohl nicht angehen, daß ich nach etwas frage, was mir am Herzen liegt,« sagte der Bauer.
»Dir liegt wohl nichts weiter am Herzen als die Frage, ob du viel Korn auf deinem Acker ernten kannst. Aber ich bin gewohnt, daß mir der Kaiser Fragen stellt, wie es mit seiner Krone gehen mag, und der Papst, wie es um seine Schlüssel steht.« – »Ja, solche Dinge zu beantworten, ist wohl nicht leicht,« sagte der Bauer. »Ich habe auch sagen hören, daß niemand von hier fortgehen soll, ohne mit der Antwort zufrieden zu sein, die er bekommen hat.«
Als der Bauer das sagte, sah er, daß die Herrin auf Ulvåsa sich in die Lippe biß und höher auf die Bank hinaufrückte. »So, also das hast du von mir gehört,« sagte sie. »Da kannst du ja versuchen, mich nach dem zu fragen, was du gern wissen willst, dann wirst du ja sehen, ob ich so antworten kann, daß du zufrieden wirst.«
Da zögerte der Bauer nicht länger, sein Anliegen vorzubringen. Er sagte, er sei gekommen, um zu fragen, wie es in Zukunft mit Ostgotland gehen werde. Er liebe nichts so sehr wie sein Heimatland, und er glaube, er werde bis zu seiner letzten Stunde glücklich sein, wenn er eine gute Antwort auf diese Frage erhalten könne.
»Wenn du nichts weiter wissen willst,« sagte die weise Frau, »so glaube ich wohl, daß ich dich befriedigen kann. Denn so wie ich hier sitze, kann ich dir sagen, es wird mit Ostgotland so gehen, daß es stets etwas haben wird, dessen es sich vor anderen Landschaften rühmen kann.«
»Ja, das ist eine gute Antwort, liebe Herrin,« sagte der Bauer, »und nun würde ich ganz zufrieden sein, wenn ich nur verstehen könnte, wie das möglich sein sollte.«
»Warum sollte das nicht möglich sein,« sagte die Frau von Ulvåsa. »Weißt du denn nicht, daß Ostgotland schon weit berühmt ist? Oder glaubst du, daß sich irgendeine Landschaft in Schweden rühmen könnte, gleichzeitig zwei solche Klöster zu besitzen, wie sie in Alvastra und in Vreta und obendrein noch einen so schönen Dom, wie der in Linköping?«
»Das mag gern sein,« sagte der Bauer, »aber ich bin ein alter Mann, und ich weiß, daß der Menschen Sinn wandelbar ist. Ich fürchte, es wird eine Zeit kommen, wo sie uns nicht viel Ehre lassen werden, weder für Alvastra noch für Vreta oder den Dom.«
»Darin magst du vielleicht recht haben,« sagte die Herrin von Ulvåsa, »aber deswegen brauchst du nicht an meiner Wahrsagung zu zweifeln. Jetzt lasse ich ein neues Kloster auf Vadstena erbauen, und das dürfte wohl das berühmteste im ganzen Norden werden. Dahin wird Hoch und Niedrig wallfahrten, und alle werden sie diese Landschaft preisen, weil sie eine so heilige Stätte in ihren Grenzen birgt.«
Der Bauer erwiderte, er sei außerordentlich erfreut, das zu hören. Aber er wisse ja, daß alles vergänglich sei, und er möchte wohl wissen, was der Landschaft Ansehen verleihen sollte, wenn das Kloster Vadstena einmal in üblen Ruf käme.
»Du bist nicht leicht zufriedenzustellen,« sagte die Frau von Ulvåsa, »ich kann aber so weit in die Zukunft sehen, daß ich dir sagen kann, ehe das Kloster Vadstena seinen Glanz verliert, wird ganz in seiner Nähe ein Schloß erbaut werden, das das prächtigste seiner Zeit sein wird. Könige und Fürsten werden es besuchen, und es wird der ganzen Landschaft zur Ehre gereichen, daß sie einen solchen Schmuck besitzt.«
»Auch das zu hören freut mich sehr,« sagte der Bauer. »Aber ich bin ein alter Mann, und ich weiß, wie es mit der Herrlichkeit dieser Welt zu gehen pflegt. Wenn das Schloß einmal verfällt, was wird dann die Blicke der Leute auf diese Landschaft lenken?«
»Du verlangst nicht wenig zu wissen,« sagte die Frau von Ulvåsa, »aber ich vermag doch so weit in die Zukunft zu sehen, daß ich spüren kann, wie Leben und Bewegung oben in den Wäldern um Finspång herum entsteht. Ich sehe, wie sie Schmelzhütten und Schmiedewerke bauen, und ich glaube, die ganze Landschaft wird darum geehrt werden, daß man all das Eisen auf ihrem Gebiet verarbeitet.«
Der Bauer konnte nicht leugnen, daß er sich unsäglich über diese Nachricht freute. Wollte nun aber das Unglück, daß auch das Finspånger Hüttenwerk sein Ansehen verlor, so war es wohl kaum möglich, daß etwas Neues entstand, das Ostgotland zum Ruhme gereichen konnte.
»Dir kann man es nicht leicht rechtmachen,« sagte die Frau von Ulvåsa, »aber so weit vermag ich doch zu sehen, daß ich entdecken kann, wie rings um die Seen herum von Edelleuten, die in fremden Ländern Krieg geführt haben, Herrensitze erbaut werden, so groß wie Schlösser. Ich glaube, diese Edelhöfe werden der Landschaft ebenso viel Ehre einbringen, wie all das andere, wovon ich dir erzählt habe.«
»Aber wenn dann eine Zeit kommt, wo niemand die großen Herrensitze mehr preist?« fuhr der Bauer hartnäckig fort.
»Du brauchst dich trotzdem nicht zu ängstigen,« sagte die Frau von Ulvåsa. »Ich sehe jetzt, wie Heilquellen auf den Wiesen von Medevi in der Nähe des Wetternsees hervorsprudeln. Ich glaube, die Quellen von Medevi werden der Landschaft so viel Ruhm verschaffen, wie du nur wünschen kannst.«
»Das ist etwas Großes, was ich da erfahre,« sagte der Bauer. »Aber wenn nun die Zeit kommt, wo die Menschen an andern Quellen Heilung suchen?«
»Deswegen brauchst du dich nicht zu bekümmern,« erwiderte die Frau von Ulvåsa. »Ich sehe, wie es von Motala bis Mem von arbeitenden Menschen wimmelt. Sie graben eine Verkehrsstraße quer durch das Land, und da wird der Ruhm von Ostgotland wieder auf aller Lippen sein.«
Der Bauer sah aber trotzdem noch beunruhigt aus.
»Ich sehe, wie die Fälle des Motalastromes anfangen. Räder zu treiben,« sagte die Frau von Ulvåsa, und nun brannten zwei rote Flecke auf ihren Wangen, denn nun begann sie unruhig zu werden, »Ich höre in Motala Hämmer dröhnen und in Norköping Webstühle klappern.«
»Ja, das ist erfreulich zu hören,« sagte der Bauer, »aber alles ist veränderlich, und ich fürchte, daß auch das einmal verfallen und in Vergessenheit geraten kann.«
Als der Bauer noch immer nicht zufrieden war, riß der Schloßherrin die Geduld. »Du sagst, daß alles vergänglich ist,« entgegnete sie. »Aber jetzt will ich dir doch etwas nennen, das sich nie verändern wird, nämlich, daß es solche hochmütige und eingebildete Bauern, wie du einer bist, allezeit, so lange die Welt steht, hier in Ostgotland geben wird!«
Kaum hatte die Frau von Ulvåsa das gesagt, als sich der Bauer fröhlich und guter Dinge erhob und ihr für die gute Auskunft dankte. Jetzt endlich habe seine Seele Ruhe, sagte er.
»Ich verstehe wirklich nicht, was du meinst,« sagte alsda die Frau von Ulvåsa.
»Ich denke so, liebe Herrin,« sagte der Bauer, »daß alles, was Könige und Klosterleute und Gutsbesitzer und Stadtbewohner erbauen und errichten, nur eine Reihe von Jahren Bestand hat. Wenn ihr mir aber sagt, daß es in Ostgotland allzeit ehrliebende und ausdauernde Bauern geben wird, so weiß ich auch, daß das Land seinen alten Ruhm bewahren wird. Nenn nur die, die bei der ewigen Arbeit mit der Erde gebeugt gehen, die können dies Land für alle Zeiten in Wohlstand und Ansehen erhalten.«
XX. Die Bahn aus Fries
Sonnabend, den 23, April.
Der Junge flog dahin, hoch oben in der Luft. Er hatte die große ostgotländische Ebene unter sich und saß da und zählte die vielen weißen Kirchen, die ihren Turm aus einer dichten Baumgruppe heraussteckten. Es währte nicht lange, und er war bis zu Fünfzig gekommen. Dann wurde er zerstreut, und die Rechnung geriet in Unordnung.
Die allermeisten Gehöfte waren wie große, zweistöckige Häuser gebaut, die so stattlich aussahen, daß der Junge sich darüber verwundern mußte. »Hierzulande