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Land verbreitet. Haine und Hügel und die Dächer und die Kirchtürme in Jönköping, die an dem Ufer des Wetternsees hervorlugten, lagen gleichsam eingehüllt in einen blauen Schimmer, der das Auge erfreute. Wenn es im Himmel Länder gab, so mußten sie auch gewiß so blau sein, dachte der Junge und meinte, er habe nun eine kleine Ahnung davon, wie es im Paradiese aussah.

      Als die Gänse späterhin am Tage auf ihrem Zuge weiterzogen, flogen sie das blaue Tal hinauf. Sie waren in allerbester Laune, schrien und lärmten, so daß niemand, der Ohren hatte, umhin konnte, sie zu bemerken.

      Es traf sich so, daß es der erste wirklich schöne Frühlingstag dort in der Gegend war. Bisher hatte der Lenz seine Arbeit in Regen und Sturm verrichtet, und als nun plötzlich schönes Wetter geworden war, erfaßte die Menschen da unten auf der Erde eine solche Sehnsucht nach Sommer, Wärme und grünen Wäldern, daß es ihnen schwer wurde, bei ihrer Arbeit zu bleiben. Und als die wilden Gänse vorüberzogen, frei und fröhlich, hoch oben über der Erde, war da auch nicht ein einziger, der nicht die Arbeit, mit der er beschäftigt war, einen Augenblick ruhen lieh, um ihnen nachzusehen.

      Die ersten, die eines Tages die wilden Gänse sahen, waren die Grubenarbeiter auf dem Taberge, die ganz oben an der Oberfläche des Berges Erz brachen. Als sie sie gackern hörten, hielten sie inne mit dem Bohren ihrer Sprenglöcher, und einer von ihnen rief den Vögeln zu: »Wo reist ihr hin?« Die Gänse verstanden nicht, was er sagte, der Junge aber beugte sich über den Gänserücken und antwortete für sie: »Dahin, wo weder Hacke noch Schlägel ist!« Als die Grubenarbeiter die Worte hörten, dachten sie, ihr Sehnen habe gewiß bewirkt, daß das Gackern der Gänse wie Menschenrede geklungen habe. »Wir wollen mit! Wir wollen mit!« riefen sie. – »Dies Jahr nicht!« schrie der Junge. »Dies Jahr nicht!«

      Die wilden Gänse flogen in der Richtung des Tabergflusses nach dem Mönchsee hinab, und beständig machten sie denselben Lärm. Hier auf dem schmalen Landstreif zwischen dem Mönchsee und dem Wetternsee lag Jönköping mit seinen großen Fabrikanlagen. Zuerst flogen die wilden Gänse über die Munkeseer Papierfabrik. Die Mittagspause war gerade beendet und die großen Arbeiterscharen strömten auf das Fabriktor zu. Als sie die wilden Gänse hörten, standen sie einen Augenblick still, um ihnen zu lauschen. »Wo reist ihr hin? Wo reist ihr hin?« rief ein Arbeiter. Die wilden Gänse verstanden nicht, was er sagte, der Junge aber antwortete für sie: »Dahin, wo es weder Maschinen noch Dampfkessel gibt.« Als die Arbeiter die Antwort hörten, glaubten sie, ihr eigenes Sehnen habe bewirkt, daß das Gänsegeschnatter so klinge wie Menschenrede. »Wir wollen mit! Wir wollen mit!« riefen eine ganze Menge von ihnen. »Dies Jahr nicht!« antwortete der Junge. »Dies Jahr nicht!«

      Dann flogen die Gänse über die weltberühmte Streichhölzerfabrik, die am Ufer des Wetternsees liegt, so groß wie eine Festung, und deren hohe Schornsteine zum Himmel aufragen. Auf den Höfen rührte sich kein Mensch, aber in einem großen Saal saßen junge Arbeiterinnen und füllten Streichholzschachteln. Sie hatten ein Fenster geöffnet, weil das Wetter so schön war, und der Ruf der wilden Gänse bis zu ihnen hineindrang. Diejenige, die dem Fenster zunächst saß, lehnte sich mit einer Streichholzschachtel in der Hand hinaus und rief: »Wo reist ihr hin? Wo reist ihr hin?« – »Nach dem Lande, wo man weder Licht noch Streichhölzer nötig hat,« sagte der Junge. Das junge Mädchen glaubte ja, daß das, was sie gehört hatte, nichts gewesen sei als Gänsegeschnatter, da sie aber doch meinte, ein paar Worte unterscheiden zu können, rief sie als Antwort: »Ich will mit! Ich will mit!« – »Nicht dies Jahr!« antwortete der Junge. »Nicht dies Jahr!«

      Östlich von den Fabriken erhebt sich Jönköping auf dem schönsten Fleck, den sich eine Stadt wünschen kann. Der schmale Wetternsee hat hohe, steile Südabhänge an dem östlichen und an dem westlichen Ufer, aber gerade nach Süden zu sind die Sandmauern niedergebrochen, wie um einem großen Tor Platz zu machen, durch das man an den See hinausgelangt. Und mitten in dem Tor, mit Bergen zur Rechten und Bergen zur Linken, mit dem Mönchsee hinter sich und dem Wetternsee vor sich, liegt Jönköping.

      Die Gänse flogen über die lange, schmale Stadt hin und machten hier ebensoviel Lärm wie draußen auf dem Lande. Aber in der Stadt antwortete ihnen niemand. Es war nicht zu erwarten, daß die Leute in der Stadt auf der Straße stehenbleiben und den wilden Gänsen etwas zurufen sollten.

      Weiter ging die Reise am Ufer des Wetternsees, und nach Verlauf einiger Zeit kamen die Gänse nach dem Krankenheim Sanna. Einige von den Kranken waren auf die Veranda hinausgegangen, um die Frühlingsluft zu genießen und hörten von hier aus das Schnattern der Gänse. »Wo reist ihr hin? Wo reist ihr hin?« fragte einer von ihnen mit so schwacher Stimme, daß es kaum zu hören war. »Nach dem Lande, wo es weder Kummer noch Krankheit gibt,« antwortete der Junge. »Wir wollen mit!« sagte der Kranke. – »Nicht dies Jahr!« antwortete der Junge. »Nicht dies Jahr!«

      Als sie noch eine Strecke geflogen waren, kamen sie nach Husquarna. Das lag in einem Tal. Rings umher standen Berge, steil und schön geformt. Ein Bach kam von den Höhen in langen, schmalen Wasserfällen herabgestürzt. Große Werkstätten und Fabriken lagen unter den Bergwänden; der Talboden war übersät mit Arbeiterwohnungen, umgeben von kleinen Gärten, und mitten im Tal lag die Schule. Gerade als die Gänse geflogen kamen, ertönte eine Glocke, und eine Menge Kinder kamen in einer langen Reihe herausmarschiert. Es waren so viele, daß sie den ganzen Schulhof füllten. »Wo reist ihr hin? Wo reist ihr hin?« riefen die Kinder, als sie die wilden Gänse hörten. – »Dahin, wo es weder Bücher noch Schulaufgaben gibt!« antwortete der Junge. – »Nehmt uns mit!« riefen die Kinder. »Nehmt uns mit!« – »Dies Jahr nicht, aber übers Jahr,« rief der Junge. »Dies Jahr nicht, aber übers Jahr!«

      An dem östlichen Ufer des Wetternsees liegt Omberg, östlich von Omberg liegt Daysmosen, östlich von Daysmosen liegt der See Tåkern. Rings um den Tåkern breitet sich die große, flache, ostgotländische Ebene aus.

      Der Tåkernsee ist ein ziemlich großes Gewässer, und in alten Zeiten soll er noch größer gewesen sein. Aber dann fanden die Menschen, daß er einen zu großen Teil der fruchtbaren Ebene einnahm, und sie versuchten, das Wasser abzuleiten, um auf dem Boden des Sees säen und ernten zu können. Es gelang ihnen jedoch nicht, den ganzen See trocken zu legen, was wohl die Absicht gewesen war; er bedeckt noch immer eine ganze Menge Land. Aber nach dem Trockenlegen ist der See so seicht geworden, daß er fast nirgends mehr als anderthalb Ellen tief ist. Die Ufer sind zu tiefliegenden und sumpfigen Wiesen geworden, und überall draußen im See ragen kleine Schlamminseln aus dem Wasser auf.

      Nun gibt es Pflanzen, die es lieben, mit den Füßen im Wasser zu stehen, wenn sie nur den Leib und den Kopf oben in der Luft haben können, nämlich die Binsen. Die können keinen besseren Fleck zum Wachsen finden als die langen, flachen Ufer des Tåkernsees und die kleinen Schlamminseln. Sie gedeihen dort so gut, daß sie mehr als Manneshöhe erreichen, und sie stehen so dicht, daß es fast unmöglich ist, ein Boot da hindurchzustängeln. Sie bilden eine breite, grüne Umfriedigung rings um den See, so daß er nur an einzelnen Stellen zugänglich ist, dort, wo die Menschen das Röhricht abgeschlagen haben.

      Schließen aber die Binsen die Menschen aus, so gewähren sie dafür einer Menge anderer Wesen Unterkunft und Schutz. Da drinnen zwischen den Binsen gibt es unzählige kleine Teiche und Kanäle mit stillstehendem, grünem Wasser, wo Entengrün und andere Pflanzen in Hülle und Fülle wachsen, und wo Mückenlarven, Kaulquappen und Fischbrut in zahllosen Mengen ausgebrütet wird. Und an den Ufern dieser kleinen Teiche und Kanäle gibt es Massen von guten Schlupfwinkeln, wo die Seevögel ihre Eier legen und ihre Jungen großziehen, ohne von Feinden oder von Nahrungssorgen gestört zu werden.

      In dem Röhricht am Tåkernsee wohnen auch eine Menge Vögel, und Jahr für Jahr kommen mehr hinzu, je bekannter es wird, was für ein herrlicher Aufenthaltsort es ist. Die ersten, die sich dort ansiedelten, waren die Stockenten, und die wohnen dort noch zu Tausenden. Ihnen gehört jedoch nicht mehr der ganze See, sie haben sich gezwungen gesehen, den Platz mit Schwänen, Haubentauchern, Bläßhühnern, Lummen, Löffelenten und einer Menge anderer Vögel zu teilen.

      Der Tåkernsee ist sicher der größte und beste Vogelsee im ganzen Lande, und die Vögel können sich glücklich

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