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Kein Internet. Keine Ablenkung.“

      „Sie schicken mich in den Himalaya?“

      „Ja. Aber keine Sorge. Ich komme für alle Kosten auf. Für die gesamten sechs Monate wird für sie gesorgt sein.“

      „Sechs Monate?“

      „Sie müssen sich um nichts kümmern. Außer ums Schreiben. Dazu bekommen Sie noch ein Taschengeld. Natürlich alles unabhängig von der Million. Sechs Monate reichen Ihnen doch?“

      „Ja. Natürlich. Aber...“

      „Keine Widerrede. Sie haben bereits unterschrieben. Auf dem Flug haben Sie ja die Zeit, das Kleingedruckte zu lesen. Und da werden Sie feststellen, dass dort nichts anderes steht als Bhutan.“

      Das, was auf dem Vertrag wie Fliegenschiss ausgesehen hatte, war also das Kleingedruckte.

      Ich wurde panisch. „Jemand muss meine Frau informieren...“

      Er machte eine Handbewegung: „Ist alles schon erledigt. Ihre Frau weiß Sie in guten Händen. Sie ist einverstanden. Wir zahlen auch ihr eine monatliche Entschädigung, weil sie so lange auf ihren Mann verzichten muss. Einmal in der Woche werden Sie beide telefonieren können.“

      „Kann ich vielleicht jetzt noch telefonieren?“ Ich tastete meine Hüften ab und musste feststellen, dass mein Handy ja in meinem Anzug und mein Anzug in den Händen von Mennering war.

      Er gab sich untröstlich. „Ausgeschlossen. Ihr Auftrag setzt voraus, dass Sie sich ab jetzt ganz darauf konzentrieren. Sie werden dafür die Möglichkeit haben, schon heute mit dem Projekt zu beginnen. Wir stellen Ihnen einen Laptop und Papier. Etwas Anderes brauchen Sie nicht. Ich will nicht, dass Sie irgendetwas recherchieren. Das Buch soll ganz in Ihrer Phantasie entstehen.“

      „Ich bekomme jetzt also etwas zu essen?“, gab ich jeden Widerstand auf. Der Hunger machte mich erpressbar.

      „Natürlich. Nachdem Sie sich geduscht und angezogen haben.“

      „Und dann bräuchte ich noch meinen Anzug und mein Handy.“

      „Anzug und Handy bleiben vorerst hier. Die schicken wir Ihnen mit dem Auto nach Hause. Ihr Pass befindet sich ja in Ihrem Koffer. Ihre Frau hat mitgedacht. Keine Sorge, nichts geht verloren. Wir haben das Navi aus dem Wagen retten können. Sobald er wieder zusammengepuzzelt ist, fährt einer meiner Chauffeure ihn an die Startadresse Ihrer Hin-Strecke. Wenn Sie morgen zum Flughafen gebracht werden, werden Sie die Gelegenheit haben, ihn kennenzulernen.“

      Die Flut an Überraschungen drohte mich wegzuschwemmen. Schon im Augenblick des Hörens verdrängte ich alles Unbehagen und entschied mich endgültig, all das zu machen, was mir eine Million einbringen würde. Und ich nahm innerlich Abschied von meiner Frau: „Bis bald, Beate“, fuhr es mir durch den Kopf.

      Steigbügel spannte sich die Kordel des Bademantels über den Bauch, strich sich die Strähne zurück auf die Glatze und reichte mir abschließend die Hand. Als ich aufstand, um ihm die meine hinzustrecken, fiel die Badehose herunter. Der alte Mann betrachtete stumm mein Glied und reichte mir den Bademantel.

      Nun saß ich im Taxi von der Hauptstadt Thimphu ins Gebirge und fror. Das Taxi war nicht geheizt und gleichzeitig nicht sonderlich neu, überall zog es durch. Ich hatte eine Liste mit Kapiteln in dem Aktenkoffer, den mir Steigbügel hatte zukommen lassen. Weiter hatte ich meinen Koffer mit Herbstkleidung. Und eine dünne Jacke. Die trug ich gerade. Den Herbst hatte ich hinter mir gelassen. Hier schien es eher Winter zu sein. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, dass das Königreich Bhutan ja auf der Nordhalbkugel lag und dort deshalb nicht der Frühling anbrach, wenn uns der Herbst gerade auf den Weg in den Winter schickte. Dazu kam, dass ich hier im Himalaya war, im höchsten Gebirge der Welt. Jedes Kind wusste, dass es im Gebirge ganzjährig kälter war als in der norddeutschen Tiefebene, wo Beate und ich wohnten. Der Winter hielt hier schlicht zwei Monate früher Einzug als bei uns. Steigbügel musste das einfach nicht bedacht haben, Bhutan hörte sich exotisch an und Exotik verbindet man nun mal mit besseren klimatischen Bedingungen als in Europa. Als Kind hatte ich mal eine Bhutan-Briefmarke gehabt und wollte unbedingt dorthin. Nun aber wünschte ich, er hätte mich auf eine Pazifikinsel geschickt, auf Hawaii oder ähnliches. Noch fuhren wir durch eine weite grüne Talsohle, aber ich wollte nicht wissen, wie ungemütlich es noch werden würde, schickte man mich in die Berge hinauf, deren ewiger Schnee mich mit seinem Leuchten aus ferner Höhe grüßte. An meinem Ziel sollte ich erfahren, wohin mein weiterer Weg mich führte. Daher ging ich davon aus, dass ich nicht dort bleiben würde. Mein Taxifahrer und Führer hatte Weisung, mich zu einem Hotel in meinem Zielort zu bringen. Alles verlief reibungslos. Immer wieder wusste jemand, wohin ich als nächstes gefahren oder geflogen werden sollte. Eines musste man Steinbügel lassen: Seine Mitarbeiter hatten alles akribisch vorbereitet.

      Gleich im Anschluss an meinen Vertragsabschluss im Saunabad hatte es Abendessen gegeben. Man hatte mir im Dienstbotenzimmer Schweinebraten mit Mayonnaise gereicht. Beilagen hatte es keine gegeben, aber das war mir ziemlich egal gewesen, so konnte ich mehr Fleisch essen, um das Maul meines Magens endgültig zu stopfen. Mein Gästezimmer war karg gewesen, hatte aber über einen Schreibtisch mit Lampe verfügt, über dem ich jedoch bald eingeschlafen war. Mitten in der Nacht hatte ich mich ins Bett geschleppt und nur wenige Stunden später war ich geweckt worden. Herr Mennering hatte mir das Badezimmer gezeigt und ich hatte gerade genug Zeit gehabt, um einen Happen zu frühstücken. Dann war ich in einen Mercedes gesetzt worden und der Chauffeur hatte mich in die nächste Großstadt zum Flughafen gefahren. Dort war ich gut betreut worden und nach zwei Stunden in das pünktlich abfliegende Flugzeug gestiegen.

      Ich war nie ein großer Reisender gewesen. Ich liebte das Reisen nicht besonders, aber ich hatte auch keine Flugangst. Mir fehlte lediglich etwas die Erfahrung mit Flugzeugen. Aber die Stewardess passte auf mich auf wie auf ein allein reisendes Kind. Als ich auf die Toilette musste und meinte, jemand habe sich darin eingeschlossen, zeigte sie mir, mit welchen Handgriffen man die Tür aufbrachte. Sie half mir beim unbequemen Essen auf dem Economy-Class-Sitz und stellte mir den Videoplayer so ein, dass ich den gewünschten Film sehen konnte. Später, als ich einnickte, verstellte sie meine Rückenlehne so, dass ich etwas mehr lag als saß.

      Erst mit dem Aufenthalt in den Emiraten kamen die Probleme. Da wurden meine Betreuer durch einen Transitausweis aus Plastik ersetzt. Also irrte ich mit dem Ausweis durch die endlosen Korridore und Hallen dieser Plastikwelt, mit ihren Shopping-Malls und sterilen Restaurants, ohne genau zu wissen, wo ich hin sollte. Da ich drei Stunden Aufenthalt hatte, konnte in den ersten zwei Stunden niemand etwas mit meinem Transitausweis anfangen. In der letzten Stunde aber gab sich jeder vom Flughafenpersonal unglaublich hilfsbereit. Jeder wollte mir den Weg weisen, was jedoch meinen vorläufigen Untergang bedeutete. Denn keiner wusste genau Bescheid. Ich rannte von einem Ende des Terminals zum anderen. Ich bettelte, dass man mich in den zweiten Terminal wechseln ließ, nur um dann nach aufwendigem Gezerre und Gesuche festzustellen, dass ich doch in den Ursprungsterminal musste. Ich fragte andere Fluggäste, die mir nicht helfen konnten, sondern die ich durch meine Fragerei eher selbst noch verwirrte, bis sie im Kollektiv das Flughafenpersonal bestürmten.

      Als ich mich vor einen Infostand stellte und mich weigerte, mich zu bewegen, bis ein Vorgesetzter kam und eine Lawine an Telefonaten los trat, an deren Ende man eine kleine Asiatin eigens dazu abstellte, mich zu meinem Gate zu begleiten, merkte ich, wie hungrig ich war. Das Bordessen war schon einige Stunden her. Damit kam die zweite Herausforderung. Ich hatte kein Bargeld dabei, auch meine Kreditkarte hatte mir Steigbügel verweigert. Ich bettelte meine Begleiterin an, aber sie lächelte mich nur mitleidig und befangen an und tat gar nichts.

      In einem Kiosk, wo es Zeitschriften auf Englisch, Arabisch und Russisch gab, Staubfänger aus dem Golf, Zigarettenstangen und Matroschkafiguren, klaute ich einen Schokoladenriegel und eine Cola. Die Asiatin sah es, duldete es jedoch. Die Währung, in der die Waren ausgeschrieben waren, war mir ganz und gar unbekannt und Preise von 20 Geldeinheiten für ein Stück Schokolade erinnerten mich an Vor-Euro-Zeiten. Um die Ecke verdrückte ich die Schokolade und kippte die Cola in meinen Rachen. Ich gab ein jämmerliches Bild ab. Meine Begleiterin nahm für die Dauer des Mahls einen gebührlichen Abstand zu mir ein.

      Kurz

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