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nein, nein. Ich war gerade dabei mich umzuziehen. Draußen geht ein Sturm. Es wird bald Abend. Es ist genau die richtige Zeit, um ein Bad zu nehmen, ein paar Züge zu schwimmen.“

      „Sie haben vollkommen recht. Ich werde Ihrem Gast alles Notwendige bereiten.“

      „Ja, bitte. Tun Sie das, Mennering.“ Er wandte sich an mich: „Sie haben Schwimmsachen dabei?“

      „Nein“, sagte ich. Zum ersten Mal betrachtete ich ihn. Er hatte ein großflächiges, breites Gesicht mit entsprechend großen Augen, war ziemlich hochgewachsen und ausgesprochen dick. Dennoch schien er sich in seinem Körper wohl zu fühlen. Er steckte in einem riesigen Bademantel und trug weiße Hausschuhe aus Plüsch. Das etwas längere Deckhaar hatte er sich über seine Halbglatze gelegt. Er hatte Koteletten und war ansonsten glatt rasiert. Nun kam er mit einladender Geste auf mich zu.

      „Steigbügel. Guten Tag. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt. Ich hoffe ebenfalls, unsere Sicherheitsschleuse hat Ihr Wohlbefinden nicht allzu sehr beeinträchtigt.“

      „Ganz und gar nicht“, log ich.

      „Und Sie haben wirklich keine Schwimmsachen dabei?“

      „Nein. Es tut mir leid.“

      „Dann muss ich Ihnen wohl eine Badehose leihen. Das macht Ihnen doch nichts aus. Sie ist auch frisch gewaschen, nicht wahr?“ Er sah seinen Diener grinsend an, und dieser grinste zurück und bejahte.

      Ich lächelte bemüht. „Nein, natürlich nicht.“

      „Dann lassen Sie sich von Mennering einkleiden.“

      Plötzlich meldete sich der Hunger wieder. Die zwei Scheiben Brot hatten nicht dauerhaft geholfen. Ich hätte lieber fürstlich zu Abend gegessen als zu baden, aber das war noch nicht möglich. Ich wagte es nicht, dem Millionär Widerworte zu leisten.

      „Bitte folgen Sie meinem Assistenten“, forderte mich der Millionär auf. Er erschien mir freundlicher und gelassener als am Telefon, viel freundlicher. Vielleicht bewirkte das die unmittelbar bevorstehende Vertragsunterzeichnung.

      Ich nickte und folgte dem Butler, den er Assistenten nannte. Wir liefen durch einen Flur mit purpurnem Teppich unter uns und altertümlichen Gemälden an den Wänden. Wir bogen noch zweimal ab und gelangten in ein kleines holzvertäfeltes Zimmer, an dessen Seitenwänden sich Wandschränke befanden.

      Einmal mehr forderte mich jemand auf, mich auszuziehen, aber Mennering war sehr viel diskreter als die übrigen Leute, die auf diesem Areal so herumschlichen. Er zog sich zurück, brachte eine grün-gelbe Slip-Badehose, legte sie mit abgewandten Augen vor mir auf die Holzbank und zog sich abermals zurück.

      Die Schwierigkeit war nun eine andere: Die Badehose passte mir nicht. Zwischen Herrn Steigbügel und mir lagen mindestens zehn Kleidergrößen. Was bei einem Oberteil wie Hemd oder Jackett noch nicht so ins Gewicht fällt, weil das Kleidungsstück irgendwie auf den Schultern hängen bleibt, ist bei einer Hose fatal. Die man mir gegeben hatte, suchte vergebens ein ausladendes Hinterteil, an dem sie Halt finden konnte. Hatte ich mir in den jungen Jahren öfter anhören können, dass ich keinen Arsch in der Hose hätte, war ich nun erstmals mit den Herausforderungen konfrontiert, die diese Tatsache mit sich brachte. Außerdem trug ich nie Slip-Hosen, egal welcher Sorte und Funktion, seit den Achtzigerjahren nicht mehr.

      Ich rief nach Mennering. Kurze Zeit später stand er vor mir und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich straffte die Badehose so, dass sie notdürftig alles verdeckte.

      „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er süffisant.

      „Mit einer Ihrer Badehosen.“ Mennerings Hinterteilumfang war irgendwo zwischen meinem und dem von Steigbügel anzusiedeln. Somit konnte man vielleicht wenigstens mit Klebeband oder Sicherheitsnadeln etwas machen.

      „Ich habe keine Badesachen hier“, gab er zurück.

      „Sie baden nie?“

      „Nicht hier. Hier badet ausschließlich Herr Steigbügel...Und seine...ähm...Nixen.“

      „Sie meinen, seine Krankenschwestern?“

      „So kann man es sagen, ja.“

      „Also keine andere Badehose für mich?“

      „Solche hier“, sagte er und deutete auf mein Feigenblatt aus Gummi. „Oder sehr enge String-Tangas.“

      Ich stutzte. „Na gut. Dann nehme ich diese, danke.“

      Er überlegte. „Ich kann Ihnen mit Sicherheitsnadeln helfen.“

      Mein Gedanke, dachte ich.

      „Sollte ich beim Schwimmen meine Arme brauchen“, sagte ich. „Würde mir das sicher sehr helfen.“

      Um seinen Mund spielte Belustigung. Schon wieder auf dem Sprung sagte er: „Ich bin sofort wieder da.“

      Er kam mit einem Paar Sicherheitsnadeln zurück. Respektvoll ließ er mich sie alleine anbringen. Sie hielten die Hose einigermaßen auf meinen Hüften.

      Mennering begleitete mich durch die Flure in einen anderen Teil des Schlosses. Ich steckte in einem Bademantel und Birkenstockschuhen und bewunderte im Vorbeigehen die zeitgenössischen Gemälde an den Wänden.

      Irgendwann kamen wir an eine Türe mit Glaseinsatz. Der Diener drückte sie auf. Hier war es wärmer als in den Fluren. Er nahm mir den Bademantel ab und drückte die nächste Türe auf. Hier war es unglaublich warm, beinahe heiß. Der Geruch von Chlor schlug mir entgegen und ein heftiges Wasserplätschern.

      „Ich lasse Sie beide jetzt allein“, flüsterte mir der Butler zu und entschwand.

      Ich prüfte die Befestigung meiner Badehose.

      Vor mir standen ein paar blaue Liegen auf beigefarbenen Kacheln. An den Wänden gab es Mosaike im römischen Stil. Die Decke war gewölbt und mit Streben wie in einer gotischen Kirche versehen. Gedämpftes Licht reflektierte von der Wasseroberfläche an die Decke.

      „Da sind Sie ja“, hörte ich die Stimme von Steigbügel.

      Mir fiel nichts anderes ein als ein schlichtes „Ja.“

      Ich sah genauer hin und erblickte ihn. Er befand sich im Wasser. Er lag in einem übergroßen Schwimmring aus rotem Kunststoff und winkte mir zu. Auf mit den eigenen Händen aufgewühlten Wellen schaukelte er hin und her.

      „Kommen Sie ins Wasser“, sprach er euphorisch. „Es ist auch nicht kalt. Ich verspreche es Ihnen.“

      Dampf stieg vor mir auf und hüllte ihn zeitweise ein.

      Durch eine riesige Glaswand konnte man die Nacht hereinbrechen sehen. Regen peitschte gegen die Scheibe. Man sah hinaus auf eine ausufernde Parkanlage: Kleinere, steingefasste Seen, lange Hecken, Bäume. Die Wolken dahinter verschluckten den Tag.

      Ich trat an den Beckenrand. In meinem Augenwinkel sah ich eine Bewegung, also drehte ich den Kopf und erschrak. In einer Ecke stand ein Mann. Dieser war in einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Fliege gekleidet. Obwohl er ein Stück entfernt war, konnte ich drei Dinge feststellen: Er war nicht besonders groß, er war äußerst gut gebaut und es handelte sich um einen kraushaarigen Mulatten. Ich hatte gehofft, der Millionär würde mich wenigstens hier vor seinem Personal verschonen. Als bräuchte er nach all den Sicherheitschecks noch einen Bodyguard.

      „Kommen Sie. Ziehen Sie ein paar Bahnen.“

      Ich konnte zweifelsfrei erkennen, dass es sich um ein rundes Schwimmbecken handelte.

      „Passt Ihnen meine Badehose?“ Er paddelte so, dass der Schwimmring sich im Kreis drehte und er sich mit.

      „Wie angegossen“, sagte ich und streckte vorsichtig meinen Fuß ins Wasser.

      „Da bin ich ja froh“, sagte er. „Ich hatte Sie ein wenig schlanker eingeschätzt als mich.“

      Das Wasser war heißer als heiß. Ich fragte mich, wie er es darin aushielt.

      „Wenn

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