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Winterwahn. Wolfe Eldritch
Читать онлайн.Название Winterwahn
Год выпуска 0
isbn 9783742779588
Автор произведения Wolfe Eldritch
Жанр Языкознание
Серия Weltengrau
Издательство Bookwire
Letztendlich machten sie sich zu fünft auf die bittere Heimreise. Da hatten sie noch die Pferde, aber sonst auch nichts. Der Tross war in den Flammen vergangen, ebenso wie beinahe vierhundert Männer und zahllose dieser grobschlächtigen Wilden. Ein Tag in der Hölle des Todes und des Feuers, dem eine gefühlte Ewigkeit in der Hölle der Kälte und Trostlosigkeit folgte. Und bald auch der des Hungers. Ihr Proviant war verbrannt und die Tundra bot kaum genug für ihre Pferde. Ab und an sahen sie ein paar scheue Kaninchen, aber niemand hatte einen Bogen oder eine Armbrust retten können. Doch die Natur tat ihren Dienst, wie sie es immer tat.
Das zurückliegende Grauen hatte die Männer zutiefst traumatisiert und verstört, jedenfalls galt das für die anderen. Der Hunger zehrte an ihren physischen Kräften und die Kälte tat ihr Übriges. Als der Erste von ihnen starb, ordnete er an das Pferd zu schlachten und ließ das Fleisch aufteilen. Sie konnten es nicht konservieren, aber es war auch wahrlich niemand mehr sonderlich wählerisch, was Nahrung anging. Wasser aus Pfützen und kleinen Bächen, mehr oder weniger frisches Pferdefleisch, Wurzeln und vereinzelte Beeren, das war ihr neuer Proviant auf ihrer Reise durch die Hölle. Sie aßen nach und nach die Pferde und begruben ihre Brüder.
Nun, jedenfalls taten sie das, bis sie nur noch zu zweit waren. Irgendwann wurde der Hunger unerträglich und er tötete den anderen in der Nacht. Dieses Mal war er nicht so verschwenderisch, den Mann zu beerdigen. Fleisch war Fleisch. Dadurch lebte das Pferd eine weitere Woche, bevor er es schlachtete. Sein eigenes Pferd zu töten widerstrebte ihm so sehr, dass er fast noch einmal drei Wochen durchhielt. Oder vielleicht kam es ihm auch nur so lange vor. Zeitgefühl schwindet schnell. Dann brach sich das erschöpfte Tier ein Bein und nahm ihm die Entscheidung ab.
Wie lange war das jetzt her? Tage? Wochen? Er wusste es nicht. Seit einiger Zeit schleppte er sich nur noch instinktiv nach vorne, solange er konnte. Dann rollte er sich zusammen und ruhte, suchte sich irgendetwas, um darauf herumzukauen, und wenn es nur Grasbüschel waren, und ging weiter, sobald er die Kraft dazu fand. Kapitulation war keine Option. Niemals.
Er hörte das leise Rumpeln des Wagens hinter sich und weigerte sich eine ganze Weile, darauf zu reagieren. Er hatte in letzter Zeit des Öfteren Dinge wahrgenommen, die nicht da waren. Geräusche, Gerüche. Hufschläge, die nicht da waren, Stimmen, die Geistern gehörten. Das Stöhnen der Wiedergänger, das Knistern, wie das Feuer ihr Fleisch verbrannte, die Schreie der sterbenden Brüder. Der Geruch von verwesenden Leichen und gebratenem Fleisch. Und nicht zuletzt das grauenvolle Flüstern des Nekromanten in seinem Kopf, ein Nachhall dessen, was er wahrgenommen hatte, als die Welle unheiliger Magie durch ihn hindurchgefahren war. Bevor die Leichen der Gefallen sich erhoben und seine Männer abgeschlachtet hatten.
Doch das Rumpeln blieb hartnäckig und seine Kraft war am Ende, so hielt er schließlich seufzend an. Er drehte sich langsam um und erstarrte. Es war natürlich möglich, dass ihn seine Augen trogen, aber das Bild war im Grunde zu unspektakulär, um eine Sinnestäuschung zu sein. Ein schlichter Zweispänner, gezogen von zwei Ochsen, die offenbar in keinem viel besseren Zustand waren als er selbst. Bauern, einfacher Pöbel aus den Grenzlanden. Was auch immer sie hinausgetrieben hatte, sie fuhren in seine Richtung. Und dort gab es nichts außer der Ordensburg. Er musterte die Gestalten auf dem Fahrzeug. Der Mann war in mittleren Jahren, ein kleiner, kräftiger Kerl mit einer hässlichen Visage und schütterem Haar. Hinten im Wagen sein Weib und ein kleineres Gör, wie es aussah.
Sein Blick wurde magisch von dem kleinen, goldgelockten Engel angezogen, der neben ihm auf dem Bock saß. Er spürte, wie neue Kraft in seine Glieder floss, und merkte zugleich, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Selbst auf diese Entfernung sah das Mädchen bezaubernd aus.
Langsam und mit großem Kraftaufwand hob Baldric von Dunstan den rechten Arm und winkte den Reisenden bedächtig entgegen. Der Alte erwiderte seinen Gruß und mit einem dünnen Lächeln sah Baldric verzückt, dass auch Goldlocke ihm winkte. Vielleicht gab es doch einen Gott.
Ein erschreckender Gedanke.
2. Kapitel 1
Krakesten
Der weitläufige Obstgarten von Burg Krakesten schimmerte noch immer in goldener und roter Pracht. Selbst das düstere, diesige Grau dieses frühen Nachmittages vermochte dem Farbenspiel kaum etwas von seinem Zauber zu nehmen. Der Herbst war in diesem Jahr früh hereingebrochen, ungewöhnlich kalt, und machte den Eindruck, nicht lange bleiben zu wollen. Fast schien es, als ob er den nahenden Winter fürchtete. Gut die Hälfte des Blattwerkes hing noch an den allmählich kahlwerdenden Ästen der zahllosen Apfel- und Kirschbäume. Die gefallenen Blätter verwandelten die nähere Umgebung der alten Festung derer von Krakebekk in einen See aus Winterfeuer.
Wenn doch alles so prachtvoll sterben würde, dachte Ragnar Oelskegg grimmig. Aber das tat es nicht, und der Anblick der Bäume war das einzig Schöne, das man derzeit in dem Jarltum zu Gesicht bekam. Bei seiner Ankunft aus Krakeborg, der nahe gelegenen Hauptstadt, hatten ihn die Köpfe auf den Zinnen des Tores der Burg nur zu deutlich daran erinnert, wie es um seine Heimat stand. Hier, im großen Garten, war er wenige Augenblicke zuvor in der Nähe des kleinen Friedhofes vorbeigekommen, in dem seit einigen Wochen die junge Herrin in der kalten Erde lag. Ebenfalls nicht auf so liebliche Art und Weise verschieden, wie es die Natur gerade tat. Mit der Klinge eines Attentäters aus dem Leben geschnitten, kaum dass sie ihrer Tochter das Leben geschenkt hatte. Damit war das Unheil über Krakebekk hereingebrochen, das sich jetzt in Form von gut zwei Dutzend abgeschlagener Köpfe manifestierte, die auf den Zinnen des Haupttores von Burg Krakesten thronten. Seit der dunklen Zeit der Regentschaft von Nantes dem Tier hatte es so etwas nicht mehr gegeben.
Ragnar war seit über fünfzehn Jahren der Majordomus der Festung und hatte in Abwesenheit des Jarls ebenso lange als dessen Stellvertreter gedient. Meist war das nur während der alljährlichen Besuche des Herrn auf dem Festland am Hof des Königs nötig gewesen. Diese Zeit hatte ein Ende haben sollen, da der Gemahlin des Jarls diese Aufgabe zukünftig zufiel. Eine Rolle, die sie in diesem einen Jahr auch vortrefflich ausgefüllt hatte. Doch dann war sie vor wenigen Wochen dem Attentat zum Opfer gefallen. Ragnar hatte die Entwicklung zuvor durchaus willkommen geheißen. Er widmete sich seiner Tätigkeit als Majordomus der Heimstatt der Familie von Krakebekk mit Freude und Hingabe, aber die Abwesenheit des Jarls war ihm immer unangenehm gewesen. Als zu groß empfand er während dieser Zeit die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastete. Er war kein Führer und Regent, er war ein einfacher Mann, der gut organisieren konnte und über einen außergewöhnlich schnellen und scharfen Verstand verfügte. Sein Gedächtnis war außerordentlich ausgeprägt, sein Ehrgeiz dagegen unterdurchschnittlich entwickelt. Gleiches galt für seine Eitelkeit. Das machte ihn zum perfekten Vasallen und Diener eines Herrn, eine Tatsache, derer er sich wohlbewusst war, und die er nicht als Schwäche betrachtete.
Er stammte aus einem der ältesten Geschlechter Huskarlar derer von Krakebekk. Als junger Mann hatte er noch unter Waffen gedient, aber in der zweiten Hälfte seines Lebens bevorzugte er die Wolle vor dem Leder und der Kette. Das Schwert an seiner Hüfte war mittlerweile mehr Schmuck als Werkzeug. In früheren Jahren hatte er sich den Respekt seiner Zeitgenossen mit der Waffe am Wall erkämpft, danach mit Zuverlässigkeit und ebenso tiefem wie breitem Wissen um die Belange des Jarltums und Norselunds. Dieser Winter würde nun sein Dreiundfünfzigster werden, und er konnte sich nicht daran erinnern, je einen so düsteren erlebt zu haben. Und damit dachte er nicht an den beinahe schieferfarbenen Himmel und die biestige Kälte, die schon so früh im Jahr herrschte. Vielmehr hatte er die blutigen Köpfe vor Augen, welche die Besucher von Burg Krakesten begrüßten. An die Köpfe und das, wofür sie standen, an die schreckliche Zukunft, die sie versprachen.
In einiger Entfernung erkannte er einen der Nebeneingänge zur Burganlage und drosselte seinen Schritt. Er fuhr sich mit den Händen durch das schütter werdende, graublonde Haar und strich es nach hinten, wo es ihm über die Schultern des gefütterten Mantels fiel. Er sammelte sich innerlich und versuchte sich zu entspannen. Die letzte Zeit war für ihn in vielerlei Hinsicht belastend. Er führte seit der Beerdigung des jungen Weibes seines Herrn das Jarltum praktisch