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Mamma nicht dazu überreden lassen sollen. Ich bin eben kein Modezeichner.“

      Plötzlich musste Joel wieder an den Anruf seines Bruders denken, der ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte. Natürlich war er sofort nach Hause gefahren, um seiner Mutter beizustehen. Diese war völlig verzweifelt gewesen und gab sich selbst die Schuld an dem Unglück. Sie wusste, wie schwer ihr Mann in den letzten Monaten an der neuen Kollektion gearbeitet hatte. Immer später war er abends nach Hause gekommen, um die geplante Frist einzuhalten. Und statt ihn zu bremsen, wie sie es eigentlich hätte tun sollen, hatte sie seine Überstunden einfach stillschweigend akzeptiert. Für sie war es nichts Neues gewesen, denn schon immer war sein Vater ein Workaholic gewesen. Selbst als seine Kinder noch klein gewesen waren, hatte er viel Zeit in seiner Fabrik verbracht. Hatte sogar das Fabrikgebäude ganz in der Nähe seines Hauses bauen lassen, sodass er problemlos zu Fuß hin- und zurückgehen konnte. Tja, und all dies hatte sich am Ende gerächt. Trotzdem litt seine Mutter bis heute unter großen Schuldgefühlen.

      Zum Glück für seinen Vater war er nicht allein, sondern mitten im Gespräch mit seiner Buchhalterin Ariadne Steinmeyer gewesen. Diese hatte sofort den Notarzt gerufen und Erste Hilfe geleistet. Ohne ihren schnellen Einsatz wäre es für Valenzo de Luca wohl nicht so gut ausgegangen. Sondern er wäre an diesem Tag gestorben.

      Inzwischen konnten er und seine Familie aber wieder aufatmen. Zur Freude aller hatte sich sein Vater erholt und befand sich nicht mehr in Lebensgefahr. Trotzdem würde es noch eine Weile dauern, bis dieser wieder arbeiten konnte. Aus diesem Grund kümmerten sich Joel und sein Bruder, inzwischen seit zwei Monaten, um die Leitung der Fabrik. Oder besser gesagt er, denn Juan studierte zurzeit in München Modemanagement. Dieser hatte zwar angeboten, sein Zweitstudium abzubrechen, um sich ganz der Firma widmen zu können, aber Joel war dagegen gewesen. Gut, sein Bruder hatte gerade erst mit seinem neuen Studiengang begonnen, doch er wusste, wie wichtig ihm dieser Lehrgang, zusätzlich zu seinem Abschluss in Modedesign, war. Außerdem würde Joel ja nur vorübergehend mit der Arbeit in der Fabrik beschäftigt sein. Nur so lange, bis sein Vater die Leitung wieder übernehmen konnte.

      Ein plötzliches Klopfen an der Tür riss Joel aus seinen Gedanken. Noch bevor er „Herein“ rufen konnte, ging diese auf und die Buchhalterin der Fabrik, Ariadne Steinmeyer, kam herein. Wie immer trug sie ein hochgeschlossenes Kostüm, während ihre rotblonden Haare zu einem festen Dutt zusammengebunden waren. Neugierig lehnte sich Joel in seinem Stuhl zurück und sah die junge Frau an. Ich würde sie wirklich gerne einmal mit offenen Haaren sehen, ging es ihm durch den Kopf. Als er jedoch bemerkte, wie sie ihn mit ihren braunen Augen wütend anfunkelte, schob Joel diesen Gedanken beiseite und atmete tief durch. Scheinbar hatte er wieder etwas angestellt.

      „Herr de Luca, wir müssen uns dringend unterhalten“, sagte sie schroff. „So geht es einfach nicht.“

      Mit schnellen Schritten kam sie auf Joel zu und reichte ihm ein Blatt Papier. Nur kurz überflog er die aufgeschriebenen Zahlen, dann wandte er sich Ariadne wieder zu, die mit verschränkten Armen vor seinem Tisch stehen geblieben war. Trotz ihres strengen Auftretens und ihrer eher unscheinbaren Kleidung konnte Joel nicht leugnen, dass ihm die junge Frau gefiel. Leider beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit. Im Gegenteil, alle Versuche, die rechte Hand seines Vaters besser kennenzulernen wurden von ihr konsequent ignoriert, sodass er es schließlich aufgegeben hatte.

      „Wollen Sie sich nicht erst einmal hinsetzen“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen und zeigte auf den gegenüberstehenden Stuhl. „Dann können wir in Ruhe über das Problem sprechen.“

      Wütend sah Ariadne Joel weiter an. Sie ließ sich von seinem Charme nicht einwickeln und blieb stehen. Schon früher hatte sie nicht viel von Joel gehalten, doch jetzt reichte es wirklich. Langsam, aber sicher hatte sie genug von der Arbeitsweise ihres jungen Chefs. Seit dieser vor zwei Monaten die Leitung übernommen hatte, waren die Ausgaben deutlich gestiegen. Sie konnte einfach nicht zulassen, dass Joel de Luca mit seiner Arbeitsweise das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten brachte. Sie hatte sowieso nicht verstanden, warum ausgerechnet er mit der Leitung der Fabrik betraut worden war. Als Leiter der de-Luca-Designfabrik war er eine absolute Fehlbesetzung. Davon war Ariadne fest überzeugt. Seit seinem Abschluss hatte er sich in der Fabrik nicht mehr blicken lassen, sondern war lieber planlos durch die Welt gereist. Natürlich auf Kosten seiner Eltern. Tja, und jetzt? Jetzt verbrachte er die meiste Zeit damit, sich an die weiblichen Angestellten heranzumachen. Sogar sie hatte er am Anfang zum Essen eingeladen. Als würde ich mich freiwillig mit so einem Mann einlassen, dachte sie angewidert.

      „Herr de Luca, ich bin nicht hierhergekommen, um erneut über das Problem zu sprechen“, antwortete Ariadne wütend. „Ehrlich gesagt habe ich es satt, jede Woche das Gleiche zu erzählen. Seit Ihr Vater im Krankenhaus ist und Sie die Leitung übernommen haben, sind die Materialausgaben deutlich gestiegen. Wenn das so weitergeht, ist die Firma bald in finanziellen Schwierigkeiten.“

      Frustriert stöhnte Joel auf. Nicht schon wieder. Zwar sah die junge Frau ziemlich süß aus, wenn sie so wütend vor ihm stand, trotzdem konnte und wollte er ihr dieses Verhalten nicht länger durchgehen lassen. Schon seit Wochen kam sie ständig in sein Büro, um mit ihm über die Ausgaben zu sprechen, und langsam hatte er genug. Als würde die Firma pleitegehen, nur weil ich ein paar exklusivere Stoffe bestellt habe.

      „Ariadne, ich denke, Sie machen sich zu viele Sorgen“, sagte er leicht gereizt. „Ich weiß schon, was ich tue. Außerdem sollten Sie nicht vergessen, dass ich im Moment Ihr Chef bin. Vielleicht sollten Sie sich daher in Ihrer Wortwahl etwas zurücknehmen.“

      Statt auf diesen wohlgemeinten Rat einzugehen, funkelte Ariadne Joel nur weiter wütend an.

      „Ich habe nur einen Chef, und das ist Ihr Vater. Er hat mich damals eingestellt, damit ich mich um die Finanzen kümmere. Das tue ich nun schon seit einigen Jahren, während Sie nichts anderes getan haben, als das Geld Ihrer Familie auszugeben. Ich weiß nicht, warum Valenzo ausgerechnet Ihnen die Leitung übertragen hat, schließlich haben Sie gar keine Ahnung von diesem Geschäft. Aber statt mit mir zusammenzuarbeiten und meine Vorschläge anzunehmen, geben Sie nur noch mehr Geld für irgendwelche teuren Stoffe aus. Dabei haben wir schon seit Jahren einen viel günstigeren Anbieter, der uns mit Jeans-, Jersey-, Samt- und Seidenstoffen beliefert.“

      Im ersten Moment verschlug es Joel die Sprache. Natürlich war ihm längst klar gewesen, dass sie nicht sehr gut auf ihn zu sprechen war. Doch, dass sie ihn für einen Schmarotzer hielt, der sich von seinen Eltern aushalten ließ, war ihm neu. Wie kommt diese Frau dazu, so über mich zu sprechen, dachte er wütend. Sie kennt mich doch gar nicht. Plötzlich wurde Joel bewusst, dass er selbst an diesem Bild nicht ganz unschuldig war. Bis auf seine beiden Geschwister wusste niemand aus der Familie, womit er wirklich sein Geld verdiente. Kein Wunder also, dass es so aussehen musste, als würde er den ganzen Tag nur auf der faulen Haut liegen. Trotzdem, wenn sich jemand über seinen Lebenswandel aufregen dürfte, dann doch wohl seine Familie, und Ariadne gehörte eindeutig nicht dazu.

      „So, Sie glauben also, ich hätte keine Ahnung, wie man diese Firma führt“, sagte Joel gefährlich leise und stand auf.

      Seine anfängliche Gereiztheit hatte sich inzwischen in echte Wut verwandelt. So musste er wirklich nicht mit sich reden lassen.

      „Nur zu Ihrer Information“, sagte er hart und stellte sich genau vor die junge Frau, die nun hochschauen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. „Und obwohl es Sie eigentlich gar nichts angeht, ich habe durchaus einen Abschluss in Modedesign. Somit bin ich sehr wohl qualifiziert, hier in der Fabrik die Leitung zu übernehmen. Es mag ja sein, dass ich in den letzten Jahren nicht oft in Dornbirn war, aber das geht Sie überhaupt nichts an. Wahrscheinlich denken Sie, dass niemand Ihnen hier etwas anhaben kann, da Sie die Lieblingsmitarbeiterin meines Vaters sind. Aber ich gebe Ihnen einen guten Rat, halten Sie sich etwas zurück. Ich habe kein Problem damit, wenn Sie mir die aktuellen Zahlen vorlegen. Nicht einmal, wenn Sie mich immer wieder an meine höheren Ausgaben erinnern. Immerhin ist das Ihr Job. Doch ich werde es nicht tolerieren, wenn Sie anfangen, in der Firma über mich herzuziehen, und vielleicht sogar die anderen Mitarbeiter gegen mich aufstacheln. Und jetzt verschwinden Sie.“

      Kaum hatte Joel zu Ende gesprochen, klopfte es erneut

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