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Arbeit zugeschüttet, um nicht mitkommen zu müssen. Und bei deiner hat er tagelang kein Wort gesprochen, sondern ist nur jeden Tag zu Mayas Grab gefahren. Ich weiß nicht, wie er reagieren wird, wenn er jetzt von dem Baby erfährt. Im Moment brauche ich Juan hier. Wir stecken mitten in einer Krise und ich möchte nicht, dass er sich verkriecht.“

      Alexander nickte und auch die beiden anderen Männer versprachen, Ronjas Schwangerschaft vor Juan nicht zu erwähnen. Erleichtert atmete Joel aus und sah seine Cousins an, deren Mienen wieder einen ernsten Ausdruck angenommen hatten. Natürlich fühlte er sich schuldig, dass er die anderen um diesen Gefallen gebeten hatte, doch er wollte seinem Bruder im Moment weiteren Schmerz ersparen. Er würde schon noch früh genug von dem neuen Familienmitglied erfahren. Und dann wird man Juan wahrscheinlich wochenlang nicht mehr zu Gesicht bekommen, dachte Joel traurig. Aber leider konnte er Juan nicht helfen. Schon so oft hatte er es versucht. Doch immer wenn er Maya erwähnte, mauerte sein Bruder sofort. Sein Schmerz saß einfach noch zu tief.

      Einige Minuten später ging die Tür auf und Juan kam herein. Kurz begrüßte er seine Cousins und seinen Bruder, dann überreichte er allen eine Mappe und setzte sich hin.

      „Tut mir leid, dass ihr warten musstet“, begann er das Gespräch und sah sich in der Runde um. „Ariadne und ich sind gerade erst fertig geworden“, sagte er ernst und zeigte auf die Mappen. „Leider habe ich keine guten Nachrichten. Wenn ihr euch die Grafiken anschaut, werdet ihr wissen warum.“

      Verwirrt sahen sich Alexander, Raphael und Christian die Unterlagen an. Auch Joel warf einen kurzen Blick auf die Zahlen. Es ist sogar noch schlimmer als befürchtet, dachte er erschrocken. Die Zahlen der letzten zwei Wochen sahen sogar noch schlechter aus.

      „Was hat das zu bedeuten?“, wandte sich Alexander als Erster an Juan, nachdem er sich einen kurzen Überblick verschafft hatte.

      „Da ich gerade Semesterferien habe, hatte ich Zeit, mir die Verkaufszahlen anzuschauen. Wir haben im Studium gerade einige Punkte zum Thema Modetrends durchgenommen und ich wollte diese Informationen anhand unseres Unternehmens prüfen. Beim Durchgehen der Zahlen ist mir aufgefallen, dass sie in letzter Zeit deutlich gesunken sind. Aus diesem Grund wollte ich eure Daten haben. Leider musste ich feststellen, dass nicht nur bei uns die Verkaufszahlen sinken. Nur sind eure Filialen in Deutschland noch nicht so stark betroffen.“

      Fassungslos sah Alexander wieder auf die Papiere, während sich Raphael und Christian sprachlos anschauten.

      „Das ist aber noch nicht das Schlimmste“, sprach Juan weiter und alle Blicke richteten sich sofort wieder auf ihn.

      „Was kann denn noch schlimmer sein?“, wollte Alexander wissen, der noch immer nicht glauben konnte, was er gerade erfahren hatte.

      „Das Internet“, warf Juan ein. „Ich habe mir gestern unsere Firmenseite im Internet angeschaut. Es war schrecklich. Lauter negative Kommentare. Wir werden beschuldigt, Geld auf Kosten unschuldiger Tiere zu verdienen. Andere behaupten, wir würden unsere Kollektionen billig im Ausland produzieren, um möglichst viel Gewinn zu machen.“

      Ungläubig sah Joel seinen Bruder an. Kein Wunder, dass immer weniger Leute den Fabrikverkauf nutzen, dachte er erschrocken. Plötzlich fand er die Idee mit dem neuen Label nicht mehr so gut. Im Gegenteil, dadurch würde alles vielleicht noch schlimmer werden. Einige Kunden könnten denken, dass die Kleidungsstücke wirklich im Ausland produziert und nur wegen der Beschwerden plötzlich günstiger angeboten werden. Trotzdem, er konnte die plötzlichen Anfeindungen nicht verstehen. Seit Jahren wurden ihre Kollektionen angeboten und waren immer sehr beliebt gewesen. Warum hat sich das plötzlich geändert?

      Als Joel wieder zu den anderen hinschaute, hatte Christian das Wort ergriffen.

      „… erklären, wieso auf der Farm die Tierschützer aufgetaucht sind. Dort soll gerade ziemliches Chaos herrschen. Es musste sogar schon die Polizei gerufen werden, weil ein paar von ihnen versucht haben, in die Kaninchenhallen einzubrechen. Aber ich verstehe das nicht. Wir halten alle Vorgaben zur fachgerechten Haltung der Angorakaninchen ein. Sie sind in Gruppen untergebracht und haben genügend Auslauf. Sogar bei der Wollgewinnung sind wir sehr vorsichtig und haben erst vor Kurzem auf neue Rasierer umgestellt. Wir beschäftigen sogar einen eigenen Tierarzt, der sich um die Gesundheit der Kaninchen kümmert.“

      „Wenn ihr mich fragt, ist das nur eine Hetzkampagne“, warf Raphael ein. „Jemand versucht uns zu schaden, in dem er Lügen über das Unternehmen verbreitet. Besonders in Deutschland sind wir ziemlich gut aufgestellt. Möglicherweise sind wir jemandem im Weg.“

      „Mag sein“, sagte Alexander wütend und legte die Mappe zur Seite. „Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von unseren Konkurrenten nichts Besseres zu tun hat, als auf unseren Webseiten Lügen zu verbreiten. Das ist doch verrückt.“

      Joel hatte genug gehört. Dieser Streit würde sowieso nirgendwohin führen.

      „Natürlich müssen wir herausfinden, was dahintersteckt“, gab er zu. „Doch im Moment haben wir ein ganz anderes Problem. Wenn uns nicht schnell etwas einfällt, dann ist die de-Luca-Linie am Ende. Wir müssen dringend etwas tun.“

      „Mein Bruder hat recht“, stimmte Juan ihm zu. „Hat jemand eine Idee?“

      Tief atmete Joel durch und dachte nach. Soll ich ihnen von meiner Idee erzählen? Eine ganze Weile wog er die Vor- und Nachteile ab, doch am Ende entschied er sich dafür. Was haben wir jetzt noch zu verlieren, dachte er angespannt. Und mit ernsten Worten berichtete Joel den anderen von seinem Plan mit dem neuen Label.

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