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des Lichts oder zu einem Dämon der Finsternis. Wenn wir sie auf ihrem Weg begleiten und sie behutsam führen, liegt es in unseren Händen, ob sie zur Hoffnung oder zum Fluch für uns Menschen wird.“

      „Also willst du sie schulen?“

      Bergos nickte entschlossen. „Mit deiner Hilfe. Ich vermag ihr das Wesen der Aura zu vermitteln, aber du musst dies bei den Fähigkeiten einer Baumhüterin tun. So können wir sie gemeinsam auf dem richtigen Weg halten, wenn sich ihre Kräfte entwickeln.“

      „Eolanee ist ein kleines Mädchen. Sie hat grausames erlebt. Ihre Eltern sind tot, ebenso ihre Freunde und jene Menschen, die sie kannte. Diese Last ist groß und kann ihre Seele in Finsternis stürzen.“ Neredia wandte sich dem Geländer zu und blickte zu den nächsten Kegelbäumen hinüber. In diesen Stunden der Nacht wirkte das Tal besonders friedvoll. „Sie sollte bei einem Paar aufwachsen, das sie liebevoll umsorgt und ihre kleine Seele vor weiterem Schaden bewahrt.“

      „Das wird sie.“

      „Ich meine nicht dich und mich, Bergos Ma´ara´than, und das weißt du genau.“

      „Dennoch können wir sie mit unserer Liebe umsorgen.“

      „Ich weiß, dass viel Liebe zu den Menschen in deinem Herzen ist, Bergos.“ Neredia seufzte vernehmlich. „Aber Eolanee sollte nicht die Kräfte der Macht erlernen, sondern ein unbeschwertes Kind sein, dass wieder Lachen kann.“

      „Du hast Recht, Neredia, Hüterin der Bäume.“

      „Es ist nicht richtig, ihr ein glückliches und unbeschwertes Leben zu verweigern.“

      „Auch darin stimme ich dir zu.“

      „Und dennoch willst du Eolanee schulen?“

      „Dennoch will ich es tun.“

      Dieses Mal klang Neredias Seufzer besonders schwer. „Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich mit meinen Kräften zu unterstützen. Vielleicht vermag ich als Frau ein wenig von dem Schaden zu mildern, den du als Mann sicher bei dem armen Kind anrichten wirst.“

      „Dann ist es beschlossen?“

      Die Baumhüterin nickte.

      Bergos atmete erleichtert auf. „Dafür danke ich dir.“

      „Lass mich nun zu Eolanee gehen. Sie ist im Haus einer guten Familie, im Schutz eines starken Baums, aber sie hat sich völlig in sich zurückgezogen. Meist kauert sie in einer Ecke und zittert. Nur mir gegenüber öffnet sie sich ein wenig und lässt sich von mir füttern. Vielleicht, weil ich ebenfalls aus Ayan bin und sie mich gut kennt. Sie hat nicht einmal die Kraft zu weinen, Bergos. Ich weiß nicht, ob Eolanee jemals wieder zu sich finden wird. Sie wird alle Liebe brauchen, die man ihr geben kann.“

      „Die wird sie bekommen. Lass uns zu ihr gehen, ich werde dich begleiten. Es war meine Hand, die sie im Dornbusch ergriffen hat. Vielleicht vermag ich auch ihr Herz zu ergreifen.“ Bergos leckte sich über die Lippen und sah Neredia zögernd an. „Doch bevor wir nun zu Eolanee gehen, will ich dich warnen. Nicht jeder Enoderi wird darüber glücklich sein, dass Eolanee einmal etwas ganz besonderes sein wird.“

      Kapitel 3

      Der Mann erreichte den Kamm des Hügels und zügelte erleichtert seine Reitechse. Die scharfkantige Gebissklinge schob sich gegen die Maulwinkel des Reptils, welches leise fauchte und folgsam anhielt. Reiter und Echse waren gleichermaßen mit Staub bedeckt, der die Farben verwischte und die kupferfarbene Haut von Stort-Valkar mit einem stumpfen Graubraun bedeckte. Etwas Schweiß sickerte über seine Stirn und Wangen und zog Furchen in den Schmutz. Er beugte sich im Sattel vor und schlug beruhigend gegen die Flanke des Reittiers. Die große Echse war unruhig, denn sie spürte die Nähe des heimischen Pferches und der Weibchen. Die Flanken zitterten unmerklich und der lange muskulöse Schwanz peitschte die Luft, während die Echse auf ihren kräftigen Hinterbeinen weit vorgeneigt stand.

      Stort-Valkar ritt einen besonders großen und kräftigen Bullen. Er hatte die doppelte Größe eines Pferdes und sein gedrungener Körper war sicherlich weitaus schwerer. Die geschuppte Haut zeigte braune und grüne Streifen. Nur der Kehlsack schimmerte, wie bei allen Männchen, in einem kräftigen Rot. Die Farben ließen ein Rep nahezu mit der Landschaft verschmelzen, dennoch dienten sie nicht der Tarnung. Die Reptilien hatten keine natürlichen Feinde und waren auch keine Beutejäger. Ihre scharfen Gebisse und Klauen dienten dazu, fette Maden aus dem Wüstensand zu graben oder untereinander erbitterte Konkurrenzkämpfe auszutragen. Storts Bulle hechelte und die dicke Zunge glitt hektisch vor und zurück, um den Wärmehaushalt der Echse auszugleichen. Die geschuppte Haut erlaubte es den mächtigen Wesen nicht, zu schwitzen.

      Reps, wie jenes, auf dem Stort ritt, waren schwer zu fangen und noch schwerer zu zähmen. Man musste sie als Jungtier einfangen und ihnen sofort die stählerne Kandare ins Gebiss legen. Waren sie schon größer, dann musste ein Mann schon vollkommen verrückt sein, sich einem wilden Rep ohne Not zu nähern. Sie lebten in kleinen Rudeln, waren sehr schnell, tückisch und äußerst wehrhaft. Ein Schlag ihres Schwanzes konnte einem Mann die Knochen brechen. Die Hinterbeine wiesen gefährliche Krallen auf und die schlanken, fast zierlich und nutzlos wirkenden Vorderläufe waren mit tödlichen Klauen versehen. Lange Reißzähne wurden im breiten Maul sichtbar, als das Rep seinen Kopf herumwarf und den Reiter aus gelben Schlitzpupillen ansah.

      Erneut schlug Stort-Valkar gegen die Flanke. „Ruhig, Kralle. Ich weiß, du willst ebenso nach Hause, wie ich. Du witterst das Wasser, nicht wahr? Und deine Weibchen. Aber gedulde dich noch ein wenig.“

      Stort-Valkar war ein großer und kraftvoller Mann. Seine Zöpfe waren vom Alter ergrünt, aber er hielt sich noch gerade im Sattel. Während er sich bedächtig umsah, strich er über seinen rechten Schenkel. Die alte Narbe schmerzte wieder. Eine Folge des langen Ritts und ein Zeichen dafür, dass das Wetter bald umschlagen würde.

      Stort war der Führer der südlichen Berengar vom Clan der Blauhand. Er hatte sich diese Position hart erkämpft und war stolz, dass die Männer sein Wappen trugen. Vor dem Kampf tauchten sie ihre Handflächen in blaue Farbe und drückten sie auf ihre Gesichter und die Flanken ihrer Echsen. Die blaue Hand war bekannt im Land der Berengar und weit über seine Grenzen hinaus, denn Storts Krieger drangen gelegentlich in das benachbarte Reich Menteva vor.

      Der Clanführer musterte die Berge im Süden und Westen, welche die Grenze nach Menteva bildeten. Er hatte die dortigen Grenzposten kontrolliert und dabei auf die übliche Ehreneskorte verzichtet. Er wollte allein sein, um in Ruhe nachdenken zu können. Ungestört von der Hektik des Lagers und ungestört von dem ständigen Drängen seines Weibes Tirana-Valkar.

      Stort-Valkar konnte sich an die Schlachten seiner Jugend erinnern. Damals hatten die Clans noch untereinander gestritten. Um Territorien und die damit verbundenen wichtigen Ressourcen, um Weiber und um Ruhm. Diese Kämpfe hatten viel Ehre gebracht und noch mehr Blut gekostet und sie hatten die Clans geschwächt. Das wurde Stort immer wieder bewusst, wenn er an dieser Stelle des Hügels verharrte und auf das Lager der Blauhand hinab sah.

      Er war noch ein junger Krieger gewesen, als die Stämme vereinigt wurden.

      Ausgerechnet von einem Weib. Kein mächtiger Kämpfer, der die die Einheit der Berengar mit der Kraft seiner Arme vollbracht hatte, sondern eine Frau, welche die Macht ihrer Worte und ihren Verstand einsetzte. Sie war eine gute Anführerin, das musste Stort anerkennen, auch wenn er sich an die Änderungen im Leben der Berengar noch immer nicht ganz gewöhnt hatte. Aber die Vereinigung tat den Clans gut, denn diese wuchsen und gediehen. Sareda-Manor, die Oberherrin aller Berengar, regierte mit Bedacht und Klugheit.

      Noch immer wurden die einzelnen Clans von Männern beherrscht, die ihre Krieger in den Kampf führten. Aber sie taten dies im Namen und Auftrag der Oberherrin. Streitigkeiten zwischen den Clans wurden von einem gemeinsamen Rat geschlichtet, dem Thaan. Er entschied auch darüber, wann und gegen wen die Berengar kämpften. Dies war eine Tatsache, die Stort Kummer bereitete. Diese höchste Instanz des Volkes, dem die Oberherrin vorstand, setzte sich ausschließlich aus Weibern zusammen. Weiber, die gar nicht begriffen, was es bedeutete, die Farsa zu

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