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daß alles nur von der Aufklärung, dem Augenaufmachen abhängt, dann wünscht man sich wohl, daß wir in jeder Stadt einen Adolf Hitler hätten, der durch sein heiliges Feuer alles verbrennt, was noch lau und träge ist.“64

      Goebbels` Gedanken kreisten mehr und mehr um Hitler. So vertraute er im September seinem Tagebuch an: „Mit Strasser spreche ich lange. Von Hitler. Und ob er frei kommt. Bange Frage. Alle vermissen ihn. (…) Der einigende Gedanke fehlt der Bewegung. Das ist Hitler: der feste Pol, um den alles nationalsozialistische Denken kreist.“65

      Am 1. Oktober wurde Goebbels der Posten des Schriftleiters der Völkischen Freiheit übertragen. Manche Nummern des kleinen, meistens vier oder fünf Seiten umfassenden Blattes schrieb er zu zwei Dritteln selbst.66 Dem Tagebuch lässt sich entnehmen, dass er die Nummer vom 8. November ausschließlich Hitler widmete.67

      Nachdem bei der zweiten Reichstagswahl des Jahres 1924 am 7. Dezember die Zahl der Stimmen für die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung Großdeutschlands um mehr als eine Million auf 907242 sank,68 traten die Gegensätze zwischen Völkischen und Nationalsozialisten noch stärker hervor und die Fronten verschärften sich. Ein künftiges Zusammenbleiben erschien mehr als fraglich. Goebbels plädierte für eine Trennung der beiden Lager und knüpfte seine Hoffnungen an Hitler, der am 20. Dezember 1924 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Im Tagebuch ist zu lesen:

      „Adolf Hitler ist frei! Nun werden wir uns von den reaktionären Völkischen trennen und wieder echte Nationalsozialisten sein. Heil, Adolf Hitler! Wir haben jetzt wieder Glauben an die Siegeskraft der Idee. (…) In Weimar hat man versucht, die schlimmste Reaktion und den modernsten Zukunftsgeist aneinanderzubinden. Das muß zu Mißverständnissen und Krach führen. Ich bin für absolute Trennung. Dann soll die Jugend einmal mit dem Alter wettlaufen.“69

      Noch immer schien Goebbels aber auch Interesse an Ludendorff als der zweiten bedeutenden Persönlichkeit neben Hitler zu haben: „Was machen wir mit dem General? Bangste Frage! Ob wir ihn opfern müssen? Das wäre unser schlimmster Verlust.“70 Diesen „Verlust“ nahm Goebbels schließlich hin. Hitlers Haftentlastung sollte den Bruch mit Ludendorff nach sich ziehen.

      II. Die Erwählung Adolf Hitlers

      Während seiner Haftzeit hatte Hitler genügend Zeit, über seine politischen Ideen nachzudenken. Er begann mit der Abfassung seiner umfangreichen Programmschrift Mein Kampf. Des Weiteren erwog er die Lehren, die er aus dem gescheiterten Putsch zog: 1. Es wurde ihm ein für allemal bewusst, dass die Machtergreifung nur mit Hilfe der Streitkräfte erfolgen kann. 2. An die Stelle des Gedankens an einen Putsch als Mittel der Machteroberung strebte er nun für die Zukunft eine Legalitätstaktik an. 3. Hitler erkannte, dass es nicht genug sei, nur als „Trommler“ zu agieren. In Landsberg ahnte er, dass er selbst zum „Führer“ bestimmt war.71 Bestärkt von dem Glauben an seine „Sendung“ und wissend, dass er spätestens seit dem Hochverratsprozess kein Unbekannter mehr war, erfolgte seine Rückkehr auf die politische Bühne des Landes.

      Hitlers dringlichstes Anliegen war die Aufhebung des Verbots der NSDAP. Dies wurde am 17. Februar 1925 durchgesetzt. Der Völkische Beobachter, das publizistische Organ der NSDAP, wurde auch wieder zugelassen.

      Die Trennung von den Völkischen stand spätestens am 17. Januar 1925 fest, nachdem während eines Treffens der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Großdeutschlands einige Mitglieder der Deutschvölkischen Freiheitspartei Hitler stark kritisiert hatten. Eine grundlegende Einigung innerhalb der völkischen Bewegung schien unmöglich. Während die einen in Hitler ihren „Führer“ erblickten, fiel bei den anderen die Wahl auf Ludendorff. Zwar feierte Goebbels Hitler in der Völkischen Freiheit als den „Führer“,72 in seinem Tagebuch bezeichnet er ihn aber trotz aller Sympathiebekundungen noch nicht als solchen. Aus den im Januar und Februar 1925 erfolgten Tagebucheintragungen wird ersichtlich, wie sehr Goebbels die Trennung von den Völkischen begrüßte. Er vertraute diesbezüglich ganz auf Hitlers Urteil, wobei er auch leichte Kritik anklingen ließ: „Hitler wartet zu lange mit seiner Erklärung. Die Anhänger werden apathisch.“73 Goebbels, bei dem der Sozialismus den Kern seiner Weltanschauung bildete, hoffte, dass Hitler aus einer vorwiegend parlamentarischen, bürgerlichen, sozialen Partei eine antiparlamentarische, sozialistische, revolutionäre Bewegung machen würde.74

      Währenddessen hatte sich Hitler bereits von Ludendorff distanziert. Die in Landsberg erworbene Erkenntnis, dass er der ausschließliche Exponent der „Idee“ des Nationalsozialismus und der einzige Führer der völkischen Bewegung sei, ließ es nicht zu, Ludendorff als Galionsfigur der völkischen Bewegung neben sich zu akzeptieren. Am 12. Februar 1925 löste Ludendorff die Reichsführerschaft der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Großdeutschlands auf. Kurz danach kündigte Hitler die Neugründung der NSDAP an.75 Die Trennung von den Völkischen war somit vollzogen. Goebbels konnte zufrieden sein.

      Nachdem zunächst das Verbot aufgehoben wurde, erfolgte am 26. Februar 1925 die Neugründung der NSDAP. Anders als ihre Vorgängerin blieb die neu gegründete Partei nicht nur auf Bayern beschränkt.76 Hitler beanspruchte die alleinige Führung und setzte diesen Anspruch auch durch. Es gelang ihm während einer Veranstaltung am 27. Februar im Münchner Bürgerbräukeller, die Einheit der Bewegung herzustellen, indem sich die wichtigsten, bis dahin zerstrittenen Männer der Bewegung öffentlich die Hand reichten und – zumindest dem Anschein nach - aussöhnten.77 Somit kam bereits zu diesem Zeitpunkt ein Merkmal zum Vorschein, das in den folgenden Jahren immer deutlicher werden sollte: Hitler war die einzige und unverzichtbare Integrationskraft innerhalb der Bewegung.78

      Die Neuorganisation der NSDAP in Nordwestdeutschland übertrug Hitler den ihm ergebenen Gregor Strasser, dessen Auffassungen von einem deutschen Sozialismus den Ansichten von Goebbels ähnelten. Tatsächlich sollte sein Weg zu Hitler über Strasser führen. Bereits vor dem Jahreswechsel 1924/25 war Goebbels an Karl Kaufmann herangetreten, einen Vertrauten Strassers, und hatte versucht, ihm seine Dienste anzutragen. Es war voraussehbar, dass er aufgrund seiner Distanz zu den Völkischen seinen Posten als Schriftleiter der Völkischen Freiheit verlieren würde. Die Kündigung ereilte ihn am 20. Januar 1925.79

      Die Neuorganisation der NSDAP in Norddeutschland wurde am 22. Februar in Hamm in Angriff genommen. Goebbels, der eine Betätigungsmöglichkeit in Aussicht hatte,80 war der Partei beigetreten. Im März wurde er auf Vorschlag Kaufmanns bei einem Treffen führender Nationalsozialisten in Harburg zum Gauvorstandsmitglied Rheinland-Nord ernannt.81 Die Geschäftsstelle befand sich in Elberfeld. Während seiner Tätigkeit in der „Elberfelder Gauleitung“,82 die die nächsten eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen sollte, profilierte sich Goebbels als Redner. Die Auftritte, in denen er sein Redetalent unter Beweis stellte, häuften sich.83 Er widmete sich auch verstärkt der Organisation der Propaganda, wobei ihm Hitler als Vorbild diente.84 Immer wieder äußerte er sich enthusiastisch über diesen: „Wir wählen Ludendorff zum Reichspräsidenten. Hitler ist schon ein ganzer Kerl! (…) Hitler schreibt zur Wahl Ludendorffs einen Aufruf. Glänzend. Der Mann hat schon Schwung!“85 Am 28. Februar 1925 war Friedrich Ebert, der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, gestorben. Hitler bestand darauf, Ludendorff als Kandidaten der Nationalsozialisten zu nominieren und es gelang ihm schließlich, ihn trotz aller Differenzen dazu zu überreden. Seine Annahme, dass Ludendorff keinerlei Chancen habe, stellte sich als richtig heraus, denn bei der Wahl am 29. März konnte er lediglich 1,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Ludendorffs Ansehen wurde damit großer Schaden zugefügt. Von dieser Niederlage sollte er sich nie erholen. Hitlers großer Rivale um die Führung der völkischen Rechten stellte von nun an keine Gefahr mehr dar.86 In seinen Tagebuchaufzeichnungen zeigte sich Goebbels über den Wahlausgang zufrieden.87

      Während er sich mit den im April erstmals erschienenen und von ihm verfassten „Informationsbriefen“ des Gaues Rheinland-Nord beschäftigte, setzte er sich mit der zentralen Frage auseinander, ob in der Partei der Nationalismus oder Sozialismus Priorität haben sollte. In der Elberfelder Geschäftsstelle entbrannte darüber ein Streit. Goebbels und Kaufmann sahen den Sozialismus an erster Stelle. Axel Ripke,

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