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Kontakt tat der Konkurrenz keinen Abbruch.

      Man traf sich gelegentlich zu einer Weinprobe oder zu einem Abendessen. Allerdings nie mit Generaldirektor Carwitz, den seine Beraterpflichten in alle Welt führten. Er hatte auch auf die Familie keine Rücksicht zu nehmen, denn er war seit Jahren Witwer.

      Wenn die Herren des Vorstands unter sich waren, hatte Felix oft den Eindruck dass ihr Interesse in erster Linie seinen EDV-Kenntnissen und seinem Wissen über die internationale Technik-Entwicklung galt. Einige der Vorstände hatten große Informationslücken, die man so geschickt auffüllen konnte.

      So unterrichtete Felix die Herren mit abgeschlossenem Studium bei einem Glas Wein über die Entwicklung der Programmiersprachen, die immer benutzerfreundlicher wurden oder über Ansätze einer Forschung zur künstlichen Intelligenz.

      „In den USA entstehen zunehmend Expertensysteme, die es erlauben, das Wissen einer größeren Gruppe von Experten in einem Rechner zu speichern und dieses in einem Dialog den naiven Benutzern verfügbar zu machen. In Holland wird an einem Konzept eines optischen Massenspeichers gearbeitet, der als Bildplatte auf den Markt kommen soll. Nur in der Bundesrepublik Deutschland sind die Forschungsanstrengungen gleich Null. Das heißt die Verantwortung liegt bei den Unternehmen.“

      Felix vergaß nie bei solchen Gesprächen auf die Fortbildung hinzuweisen. Allmählich lernte er einzelne Vorstandsmitglieder einzuschätzen. Der Marketingmann Dr. Rose, der immer ein süffisantes Lächeln auf den Lippen hatte und mit zynischen Bemerkungen nicht sparte, war mit Sicherheit kein intellektueller Überflieger. Er entpuppte sich als ein Nörgler ohne festen Standpunkt, der sich allerdings mit einer offenen Meinung nicht vortraute, sondern sie hinter Fragen versteckte und sich krampfhaft bemühte, nichts von sich preiszugeben.

      Felix wurde deutlich, dass Dr. Rose ziemlich isoliert war. Gefragt war er allerdings als Golfer. Bis auf Felix frönten alle diesem Sport, und die Treffen arteten nicht selten in eine Fachsimpelei aus, zu der er keinen Zugang hatte. Golf war für ihn eine Altherrensportart.

      Oft waren es auch die Ehefrauen, die Beziehungsfäden unter den Vorstandsmitgliedern woben. Die Frauen wollten sehen und gesehen werden. Bei Bällen, Tanztees, Ausstellungseröffnungen, Konzerten und Wohltätigkeitsbällen und Basaren, Theaterpremieren. Der kulturelle Anlass war oft nur der Rahmen für einen Empfang oder eine Stehparty, die immer mehr in Mode kamen. Eingeladen wurde auch im privaten Rahmen: Verlobungen und Hochzeiten, Jubiläen, runde Geburtstage, Cocktailparties und Gartenpartys.

      Felix bekam Gelegenheit, seine lässig-elegante Kleidung auch vorzuführen. Er war ein gut aussehender und begehrter Junggeselle auf diesem Parkett, das war nicht zu übersehen. Aber er war auch unbedarft. So clever, gescheit und informiert er in seinem Job agierte, so unerfahren war er, wenn es darum ging, weibliche Angeln zu erkennen. Über die Macht der Frauen hatte er noch nie nachgedacht. Maß er den Frauen überhaupt eine Macht zu? Aber er liebte die kleine Gefahr, den unverbindlichen Flirt. Dort setzte er gezielt seinen Charme ein, aber er konnte sich so auch leicht wieder entziehen. Schließlich gab es ja unendlich viel zu tun.

      „Wenn ich abends nach Hause gehe, und es wird oft spät, immer brennt noch Licht bei Ihnen. Man getraut sich ja kaum, Sie zum Arbeitsessen einzuladen“, scherzte Sell eines Tages.

      „Ich habe verstanden, wann und wo soll ich einen Tisch reservieren lassen?“ Sein Verhältnis zu Sell wurde immer enger. Er war nicht nur sein Förderer, sein Ratgeber, er war ein väterlicher Freund, wenngleich so ein Wort wie Freundschaft zwischen ihnen nie fiel. Aber sie vertrauten sich. Und Felix wusste, dass er so manche Klippe umschiffen konnte, weil der Steuermann für Organisation sie vorausgesehen und einen anderen Kurs angesagt hatte.

      „Sie sind zu schnell Felix. Es ist richtig, dass wir alle Vorbereitungen für die Mini-Computer-Schulungen treffen müssen. Aber es ist möglicherweise falsch, das Papier jetzt schon aus der Tasche zu ziehen. Bereiten Sie alles vor. Legen Sie es in die Schublade. Aber warten Sie den richtigen Zeitpunkt ab. Und wenn der erst in drei Jahren ist.“

      „Wir haben aber keine Zeit. Zeit ist kostbar. Zeit ist Geld, das hat man auch schon hierzulande gemerkt. Wir müssen in die Praxis gehen, ausprobieren. Wir müssen schulen. Nur so können wir Erfahrungen sammeln.“

      „Da spricht ja auch nichts dagegen. Probieren Sie das in Ihrem Arbeitskreis aus. Verlagern sie diese Geschichte eine Zeit lang aus Dasers Gesichtskreis. Arbeiten Sie mit der Computer-Elite daran. In der Breite sollten Sie nicht vorpreschen. Es gibt Widerstände. Manche Mitarbeiter klagen, fühlen sich überfordert. Und möglicherweise ist das auch subjektiv so, weil ja verschiedene Systeme nebeneinander laufen. Die Gefahr ist nur, dass Daser diese Situation ausnützen könnte. Missmut, sobald er sich gegen Sie wenden könnte, lässt er sich sicher nicht entgehen.“

      „Wer beklagt sich? Zu mir ist noch niemand gekommen. Ich habe auch von anderen noch nichts gehört. Gibt es konkrete Anlässe?“

      „Nein, lieber Admont. Es ist noch nicht so weit. Man darf es nicht soweit kommen lassen. Aber die Zwerge sind unterwegs und geben Stichworte. Und sie warten darauf, dass jemand sie aufnimmt. Das alte Spiel, Sie verstehen. Und wo die Arbeitskräfte heute so selten wie Edelsteine sind, dürfen wir Daser natürlich keinen Vorwand liefern.“

      „Sie reden von Überforderung. Inwiefern? Jeder kann seine Überstunden sammeln und dann geballt abbummeln. Das ist doch ein Ausgleich. Wir verlangen doch nichts Unbilliges. Die Schulung nutzt beiden Seiten. Und die Nachfrage nach Schulung ist ungebrochen.“

      „Vielleicht ist es auch ein Generationenproblem. Die Jugend ist elastisch und schnell. Sie selbst haben ja das Problem des Konservatismus schon erkannt. Man muss ihn schrittweise überwinden. Ich jedenfalls finde Ihre Idee, einen Mini-Computer-Schein einzuführen ausgezeichnet. Das ist ein Anreiz. Aber sie sollte zum rechten Zeitpunkt kommen, sonst geht sie unter“.

      „Sie haben wahrscheinlich recht. Mancher ist schon auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, weil seine guten Ideen zum falschen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit kamen. Ich werde das zunächst im internen Kreis testen. Dann abwarten und danach so kleine Steine ins Wasser werfen, um zu sehen, welche Kreise sie ziehen. Das wäre doch eine Möglichkeit?“

      „Hervorragend, lieber Admont. Ich bin so froh, dass ich meinen Nachfolger selbst bestimmen konnte. Und das, obwohl Daser nur auf Akademiker setzt.

      Das musste auch von langer Hand und gründlich vorbereitet werden. Nach dem Motto: zwei Schritte vor, einen zurück.“

      „Ist es denn nicht immer so, dass die Vorstände ihre Nachfolger wählen oder auch gezielt aufbauen? Das wäre doch eigentlich schon wegen der Kontinuität der Arbeit notwendig.“

      „Sicher, das wäre logisch. Aber nicht selbstverständlich. Da sei Daser vor. Ist Ihnen bekannt, wie er Rupp behandelt hat?“

      „Nein, er ist ausgeschieden, da war ich im ersten Lehrjahr.“

      „Ich kann Ihnen sagen, mir läuft heute noch ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke. Eines Tages kommt Rupp in sein Büro, das war ungefähr ein halbes Jahr vor seinem 65. Geburtstag, und findet einen jungen Herrn im Vorzimmer, der ihm erklärt Guten Tag, ich bin Ihr neuer Vorgesetzter. Ich hoffe, wir kommen gut miteinander aus! Und das nach 46 Jahren treuen Diensten in der Bank. Das war auch so ein oberschlauer Akademiker, ein Dr. Neumann. Der hat dann die Probezeit nicht überlebt. Aber Rupp war ein gebrochener Mann. Das ist Daser, Herr Admont. Also, ziehen Sie sich warm an!“

      Felix war beeindruckt. Von Daser, aber auch von Sell. Sell war wirklich ein Orientierungspunkt. Was er sagte, war für ihn überlebenswichtig. Er musste vorsichtig agieren und sich klar machen, dass sein Aufstieg für Daser unerträglich war. Irgendwann würde er eine Möglichkeit finden, um ihn zu stoppen. Koste es, was es wolle. Das war sein Denken. Und Felix musste dies einkalkulieren.

      Donovan, dem er die Ruppstory zwei Wochen später erzählte, war nicht überrascht. „Diese Geschichten gibt es bei uns täglich. Das amerikanische Big Business ist ein Kriegsschauplatz. Und wenn du nicht aufpasst, wirst du geopfert. Das ist die Realität, Felix. Wir haben weniger Hierarchien, wir haben schnellere Entscheidungswege, wir haben dadurch oft die Nase vorn. Aber, die andere Seite der Medaille ist, dass auch Barrieren fehlen,

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