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Er freute sich sichtlich, dass er bei der Auswahl seines Nachfolgers eine so glückliche Hand bewiesen hatte.

      Zum Empfang war die Elite der Frankfurter Bankenwelt und Versicherungswelt vorgefahren. Geldadel verpflichtet. Auch die Vertreter der Großkunden nippten am Champagner. Felix kannte nun alle, wusste über finanzielle Transaktionen und komplizierte Geschäfte Bescheid. Der Banken-Dschungel hatte sich längst gelichtet. Er war bekannt, und er kannte fast die gesamte Geld- und die Politikelite, die leider nicht immer aus den fähigsten Leuten bestand. Auch EL traf er an diesem Abend wieder. Er hatte vorzeitig eine Glatze bekommen, aber sonst schien er sich kaum verändert zu haben. Felix hatte er überschwänglich begrüßt und ihm auf die Schulter geklopft.

      „Man hört ja viel von dir, du hast dich ja richtig eingefuchst in die Computergeschichte. Gratuliere!“

      „Danke“, antwortete Felix und lächelte geschäftsmäßig freundlich. ,,Habt ihr Euch schon mit der Rechnerentwicklung befasst?“

      „Da bin ich überfragt. Du weißt ja, ich beschäftige mich nur mit den Bilanzen!“

      Felix lachte und war froh, dass die Konversation damit beendet war. Man musste Kreide fressen beim Gespräch mit diesen Wölfen. Das hatte er schon im ersten Jahr durch Vogt gelernt. EL war ja keine Ausnahme, wenn er auch bemerkenswert einfältig war.

      Zum vorstandsinternen Abschiedsessen im Frankfurter Hof wurde Felix neben Daser platziert. Das war Zufall, und beide waren wahrscheinlich nicht begeistert. Aber man ließ es sich nicht anmerken. Daser hatte wieder den Platz neben Carwitz. Schade, dachte Felix, dass so die Köstlichkeiten ein ganz klein wenig vergiftet schmecken: Trüffel aus Alba im Piemont zum Beispiel und Kaviar auf Wachtelei und als zweite Vorspeise Gänseleberparfait mit Sauternesgelee und Seeteufel in Rotweinbutter.

      „Wunderbar, und was kommt jetzt als Hauptgericht?“ scherzte Seidel, das für die Revision zuständige Vorstandsmitglied, das ihm gegenüber saß. Seidel war ein Genießer, ein Gourmet, der in den fetten Nachkriegsjahren Ringe angelegt hatte. Was aber seine Anziehungskraft auf Frauen nicht schmälerte, im Gegenteil. Es wurde kolportiert, dass er bei Baby-Pute in Estragon mit grünem Spargel seiner dritten Frau den Heiratsantrag gemacht hatte. Und bei Quarksouffle auf Himbeermark hat sie wohl ausgerechnet, dass dies ein gutes Geschäft ist, denn sie ist immerhin zwölf Jahre jünger als er. Seit dem wurde Seidel ständig beleibter und seine Frau immer dünner. Was das wohl zu bedeuten hatte?

      Tratsch und Klatsch, alberne Spekulationen, gab es auch in der Luxusetage der Gesellschaft. Anders Esch. Das für die Innenbetriebe zuständige Vorstandsmitglied war rank und schlank geblieben. Er hatte seine Assistentin geheiratet, die er ein Jahr zuvor in einem Flugzeug kennengelernt und vom Fleck weg engagiert hatte. Das hatte für beträchtliche Aufregung gesorgt. Denn die Assistentenposition war besetzt. Dort saß ein fähiger Mitarbeiter, der aus der Abteilung Großkredite aufgestiegen war. Esch hatte ganz bewusst einen Mann herangezogen. Er war ein überzeugter Junggeselle, wie er gelegentlich lautstark verkündete. Sehr zum Leidwesen der Weiblichkeit verstand er es, ihren Netzen zu entgehen. Mit dem etwas plötzlichen Erscheinen der jungen, gutaussehenden Assistentin war das Image dahin. Die unhaltbare Situation musste schließlich durch eine große Hochzeit gerettet werden.

      Inzwischen produzierte das Ehepaar fast jährlich Nachwuchs. Esch, mit Mitte 50, war nun ein glücklicher und überzeugter Familienvater, so wie er jahrelang der überzeugte Junggeselle gewesen war. In der Vorstandsriege pflegte er das Image eines Weinkenners. Aber es mussten schon besondere Weine sein. Ein Chateau Mouton Rothschild oder Chateau Haut-Brion und der leichte Saint Saphorin aus der Schweiz waren seine Lieblingsweine, die seinen Keller und so manches Gespräch füllen konnte. Keiner konnte auch geschickter das Weintrinken hochstilisieren „Ich habe zum Wein eine geistige Beziehung“, war eines der beliebten Esch-Worte.

      Wenig wusste man von Carwitz' Privatleben. Er war Witwer, und nach dem Tod seiner Frau wurde an seiner Seite niemand gesehen. War es vorstellbar, dass der ,,Erpel“ monogam lebte? Und Gerüchte gab es auch nicht. In dieser Beziehung verstand er sich auf Diskretion. Zur Carwitz-Familie gehörte noch eine Tochter. Felix kannte noch nicht einmal ihren Namen.

      Auch über Dasers Privatleben wusste man sehr wenig. Angeblich sollte der 48-Jährige drei Leidenschaften haben: Golf, die Jagd und seinen Porsche. Zum Essen war er mit einem anthrazitgrauen Porsche vorgefahren. Das hat er mit EL gemeinsam, dachte Felix. Wahrscheinlich hat er sich noch ein Sitzkissen einbauen lassen. Daser übte sich gerade im name dropping, jenes lässige, scheinbar beiläufig vertraute Fallenlassen großer Namen. Natürlich kannte er Pablo Cassals und hatte schon mit Karajan gespeist und die Vockes hatten angeblich keine Gartenparty in seinem Hause ausgelassen.

      Beim Cognac in der Kaminrunde konnte Felix die Sitzordnung ändern und neben Sell Platz nehmen. Sell, der Maßvolle, der gut und lange verheiratet ist, gerne mäßig isst und sehr mäßig trinkt und so keinen Anlass für Tratsch lieferte. Mit seinen 65 Jahren war er geistig und körperlich topfit. ,,Gibt es da ein Rezept?“

      „Immer so viel Ärger wie nötig und so viel Arbeit wie möglich, lieber Admont. Und was die Arbeit betrifft, so bin ich auf bescheidene Weise anspruchsvoll. Arbeit ist nicht Selbstzweck, sie musste immer auch Herausforderung sein. Auch den Auseinandersetzungen bin ich nicht ausgewichen, wenn ich sie gewinnen konnte. Das hält fit.“

      „Aber Sie gelten nicht als streitlustig, eher als konziliant.“

      „Stark in der Sache, mild in der Form, das ist meine Devise.“

      „Ich bin ihnen für ihre milde Form, für Ihre Förderung und die Anforderungen sehr dankbar. Sie haben für mich die Weichen gestellt, Herr Sell, und auch so manchen Zug umgelenkt, so dass es nicht zur Kollision kam.“

      „Felix, ich sage heute Felix zu Ihnen, denn es ist mein letzter Arbeitstag und ich war ausnahmsweise beim Trinken nicht so mäßig wie sonst. Felix, ich glaube, Sie werden ihren Weg weiter gehen. Auch ohne Weichensteller. Sie kennen jetzt die Steine, und Sie erahnen die Fallen. Probleme sind da, um an ihnen zu wachsen, auch so eine Weisheit von mir an diesem letzten Tag.“

      „Aber es wird neue Probleme geben. Die Expansion will ja gründlich geplant sein, mit den Mini-Computern sind wir ja wieder am Anfang einer neuen Entwicklung. So wird das immer weitergehen. Vielleicht bis die erste Krise kommt.“

      „Sind Sie pessimistisch? Die Konjunkturdaten zeigen nach oben, auch wenn es mal kleine Schwankungen gibt. Es ging doch in den letzten Jahren immer aufwärts. Das Feld ist bestellt, die Zuwachsraten schwindelerregend.“

      „Ja, aber man darf nicht leichtsinnig werden. Die Aufgaben wachsen ja auch in ungeheurem Umfang. Und die Ansprüche. Ich kann mich da nicht ausnehmen. Ich komme heute auch nicht mehr mit einem VW-Käfer in die Bank.“

      „Na, das wäre ja noch schöner. Jetzt, wo Sie für die gesamte Organisation gerade stehen müssen. Sie müssen auch repräsentieren. Aber auch da hinterlasse ich Ihnen ja einen guten Garten. Frau Sindermann wird ihn beackern, und die Zusammenarbeit mit Frau Binder war schon immer reibungslos. Wenn das Sekretariat funktioniert, ist der Rücken frei für große Aufgaben. Und wenn Sie gelegentlich einen Rat brauchen, Felix, ich helfe ihnen gerne. Was die Bank angeht, da bin ich überaus optimistisch. Eine gut geführte Bank ist wie ein Goldesel. Man muss nur aufpassen, dass man im Gold nicht erstickt.“

      Am nächsten Abend saß Felix zum ersten Mal an Sells Schreibtisch in seinem neuen Büro. Er blickte über die Glitzerstadt, die jetzt oft Bankfurt genannt wurde. Er, der Junge aus dem Dorf, hatte sich ganz oben etabliert. Schaute er zurück, so war der Weg an die Spitze alles in allem doch relativ gradlinig gewählt. Er hatte sehr schwer gearbeitet, er hatte aber auch das unbedingt notwendige Quäntchen Glück gehabt. Schaute er nach vorne, so ging es darum, das Erreichte abzusichern und die nächsten Schritte behutsam vorzubereiten.

      An seinem neuen Büro wollte er vorerst nur wenig ändern. Er musste in Ruhe seinen Stil finden. Das Ansehen der Bank, die Position ließ keine Eskapaden zu. Ich werde die Bank von innen her verändern, dachte Felix. Die Mikro-Elektronik würde alle Bereiche umfassen und alle Fähigkeiten der Menschen ansprechen: Wissen und Können genauso wie Phantasie und Mut. Hoffentlich bleibe ich schwindelfrei, wünschte er sich und griff zum Hörer, um seinem Freund Donovan

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