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Karriere und Liebe. Phil Lister
Читать онлайн.Название Karriere und Liebe
Год выпуска 0
isbn 9783844251074
Автор произведения Phil Lister
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Dabei war er durchaus intelligent und weitsichtig, aber die große Geste, die Aura des Wissenden war ihm wichtiger als kleinliche Überzeugungsarbeit. Diese Fähigkeiten waren begehrt, besonders in der Politik, die ja von der überzeugenden Geste oft mehr lebte als von Überzeugungen. Und Carwitz war ein Naturtalent.
So machte der „Erpel“, wie er ein wenig zu respektlos wegen seiner blonden Haare, die sich im Nacken kräuselten, genannt wurde, auch als Politik-Berater Karriere. Die Bundesregierung konsultierte ihn, aber auch Ministerien in den Entwicklungsländern suchten von seiner Aura und seiner Erfahrung zu profitieren. Mit der Folge, dass er Entscheidungen in der Bank in zunehmendem Maße seinem Stab überließ. Getreu der Erfahrung, dass nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, verstand er es trotzdem, unangefochten an der Spitze der Bankhierarchie zu bleiben. Niemand sägte ernsthaft an seinem Stuhl mit den breiten Armstützen und dem dunklen Lederbezug.
„Ich heiße Sie in unserem Gremium herzlich willkommen. Ich bin sicher, Sie werden als Spezialist für Datenverarbeitung unseren Horizont erweitern. Ich habe vorgesehen, dass Sie uns in der nächsten Sitzung über Ihr neues Projekt unterrichten.“
Kurz und knapp, aber nicht unterkühlt, fiel Carwitz' Begrüßung für Felix bei der ersten Vorstandssitzung aus, an der er als zukünftiger Nachfolger von Sell teilnahm.
Es sprach für Carwitz, dass er nicht vorgab, sich in der Entwicklung der Datenverarbeitung auszukennen. Seine internationale Erfahrung sagte ihm, dass diese amerikanische Entwicklung auch Europa erfassen würde. Da war es gut, wenn seine Bank mit profunden Kenntnissen in der neuen Technologie mit an der Spitze war. Aber er erkannte auch die Kompliziertheit der Materie, und es fehlte ihm an Zeit und Lust, sich dort noch einzuarbeiten. Er ließ sich von Sell informieren. So konnte Sell auch kontinuierlich über Felix' außergewöhnlichen Einsatz berichten und seine Begabungen ins richtige Licht setzen. Sell kannte Carwitz seit vielen Jahren. Anfangs waren sie sogar Rivalen gewesen, denn Organisationsentwicklung war auch Carwitz' Steckenpferd. Mit Kriegsbeginn war die Partie der Konkurrenten entschieden. Sell wurde eingezogen, war als Offizier bis zur Niederlage 1945 dabei. Carwitz konnte wegen einer Augenkrankheit nicht Soldat werden und deswegen weiter an seiner Karriere stricken. Als Sell nach einigen Monaten in amerikanischer Gefangenschaft 1946 wieder an seinem Schreibtisch Platz nahm, war die Partie entschieden. Carwitz war der Boss. Der alte Konkurrenzkampf, der nie offen ausgetragen worden war, verebbte, denn kurze Zeit später ernannte Carwitz Sell zum Vorstand für den Bereich Organisation. Und er ließ ihm weitgehend freie Hand, wollte jedoch über alle wichtigen Angelegenheiten mit entscheiden. Eine enge Freundschaft oder auch nur eine distanzierte Vertraulichkeit entstand nicht.
Auch Daser hatte Carwitz' Ohr. Und was von dort hineingeflüstert wurde, wusste auch Sell nicht so genau. Es fiel jedenfalls auf, dass Daser bei Felix erstem Auftritt im Vorstand seinen Platz neben Carwitz beanspruchte. Auch beim traditionellen Abendessen nach der Vorstandssitzung in einem berühmten Frankfurter Schlemmerlokal eroberte sich Daser einen Stuhl neben Carwitz.
„Ist Ihnen das aufgefallen?“, fragte Sell, als er mit Felix am nächsten Tag zusammen kam?
„Ja, natürlich. Er musste sich richtig vordrängen, denn ich stand etwas unschlüssig im Weg.“
„Das war nicht nur gestern so. Das macht er bei jeder Vorstandssitzung und bei jedem Abendessen, das darauf folgt. Das wirkt schon etwas lächerlich. Wie haben Sie sich gestern zurecht gefunden?“
„Eigentlich sehr gut. Ich kenne ja den Sechserklub schon ziemlich genau. Insbesondere mit Herrn Esch und Herrn Seidel hatte ich ja schon zu tun. Sie sind sehr kooperativ. Herr Dr. Rose ist schwer zu durchschauen. Sein süffisantes Lächeln ist schwer einzuordnen. Ist er ein Zyniker?“
„Sie müssen Ihre eigenen Erfahrungen mit ihm sammeln. Ich will da nicht vorgreifen. Aber Daser müssen wir im Auge behalten. Da kann jederzeit wieder ein Grabenkampf ausbrechen.“
Zunächst aber war Stille. Daser legte schließlich ein Ausbildungs- und Schulungsprogramm vor, mit dem auch Felix einverstanden sein konnte. Die Datenverarbeitung wurde in der Ausbildung verankert, sie wurde Schwerpunkt in Fortbildungsveranstaltungen und Abendkursen. Gegen den Arbeitskreis und seine Ableger wurde nicht mehr offen polemisiert. Bei den notwendigen Gesprächen und Abstimmungen zeigte sich Daser zuvorkommend, ja gewählt höflich. Trotzdem spürte Felix deutlich eine gewisse Animosität. Lag es nun daran, dass er Daser um einen Kopf überragte oder dass er als einziger im Vorstand kein Studium vorzuweisen hatte? Er wusste schon von Vogt, dass es verminte Plätze gab, die er auf seinem Weg nach oben möglichst meiden wollte. Es fehlte allerdings noch an Erfahrung sich in der extrem dünnen Luft an der Spitze zu bewegen. Und es ging steil bergauf.
Wie Felix vorhergesagt hatte, war die Bank bei der Vernetzung der Großrechner in Deutschland an der Spitze. Sie gewann an Ansehen und Bedeutung. Und der Imageerfolg zahlte sich aus. Die Zuwachsraten waren beachtlich. Auch Felix Bankkonto legte erheblich zu. Er galt jetzt als Wunderknabe, der sehr früh den Weg in die computervernetzte Zukunft erkannt hatte, als andere noch verzückt auf die Lochkartenmaschine starrten. Manchmal, wenn Felix abends in seinem Büro saß und in der Skyline von Frankfurt wieder einen neuen Wolkenkratzer entdeckte, wurde ihm schwindelig, wenn er an seinen Senkrechtstart in die Spitze dachte. Wer hoch steigt, kann auch tief fallen, dachte er dann. Sicher, er hatte sich hoch gearbeitet, unermüdlich und voller Wissbegierde. Aber er kam aus bescheidenen Verhältnissen. Und Quereinsteiger waren in der Spitze sehr selten. War er ein Glückskind, war es Zufall, dass er so schnell und mit so wenig Widerstand ganz nach oben kam? Wieso setzten ihm die Leute so wenig Widerstand entgegen?
„Weil sie nichts davon verstehen!“, sagte Donovan beim nächsten Telefonat. „Sie verstehen nichts von der Technik, die die Welt verändert. Aber sie spüren, dass sich die Welt irgendwie verändert. Wir sind auf der Seite des Fortschritts, und dem ist nur schwer zu begegnen, wenn man sich nicht vorher selbst gewappnet hat.“
„Da muss ich dir recht geben. Ich habe den Eindruck, hier versteht kaum ein Mensch, was wir machen. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist, seit wir unsere Vernetzung über Arpanet der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Die Journalisten laufen mir die Bude ein. Sie belagern mein Büro. Da sie ahnungslos sind, können sie auch nicht die richtigen Fragen stellen und heraus kommt nur Unsinn. Fast täglich kommen Anfragen von Besuchern oder Angebote, Vorträge zu halten. Ich sortiere schon, es geht zuviel Zeit verloren. Aber bei wichtigen Kunden oder anderen Bankhäusern kann ich mich nicht verweigern. So kommt es, dass ich regelmäßig noch spät abends am Schreibtisch sitze, um die Routinearbeiten zu erledigen.“
„Und du hast Glück, dass ich am liebsten nachts arbeite. So können wir wenigstens telefonieren. Ich habe mir gerade deine letzten Bemerkungen vorgenommen, die du mir auf das Tonband gesprochen hast. Unsere Zusammenarbeit, Felix, ist wirklich ideal. Stell dir vor, wie viele Fehler sich eingeschlichen hätten, wenn du nicht diese Praxiserfahrung und dieses theoretische Verständnis verbinden könntest. Schade, dass man nicht ausrechnen kann, wie viel wir dadurch effektiv gespart haben. Aber deine Mitarbeit ist wirklich unbezahlbar.“
„Na, vielleicht werden wir noch besser. Was macht unser Mini-Computer-Projekt?“ fragte Felix den amerikanischen Freund. Auch hier war Donovans Firma in den USA mit vorne, teilweise der Entwicklung sogar schon voraus. Gerade war er dabei, den Schulunterricht an ausgewählten Standorten zu revolutionieren. Der Rechner als Lehrinstrument und Lerninstrument, als Möglichkeit der Problemlösung und der Unterrichtssteuerung, das war das Ziel. Donovan schlug die Bresche, steckte die Ziellinie ab. Wenn es dann erreicht war, konnten sich andere an die Umsetzung machen. Donovan war dann schon wieder unterwegs zu neuen Ufern.
„Heute verdoppelt sich der Umfang des Fachwissens innerhalb von 15 Jahren. Man kann von einer durchschnittlichen Nutzungszeit des in der Berufspraxis zu erwerbenden Wissens von etwa 7 Jahren ausgehen. Die Beschleunigung und wirtschaftliche Planung dieses Lernens und Umlernens, das ist unsere Aufgabe, Felix.“
Eine ganz schön anstrengende Aufgabe, wie Felix erkannte, wenn er sich wieder einmal am Wochenende am Schreibtisch fand. Zwar konnte er sich mittlerweile auf einen gut ausgebildeten Spezialistenstab stützen, und es gab interessierten Nachwuchs und Lehrpläne, wie er auszubilden und zu schulen sei. Aber damit war die Zukunft noch