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dabei die Leistung und Einsatzbereitschaft hinten anstellten. Felix vergewisserte sich noch mal bei Sell.

      „Sie selbst haben doch schon erkannt, dass die Menschen im Kern konservativ sind. Sie wollen keine Veränderung, auch nicht im Denken. Sie hinken den Entwicklungen hinterher. Und dann kommt die Erziehung. Der Untertanengeist liegt vielen noch im Blut. Schauen Sie, was mit Menschen passiert, die eine Uniform bekommen, wie Sie ein Post- oder Bahnbeamter schuhriegeln kann. Also, Herr Admont, machen Sie sich keine Gedanken. Meine Nachfolge ist geregelt. Sie treten sie an.“

      Beruhigt machte sich Felix an seinen USA-Bericht für den Vorstand. Er wusste, auch darin war Sprengstoff, denn seine Vorschläge griffen in Dasers Kompetenzen ein. Da er an der Computerentwicklung kein Interesse hatte, Arbeitskreise, wie sie Felix betrieb, ablehnte, kam in den Ausbildungsplänen der Lehrlinge die Zukunftstechnologie noch nicht vor. Nun forderte Felix in seinem Papier umfassende und sofortige Maßnahmen in der personellen Weiterbildung. Datenverarbeitung müsse Bestandteil der Ausbildungspläne werden und regelmäßig in Abendkursen angeboten werden.

      „Wir werden unseren Vorsprung nur halten und ausbauen, wenn wir schon in der Ausbildung des Bankennachwuchses eine breite Wissensbasis über die Datentechnik schaffen und darüber hinaus ein Bewusstsein für den ungeheuren Fortschritt erzeugen, den diese neue Technik bringen wird. Unser Arbeitsleben wird sich revolutionieren. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir werden unsere Prognosen nur erfüllen, die Spitze nur halten können, wenn wir rechtzeitig und umfassend die Weichen stellen.“

      Das war eindeutig. Die Frage, weshalb nichts in dieser Richtung bei den Auszubildenden getan wurde, lag in der Luft. Vogt konnte nicht gemeint sein, denn der hatte sich redlich bemüht, Felix so oft wie möglich zu einem Vortrag einzuladen. Seine Vorschläge waren bekannt, aber es fehlte der Druck. Jetzt lag das Papier auf dem Vorstandstisch, und Daser kochte, wie Felix von Sell erfuhr.

      „Es gibt in diesem Hause keine einheitliche Linie. Da werden Arbeitskreise gegründet, und man weiß nicht, was da eigentlich geschieht. Was wird geschult in diesen Schulungszirkeln? Dann wird von Arbeitsessen geredet, zu denen neuerdings auch Mitarbeiter der unteren Ebenen gebeten werden. Was wird da eigentlich verspeist und nach welchem Speiseplan? Wieso werden wir nicht einbezogen? Dann werden jetzt plötzlich Schulungen verlangt? Also, meine Herren, ich als Betriebswirtschaftler kann dem nicht mehr folgen. Sind wir zu Statisten degradiert? Ich darf hier doch um Aufklärung bitten!“

      Dasers Angriff verpuffte. Keiner der Vorstände pflichtete ihm bei. Das hatte sicher mit der eigenen Unsicherheit zu tun. In die neue Technik war keiner eingeweiht. Und schließlich wirkte auch die Erkenntnis: Erfolg ersetzt alle Argumente. Erfolg braucht keine Erklärungen, er spricht für sich selbst. Der Erfolg hatte sich an Felix´ Fahne geheftet. Und die Entwicklung war nicht mehr rückgängig zu machen, auch wenn es Daser noch so gern wollte.

      Irgendwann rief jemand aus dem Zwergenstaat an und bat um schriftliche Unterlagen zur Vorbereitung von Schulungsangeboten. Zwei Wochen später fand Felix Vorschläge zu den erweiterten Ausbildungsplänen auf seinem Schreibtisch. Das war ein erstes Signal. Felix war erleichtert. Er nahm Kontakt zu Daser auf, bot ihm Unterstützung an. „Ich könnte Ihnen auch die Vorlagen aus den USA besorgen.“

      „Das ist sehr freundlich von Ihnen. Wie heißt es doch so schön: Von den USA lernen, heißt siegen lernen. Es wird sowieso immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu finden.“

      „Wir dürfen uns nicht mit dem Durchschnitt abfinden. Das ist auch eine Erfahrung aus Amerika. Dort werden fähige Leute abgeworben. Natürlich mit besonderen Anreizen und der Zusage auf ein schnelles Vorwärtskommen. Ein Heer von Agenten hat sich darauf spezialisiert. Dies ist zwar kostspielig, aber auf Dauer lohnt sich das. Die Unternehmen verlieren sonst an Boden.“

      „Also, ich zweifle daran, ob sich diese Strategie lohnt. Wen züchtet man da hoch? Bedenken Sie die Auswirkungen auf das übrige Personal, das ein ganzes Berufsleben lang an seiner Karriere gestrickt hat. Das gibt böses Blut.“

      „Ich meine ja nicht, dass wir die Förderung der Belegschaft vernachlässigen sollen, im Gegenteil. Ich meine nur, dass wir eventuell darüber nachdenken müssen, ob wir nicht neues Blut zuführen müssen, das würde ja vielleicht auch alle ein bisschen wacher machen. Man muss mit offenen Karten spielen in diesen Fällen, das baut einer Missstimmung vor.“

      „Möglich, Herr Admont. Ich habe schon einige Missstimmungen hier erlebt, und es lässt sich gar nicht ausrechnen, wie teuer die uns zu stehen gekommen sind. Die Leute werden krank, kündigen innerlich. Ich bin schließlich für diese Entwicklung verantwortlich. Wir müssen eine langfristige Personalentwicklung betreiben. Daran liegt Ihnen ja auch. Ich werde mir Ihre Gedanken durch den Kopf gehen lassen.“

      Das war keine Ablehnung. Aber die Distanz war spürbar. Es war wie bei einem Boxkampf, bei dem keiner so recht zum Ausholen kam. Man tänzelte um den Gegner, versuchte sich keine Blöße zu geben, Deckung zu halten. Aber man musste jederzeit mit einem Angriff rechnen.

      Felix war mulmig nach diesem Gespräch. Sicher, er hatte seine Mitarbeit nur angeboten, damit Daser nicht sagen konnte, er hätte sich nicht bemüht. Aber Daser hatte dies als Einmischung verstanden. Vielleicht sollte er nicht mit den Erfahrungen der Amerikaner kommen? Das war schließlich ein Feld, auf dem sich Daser überhaupt nicht auskannte. Er wollte sich mit Dr. Vogt beraten.

      „Ich weiß, lieber Herr Admont. Da gibt es Animositäten. Ein schwieriges Feld. Ich bin ja zum Glück nicht direkt involviert. Aber eine aggressive Grundstimmung und unterschwellige Anspielungen bekomme auch ich mit. Von den USA lernen, heißt siegen lernen, ist so ein Spruch, den ich auch schon gehört habe. Das ist etwas mehr als nur eine rhetorische Formel, wie wir sie von Daser kennen. Das hat was zu bedeuten. Das ist doch der Spruch, den die Machthaber in der Sowjetzone immer für Sowjetrussland gebrauchen. Damit soll wohl unterstellt werden, sie sind ein Erfüllungsgehilfe der USA-Computerindustrie. Natürlich ist das nur ein Scherz, wird Daser immer behaupten. Und seine Gefolgsleute werden dazu gefällig applaudieren. Aber es gibt in jedem so genannten Scherz einen ernstzunehmenden Kern. Er neidet Ihnen wahrscheinlich nicht nur die Körpergröße, sondern jetzt auch noch die USA-Erfahrung. Obwohl er doch studiert hat, haben sie einen Wissen- und Erfahrungsvorsprung, das ist für einen Menschen wie Daser nur schwer zu verkraften. Mir fällt es auch schwer, Ihnen einen guten Rat zu geben, außer, dass Sie sich vorsehen müssen. Dass Sie bei allem, was Sie tun, diese Konstellation einbeziehen müssen.“

      „Haben Sie in Ihrer Laufbahn ähnliche Erfahrungen mit Daser gemacht?“

      „Also, ich habe auch so manchen Streit mit ihm ausgefochten. Aber vieles lief verdeckt, und ich suchte mir Pfade, um ihn zu umgehen. Andererseits muss man in Betracht ziehen, er ist eine wichtige Größe im Haus mit einer sehr starken Position, auch im Vorstand.“ Der liberale Geist hatte auch einen Trost bereit: „Wer mit uns ringt, stärkt unsere Nerven und macht uns noch tüchtiger. So werden aus Feinden ungewollt Helfer“.

      Felix hätte sich gerne eine andere Nervenstärkung gewünscht. Vogt hatte recht, er musste vorsichtig sein. Jeder Fehler konnte verhängnisvoll werden. Daser hielt den Dolch im Gewand. Seine Stunde sollte noch kommen.

      Kapitel 3

      Der Mann an der Spitze verstand es, die Rivalen zu zügeln. Einer gesunden Konkurrenz nicht abgeneigt, ließ er es jedoch nie zum offenen Kampf kommen. Denn er wusste, ein offener Schlagabtausch könnte womöglich auch seine Autorität beschädigen. So war man in der Vorstandsebene eher auf Grabenkämpfe spezialisiert.

      Der Mann an der Spitze war ein Generalist, der vermittelte, dass er sich in den unterschiedlichen Fachgebieten gerade soviel auskannte, dass er die Gesamtverantwortung übernehmen konnte, ohne sich mit den Details befassen zu müssen. Der Generaldirektor Prof. Dr. h.c. Carwitz hatte das Große und Ganze im Auge. Und er achtete darauf, dass die Augen auch auf ihn gerichtet waren, ohne dass man ihm offen Eitelkeit nachsagte. Aber er fiel nicht nur durch den Glanz seiner eleganten Erscheinung auf, er war ohne Zweifel eine Führungspersönlichkeit, die signalisierte, dass er mit seiner Macht umzugehen verstand. Selbstbewusst, bis an den Rand der Selbstgefälligkeit drückte er dem Vorstand unmissverständlich den Stempel seiner Persönlichkeit auf. Nicht, was er sagte, war dabei wirklich entscheidend,

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