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Karriere und Liebe. Phil Lister
Читать онлайн.Название Karriere und Liebe
Год выпуска 0
isbn 9783844251074
Автор произведения Phil Lister
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Großvater wurde mit seinem Eisernen Kreuz in den Sarg gelegt und neben der Großmutter, an die Felix keine Erinnerung hatte, in die Erde versenkt.
Der Eierlikör-Frieden mit der Mutter wurde nach Großvaters Tod noch mehrmals auf eine harte Probe gestellt. Sie wollte oder konnte sich nicht zum Landverkauf entschließen. „Der Hof ist seit Generationen in der Familie, vielleicht bereue ich den Schritt, vielleicht hast du mal Kinder, die weitermachen wollen“, wand sie ein. Überzeugt wurde sie schließlich von einem Rechtsanwalt und Notar, mit dem sich Felix kurzgeschlossen hatte, als er Mutters Bedenken nicht überwand. Er flößte Mutter Vertrauen ein. So gelang es, über die Abwicklung der Erbschaft Mutters Widerstand aufzuweichen. Ein tragfähiger Kompromiss wurde gefunden. Einige Bauplätze wurden verkauft, ein Großteil des Landes wurde verpachtet. Obwohl noch viel zu tun blieb, fiel doch der grüßte Druck von Felix ab. Er konnte sich jetzt mit aller Energie seinem Beruf widmen, der ihm immer mehr zur Berufung wurde.
Neben der Ausbildung erwarb er ein Diplom als Bilanzbuchhalter, belegte Kurse in Französisch und Business-Englisch, studierte die Prognosen und Geschäftsberichte der Bank in die ihm Dr. Vogt Einsicht verschaffte.
An den wenigen arbeitsfreien Abenden traf er sich mit der grünäugigen, grazilen Mirja, deren Bekanntschaft er einem Erdbeereisfleck auf seinem Hemd verdankte. Die Schauspielschülerin war ebenso begeistertet von ihrem Beruf wie Felix. Und wenn er einmal Zeit gehabt hätte, musste sie ins Theater oder zur Probe. So war es ein Glück in homöopathischen Dosen. Spontan, verrückt und süß, ohne klebrig zu sein.
Felix fühlte zum ersten Mal seine Anziehungskraft zum weiblichen Geschlecht. Wenn der sportliche, breitschultrige, große Felix mit Mirja am Arm durch Frankfurt schlenderte, fühlte er die bewundernden und die verstohlenen Frauenblicke, die ihnen folgten. Da sie sich selten treffen konnten, gab es auch wenig Reibungspunkte, und so bereicherte der Sommerflirt Felix ein ganzes Jahr. Bis Mirja ihr erstes Engagement in der saarländischen Provinz bekam. Felix ahnte, dass damit diese leichte Liebe ein Ende fand. Er konnte und wollte der Beziehung nicht zu viel Zeit opfern. Seine Wissbegierde, sein Wille, in der Bank vorwärts zu kommen, war noch zu übermächtig. Sell hatte ein Auge auf ihn geworfen. Das Vorstandsmitglied ließ sich gelegentlich zu Vorträgen in die Dienstagsrunde einladen, um die Schar der künftigen Mitarbeiter besser sondieren zu können.
„Wer entdeckte die soziale Marktwirtschaft“, fragte er eines Tages. ,,Na, EL, was meinen Sie?“ EL, der sich bei Vorträgen der Vorstandselite weniger arrogant gab, parierte geschickt und antwortete „das war LE, wie doch jeder weiß.“
„Gut gebrüllt, Löwe, aber Ludwig Erhard war nicht der Erfinder der freien Preise und Löhne. Er war inspiriert von, na, von wem, Herr Admont?“
„Das war der Schotte Adam Smith, der eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes schrieb.“
Wie Vogt hatte auch Sell die Begabung, eine trockene Materie locker und spannend aufzubereiten. ,,Der große Smith verbrachte den größten Teil seines Lebens in der schottischen Kleinstadt Kirkcaldy. Auf einem Wochenmarkt seiner Heimatstadt hatte er sein Schlüsselerlebnis, dem wir heute die soziale Marktwirtschaft verdanken. Dort feilschten Bauern, Händler und Handwerker um Absatz und Preise und versuchten, trotz Konkurrenz, so reich wie möglich zu werden. Er sagte sich: Gott schuf die Welt arm, aber seine Geschöpfe haben die Fähigkeit, reich zu werden, wenn sie es wollen. Zunftbeschränkungen, die Verteufelung des Zinses, das war nicht gottgewollt.“
Am Ende des Vortrages bat Sell, so laut dass es alle hören konnten, Felix für den Nachmittag in sein Büro. „Ich möchte sie einem amerikanischen Gast vorstellen.“
Charles Donovan, so hieß der Gast, war Repräsentant einer großen amerikanischen Computer-Firma. Es war Sympathie auf den ersten Blick. Donovan, etwa Mitte 30, erschien Felix als der typische Amerikaner. Er beeindruckte ihn durch seine humorvolle, offene und unbefangene Art. Ein angenehmer, wohltuender Kontrast zu dem steifen und etwas gekünstelten Umgangston in der Bank.
„Ich sehe, Sie haben sich schon angefreundet. Wie wäre es, wenn Sie Mr. Donovan in den nächsten Tagen durch unser Haus und unser Land begleiten? Sie sind dafür freigestellt, Herr Admont. Dr. Vogt ist einverstanden“, erklärte Sell kurz und bündig. Er hatte also die Sache von langer Hand vorbereitet, Felix stimmte begeistert zu. Abends brütete er über einem Besuchsprogramm für die kommenden vier Tage, das Donovan Einsichten in die internen Geschäftsabläufe der Bank, aber auch in das kulturelle und kulinarische Leben vermitteln sollte.
An den ersten beiden Tagen wurde Donovan in der obersten Etage herumgereicht. Sie kamen auch mit den sechs Vorständen zusammen. Daser referierte über Kommunikationsprobleme zwischen den verschiedenen Ebenen und monierte das Fehlen einer einheitlichen bankinternen Kommunikation bei der Darstellung nach außen. „Wir müssen uns ein Image aufbauen“, so sein Credo. Jeder hatte das Gefühl, dass es ein Fenster-Vortrag war, der Donovan beeindrucken sollte, aber, wie immer bei Daser, wirkte er rhetorisch aufgeblasen.
„Jede Bank muss sich ein eigenes Image entwickeln und es auf ihre Angestellten projizieren, wenn diese ein Gefühl der Zugehörigkeit bekommen und emotionelle Bindungen zum Geschick ihrer Bank entwickeln sollen, aus denen die Motivation hervorgeht. Erinnern Sie sich an ein Experiment in Ihrer Physikstunde: Unter einer Glasglocke läutet ein Wecker. Ihr Lehrer arbeitet an der Vakuumpumpe und entzieht der Glocke Luft. Das Läuten wird schwächer und hört schließlich auf. Ohne eigenes Image wird alles, was die Firma von sich gibt, zu einer Stimme im Vakuum, zu einer Stimme ohne Klang. Die Bankangestellten können nichts hören und noch weniger darauf antworten.“
Hinterher unterhielt sich Daser noch angeregt mit Donovan, beachtete aber Felix, der daneben stand, überhaupt nicht.
Am nächsten Tag zeigte Felix dem amerikanischen Besucher die Hollerith-Abteilung. Felix berichtete, dass er vorgeschlagen hatte, das Ablochen der Belege extern machen zu lassen. Donovan pflichtete ihm bei. Er informierte Felix über die Entwicklung elektronischer Großrechner, die in wenigen Jahren zur Verfügung ständen und mechanische Rechenmaschinen und Belegsortierer überflüssig machten. Dann lud Felix zu einem Stadtspaziergang durch Frankfurt ein. Der amerikanische Gast sollte wenigstens eine Ahnung von der Bundesrepublik Deutschland bekommen. Donovan, der bis dahin mit Deutschland nur Weizenbier und Sauerkraut verbunden hatte, war beeindruckt von der Stadtgeschichte Frankfurts, die seit fast 700 Jahren Freie Reichsstadt war. Amerikanische Städte haben da eine wesentlich kürzere Geschichte. Felix führte den Mann aus der Neuen Welt zu den kulturgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten, der Paulskirche, Domplatz, Römer und Goethehaus. Müde und zufrieden tranken sie abends einen Apfelwein in Sachsenhausen und diskutierten die Entwicklungen in der Welt.
„Der am meisten begehrte Rohstoff der amerikanischen Wirtschaft, das ist die brain power. Es sind die Forscher und die Manager, die den Explosionsmotor der Industrie in Gang halten. Sie sind der Treibstoff unseres auf Hochtouren laufenden Entwicklungstempos. Glaub mir, Felix, hinter der menschlichen Stirn liegt die eigentliche Kraftquelle einer permanenten Revolution, die das Neue um des Neuesten willen verwirft und deren Parole lautet: „The moment you think about something, it is already obsolete!“
Donovan berichtete, dass jeder größere Konzern sein eigenes Research Center aufbaute. „Am California Institute of Technology“ sind atemberaubende Durchbrüche gelungen. Es wurden elektronische Datenverarbeitungsgeräte entwickelt, die mit ihrem Gedächtnis in Sekundenschnelle ein gezieltes Literaturverzeichnis zusammenstellen können. 6000 Spezialisten überall in den USA sind damit beschäftigt, das Elektronenorakel mit