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aus den Augen des Kiresh und machte einem Ausdruck Platz, dessen Intensität das Feuer in ihrem Innern noch höher lodern ließ. Ihr Begleiter steckte sein Kesh ein und kam auf sie zu. Dabei wichen seine Augen keinen Wimpernschlag von ihr. Einen halben Schritt vor ihr blieb er stehen. Ein herber Duft nach Leder und Wald stieg Ishira in die Nase. Ihr Herz begann zu hüpfen, als würde der Ipori damit Ball spielen. Obwohl Kiresh Yaren sie nicht berührte, vibrierte ihr Inneres wie eine angeschlagene Saite. Alles in ihr schien sich ihm entgegenzustrecken. Das unversehens aufwallende Verlangen, die letzten beiden Handbreit Luft zwischen ihnen zu überbrücken und seinen Körper unter ihren Fingern zu spüren, erschreckte sie. Woher kam auf einmal dieses starke Empfinden?

      Der Kiresh hob zögernd eine Hand, als würde ihn derselbe Wunsch leiten. Ishira hielt den Atem an, während sie beobachtete, wie sich seine Hand ihrem Gesicht näherte. Doch bevor seine Finger ihre Wange fanden, zuckte er zusammen, als würde er aus einem Traum erwachen, und wich hastig einige Schritte zurück. Von einem Moment zum nächsten wechselte die Farbe seiner Iris zurück zu ihrem üblichen regengrau. Ishira war verwirrt, dass sie deswegen so etwas wie Enttäuschung verspürte. Hatte sie etwa gehofft, dass er sie berühren würde?

      Was ist los mit mir? Er ist ein Gohari, bei allen Göttern! Außerdem war ihr Herz längst vergeben.

      Mit einer verloren wirkenden Geste fuhr ihr Begleiter sich über den Nacken. „Wir sollten zurückgehen“, sagte er eine Spur zu rau. Bevor er sich umdrehte, erhaschte Ishira einen Blick auf den plötzlich gequälten Ausdruck in seinem Gesicht. Sie hörte, wie er Luft holte. „Ich warte bei Kouran Ralan“, schickte er hinterher, ehe er mit langen Schritten davon strebte.

      ***

      Nach wenigen Schritten blieb Yaren stehen und lehnte sich gegen einen Baum. So aufgewühlt wollte er dem Kouran und dessen Männern nicht unter die Augen treten. Als er sich über das Gesicht fuhr, merkte er, dass seine Hand bebte. Hatte er eben wirklich gelacht? Es musste Jahre her sein, seit ihm zuletzt der Sinn danach gestanden hatte. Bevor Larika und Peron gestorben waren. Der Laut hatte in seinen eigenen Ohren fremd geklungen, als wäre es nicht er selbst gewesen, der sich diesem unerwarteten Heiterkeitsausbruch hingegeben hatte, sondern jemand anders. Das Lachen hatte etwas unvorstellbar Befreiendes an sich gehabt. Nur hätte es ihn beinahe auch seine Selbstbeherrschung gekostet: Er hatte kaum gemerkt, dass er sich auf Ishira zubewegt hatte, bis er direkt vor ihr gestanden hatte. Der Anblick ihres nackten Körpers, auf dem Wassertropfen glitzerten wie winzige Kristallsplitter, hatte ihn mehr berauscht als jeder Alkohol. Götter, sie war schön wie die Sünde! Er hatte nur noch daran denken können, sie in seinen Armen zu halten und ihre Haut zu streicheln. Ein Verlangen, von dem er geglaubt hatte, dass es zusammen mit Larika gestorben war, und das besser für immer erloschen geblieben wäre, war neu entzündet worden. Yaren atmete zitternd aus in dem vergeblichen Bemühen, seinen Herzschlag zu beruhigen. Er fürchtete sich vor diesem beinahe vergessenen Gefühl, weil er es niemals mehr zulassen konnte. Niemals mehr zulassen durfte. Er krallte die Hand um seine Kehle und schluckte hart. Er musste dagegen ankämpfen! Auf keinen Fall durfte er sein Begehren noch weiter an die Oberfläche steigen lassen!

      Als er seine Hand wegzog, ließ er sie in der Luft vor seinem Gesicht schweben und starrte sie an wie ein fremdes Wesen. Langsam, beinahe widerwillig, strich er mit der anderen Hand über seinen Handrücken. Zum ersten Mal rief die ledrige Haut unter seinen Fingern ein bitteres Gefühl hervor. Noch vor wenigen Monden hatte er sich Mebilor gegenüber gebrüstet, dass es an seiner Entscheidung nichts zu bereuen gab, weil er davon überzeugt gewesen war, dass er nach Larikas Tod niemals wieder etwas für eine Frau würde empfinden können.

      Wie sehr er sich geirrt hatte!

      KAPITEL III – Von Drachen und Steinen

      Es wurde früher Vormittag, bis die Rampen fertig waren und die Armee aufbrechen konnte. Nachdem die Gohari die Feuer ausgetreten, ihr Gepäck verzurrt und die Wagen angespannt hatten, setzte sich der Zug langsam in Bewegung. Ishira ritt zwischen Kiresh Yaren und Mebilor. Seit der Begebenheit am Wasserfall hatte sie mit ihrem Begleiter kein Wort mehr gewechselt. Obwohl sich ihr innerer Aufruhr inzwischen etwas gelegt hatte, konnte sie den Kiresh nicht ansehen, ohne dass ihr Herz zu flattern begann, und so heftete sie ihren Blick auf Leshas Mähne und begann damit, Strähnen der borstigen Haare zusammenzudrehen. Eine Gefühlsregung dieser Art war ihr bislang völlig unbekannt gewesen. Nicht einmal zu Kanhiro hatte sie sich jemals auf ähnlich starke Weise hingezogen gefühlt.

      Der Gedanke an ihren Freund rief in Ishiras Magengegend ein unbehagliches Ziehen hervor. Wie konnte ein anderer Mann ein solches Verlangen in ihr wachrufen? Ein Mann, der sich die meiste Zeit über alle erdenkliche Mühe gab, sich im schlechtesten Licht zu präsentieren. Seit ihrer allerersten Begegnung hatte der Kiresh trotz seiner offensichtlichen Gleichgültigkeit beinahe allem und jedem gegenüber eine unerklärliche Faszination auf sie ausgeübt, auch wenn sie ihn lange Zeit nicht hatte ausstehen können. Bis sie seine sanfte Seite entdeckt hatte. Und heute hatte sie eine weitere Seite an ihm kennengelernt. Eine Seite, die ihrem Seelenfrieden weitaus gefährlicher werden konnte.

      „Interessante Beschäftigung“, bemerkte Mebilor. „Du kommst mir schon den ganzen Morgen etwas abwesend vor.“

      Peinlich berührt, weil der Heiler den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, sah Ishira auf und stellte fest, dass Leshas Mähne auf bestem Wege war, sich in einen Stachelkamm zu verwandeln. Mit fahrigen Bewegungen strich sie über die verdrehten Strähnen, um sie wieder zu entwirren. „Ich bin ein bisschen nervös“, gab sie zu. Das war nicht gelogen, nur war der Grund ein gänzlich anderer, als Mebilor erwarten würde. Der Heiler musterte sie auf eine Weise, die Ishiras Wangen zum Brennen brachte. Ihre Gedanken standen ihr doch hoffentlich nicht schon wieder ins Gesicht geschrieben? Zum Glück zügelten die Befehlshaber in diesem Moment ihre Pferde, um das Werk der Raikari zu begutachten, und ersparten ihr dadurch weitere Verlegenheit.

      Die Söldner hatten die entasteten Baumstämme zu Rampen von etwas mehr als einer Wagenbreite zusammengebunden. Dabei hatten sie so gewissenhaft gearbeitet, dass zwischen die Stämme kaum eine Klinge gepasst hätte. Die Enden waren abgeschrägt, so dass sich ein beinahe glatter Übergang zum Boden ergab. Der Shohon nickte beifällig und lenkte sein Pferd als erster auf die Stämme. Kiresh Yaren folgte hinter Beruk. Sein Hengst zögerte einen Moment, bevor er seinen Huf auf die abschüssige Rampe setzte. Er klopfte dem Braunen aufmunternd den Hals und trieb ihn sanft vorwärts. Ishiras Stute trottete wie üblich willig hinter Bokan her. Der Kiresh wandte kurz den Kopf, als wollte er sich vergewissern, dass sie zurechtkam, doch er vermied es, sie direkt anzusehen.

      Schritt für Schritt arbeitete Lesha sich voran. Das Wasser gurgelte um ihre Fesseln und spritzte im steinigen Bachbett bis an Ishiras nackte Füße hoch, bevor die Stute die zweite Rampe erreichte. Am jenseitigen Ufer angekommen, lenkte Ishira sie auf Kiresh Yarens Wink hin an seine Seite. Auch Beruk hatte angehalten, während der Shohon die Telani und die übrigen Kireshi weiter in den Wald hinein führte. Ishira erwartete, dass die Koshagi ihnen folgen würden, doch sie verteilten sich entlang des Ufers. Offenbar sollten sie sicherstellen, dass alle Fahrzeuge sicher über den Fluss kamen.

      Als der erste Geschützwagen auf die Rampe fuhr, verfolgte Ishira gespannt, wie das Gespann und sein Lenker die Aufgabe bewältigen würden. Die Räder des fahrbaren Untersatzes waren ringsum mit einander überlappenden, etwa fußgroßen Lederplatten besetzt. Am Anfang hatte Ishira sich gefragt, wozu das gut sein sollte, doch schnell hatte sie festgestellt, dass die Räder sich auf diese Weise nicht so leicht in den Schlamm mahlen und steckenbleiben konnten. Auch jetzt leistete der Lederbesatz gute Dienste, denn er verhinderte, dass die Räder sich zu schnell drehten und das Gefährt zu viel Schwung bekam. Zur Sicherheit gingen zwei Raikari seitlich neben dem Wagen und stemmten sich gegen die Speichen. Vorsichtig setzten die beiden Umasus einen Huf vor den anderen. Sobald der Geschützwagen das Flussbett erreichte, veränderten die Söldner ihre Position und schoben hinten mit an, um das Gespann zu entlasten.

      Endlich waren alle Geschütze auf dieser Seite des Flusses angelangt und das Spiel wiederholte sich mit den Munitionswagen. Gleich auf dem ersten Wagen hockte Kenjin. Seine Hände waren wieder gefesselt. Ishira beobachtete, wie der Wagen von der Rampe ins Wasser rollte. Als

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