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in die dafür vorgesehenen Löcher gesteckt, so dass der Aufbau insgesamt ein langgestrecktes Dreieck ergab. Alle Stangen bestanden aus zwei ineinander steckenden Stäben, die man je nach Bedarf ausziehen konnte, um die Breite oder Länge des Zeltes zu variieren, so dass bis zu vier Personen darin Platz fanden. Kleine Zapfen verhinderten, dass die Stangen ineinander rutschten. Das fertige Gerüst wurde mit einer regendichten Plane aus geöltem Stoff abgedeckt, deren Enden mit Schnüren und Pflöcken am Boden fixiert wurden. Die Zelte waren verhältnismäßig leicht zu transportieren und ließen sich zu zweit ohne großen Zeitaufwand zusammenbauen. Die Sache allein zu bewerkstelligen, würde sich etwas schwieriger gestalten, aber auf Kiresh Yaren warteten heute andere Pflichten. Ishira hievte das schwere Bündel von Leshas Rücken und sah sich nach einem geeigneten Platz um. Sie entschied sich für eine Stelle mit weichem Moos und schleppte Satteltaschen und Zeltgestänge dorthin.

      Dass sie mit ihrem Begleiter im selben Zelt schlief, hatte bei den Kireshi für unerschöpfliche neidische und anzügliche Kommentare gesorgt, aber nachdem Kiresh Yaren den ersten Spöttern angedroht hatte, sie Bekanntschaft mit seinem Kesh machen zu lassen, hatten die Sprüche schlagartig nachgelassen. Ishira war mit der Situation auch nicht glücklicher als er, aber mit wem außer ihm hätte sie sonst ein Zelt teilen sollen? Andere Frauen gab es nicht und allein schlafen ließen die Heerführer sie nicht. Leider erschwerte dieses Arrangement auch ihre Fluchtpläne noch zusätzlich, denn Kiresh Yaren hatte einen leichten Schlaf.

      Ishira war gerade dabei, die erste Bambusstange in die Erde zu drehen, als unerwartet Rohin neben ihr auftauchte. „Warte, ich helfe dir. Unsere Zelte stellen die Kireshi mit auf und dann stehe ich denen wenigstens nicht im Weg.“

      Ishira lächelte dankbar. Bei Rohin ließ sich leicht vergessen, dass er ein Gohari war. „Sie wüssten Eure Hilfe sicher ebenso zu schätzen wie ich. Wenn sich einer mit dem Zusammenbau von etwas auskennt, dann Ihr. Immerhin habt Ihr die ‚Drachentöter‘ erfunden.“

      Rohin grinste schalkhaft, während er ihr zwei der Stangen abnahm. „Erfunden ja, gebaut nein.“

      Als das Gerüst zur Hälfte stand, gesellte sich Mebilor zu ihnen. Seine Hilfe beschränkte sich allerdings darauf, zweifelhafte Ratschläge zu erteilen, wie sie dieses oder jenes Teil halten sollten. Die bedeutungsvolle Miene, die er dabei aufsetzte, brachte Ishira zum Lachen, so dass es ihr erst im dritten Anlauf gelang, die Firststange richtig aufzustecken. Als sie zurücktrat, um ihr Werk zu begutachten, stieß sie mit der Schulter gegen einen der Söldner, die, mit Äxten ausgerüstet, auf dem Weg zum Fluss waren, um den Befehl des Shohon auszuführen. Beim Anblick der rotglänzenden Maske, die das Gesicht des Mannes blutüberströmt erscheinen ließ, blieb ihr die Entschuldigung im Hals stecken. Die schwarzen Augenhöhlen starrten einen endlosen Moment auf sie herab, bevor der Söldner wortlos weiterlief. Schaudernd strich Ishira über ihre Arme, auf denen sich die Härchen aufgestellt hatten.

      „Diese Raikari sind schon ein seltsames Kraut“, murmelte Mebilor. „Ihr Heiler hat mir erzählt, ihre Religion verbiete es, vor Andersgläubigen nackte Haut zu zeigen.“

      Rohin hob die Brauen. „Ach so? Und ich dachte, sie wollten mit dieser Aufmachung den Feind einschüchtern und uns gleich mit.“

      „Aber ihr Anführer hat seine Maske doch abgenommen, als sie damals im Lager angekommen sind“, warf Ishira ein.

      „Wahrscheinlich wollte er damit den Heerführern Respekt zollen“, entgegnete der Heiler, „und natürlich dem Marenash. Abgesehen davon ist Ralan bel Arrak ein Gohari. Er muss nicht zwangsläufig zum Glauben seiner Männer übergetreten sein.“

      Rohin reichte Ishira eine Ecke der Zeltplane. Gemeinsam warfen sie den Stoff über die Bambusstangen. „Das wundert mich eigentlich am meisten“, sagte er. „Wie kommt ein Gohari offensichtlich adliger Abstammung dazu, Anführer einer Söldnertruppe zu werden?“

      „Warum fragt Ihr ihn nicht einfach?“ schlug Mebilor vor.

      „Vielleicht werde ich das, wenn sich die Gelegenheit bietet.“ Rohin zurrte die letzte Leine fest. „Fertig.“ Er rüttelte an dem Gestell. „Über dem Kopf zusammenbrechen wird es dir heute Nacht jedenfalls nicht.“

      Ishira erwiderte sein Lächeln. „Beruhigend zu wissen. – Danke für Eure Hilfe, Deiro.“

      Der Telan winkte ab. „Keine Ursache.“

      „Schön.“ Mebilor strich etwas Erde von seiner Robe. „Dann lasst uns sehen, was sich die Köche für heute haben einfallen lassen.“

      „Lasst mich raten“, erwiderte Rohin mit gespieltem Ernst. „Dasselbe wie gestern und vorgestern und alle Tage davor?“

      Der Heiler verzog das Gesicht. „Ich fürchte, mit Eurer Vermutung liegt Ihr richtig. Außerordentlich bedauerlich.“

      Ishira lächelte in sich hinein. Sie selbst war es gewohnt, tagein tagaus das Gleiche zu essen, aber für einen Mann wie Mebilor musste die Feldküche die reinste Zumutung sein. „Vielleicht überraschen sie Euch heute.“

      Der Heiler schmunzelte. „Willst du mich beunruhigen?“ Dann maß er Ishira mit einem nachdenklichen Blick. „Ich weiß zwar nicht, ob es hilfreich ist oder nicht, wenn ich dich zum Feuer der Kommandanten mitnehme, aber einen Versuch ist es wert. Mir kam vorhin die Idee, dass du uns den Abend mit deiner Musik versüßen könntest.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Manchmal vermag die Musik, was Worte nicht schaffen.“

      Ishira verstand sofort, worauf Mebilor anspielte. Rasch holte sie das Rehime, das ihr Kanhiros Vater im vergangenen Jahr geschenkt hatte und das sie hütete wie einen Familienschatz, aus ihrer Satteltasche, bevor sie Mebilor zum vordersten Lagerfeuer folgte. Beim Anblick der hochlodernden Flammen schoss ihr durch den Kopf, dass sie den Amanori nicht deutlicher zeigen könnten, wo sie zu finden waren. Hatten die Echsen sie wirklich noch nicht entdeckt? Oder beobachteten sie die Armee aus sicherer Entfernung und versuchten, ihren Gegner einzuschätzen? Einen Moment lang vermeinte Ishira förmlich die goldenen Augen auf der Haut zu spüren, doch sie schüttelte das Gefühl rasch ab. Wenn sie echtes nicht mehr von eingebildetem Empfinden unterscheiden konnte, war sie niemandem eine Hilfe.

      Die Befehlshaber teilten ihr Lagerfeuer mit den Telani. Am Feuer dahinter hatten sich die Koshagi versammelt, die Paladine des Statthalters, und schräg gegenüber die Raikari. Doch während an den anderen Feuern gescherzt und gelacht wurde, saßen die maskierten Söldner schweigend beisammen. Offenbar war auch dies ein Teil ihrer Regeln.

      Der Shohon musterte Ishira irritiert, als sie hinter Mebilor und Rohin in den Flammenschein trat. Der Blick seines Stellvertreters war noch deutlich weniger freundlich. Beruks rechter Mundwinkel verzog sich griesgrämig. „Ist das Eure neue Strategie, um uns weichzuklopfen, Telan? Oder wollt Ihr die Sklavin in Kiresh Yarens Abwesenheit selbst im Auge behalten?“

      Eine von Mebilors eindrucksvollen Brauen rutschte in die Höhe. „Ihre Gesellschaft ist der sicherste Ort im Lager“, gab er zurück.

      Beruk sah einen Moment lang verblüfft aus, dann lachte er dröhnend. „Der geht an Euch, Heiler! An Eurer Stelle würde ich dem Mädchen allerdings nicht zu sehr vertrauen.“

      „Ich lasse es darauf ankommen.“ Mebilor wies auf das Rehime. „Aber Spaß beiseite: tatsächlich gingen meine Überlegungen dahin, dass Ishira uns nach dem Essen das Herz mit ein wenig Musik erwärmen könnte.“

      In den Augen des Bashohon glomm Spott auf. „Haltet Ihr dies hier für eine Eurer gelehrten Zusammenkünfte?“

      Der Heiler sah ihn liebenswürdig an. „Soll ich aus Eurer Bemerkung schließen, dass ein Feldlager ein Ort für kulturlose Wilde ist?“

      Einem der Telani entwich ein erheitertes Schnauben, das er vergeblich in ein Räuspern umzuwandeln versuchte. Auf Beruks Wangen erschienen rote Flecke, doch bevor er auffahren konnte, hob der Shohon die Hand. „Was mich betrifft, wäre mir ein wenig Zerstreuung durchaus willkommen, und wenn ich in die Runde schaue, erkenne ich bei den meisten der Anwesenden Zustimmung. Also mag das Mädchen später für uns spielen.“ Ein kaum wahrnehmbares Lächeln zuckte um seine Lippen. „Wir wollen schließlich keinen unzivilisierten Eindruck erwecken.“

      Beruks

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