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die Raikari Ishira keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und er wollte, dass das so blieb. „Weshalb? Weil ein Teil Eurer Leute von ihrer Musik buchstäblich ergriffen war?“

      „Unter anderem. Von wem hat sie gelernt, so zu spielen?“

      Yaren zuckte mit den Schultern. „Das kann ich Euch nicht sagen.“

      „Ihr seid nicht gerade mitteilsam.“

      „Gilt das nicht ebenso für Euch selbst?“

      Es kam ihm so vor, als würde Ralan hinter seiner Maske lächeln. „Was wollt Ihr denn wissen?“

      „Zum Beispiel, wie ein Adliger zum Anführer einer Gruppe von Söldnern wird.“

      Ralan schwieg einen Moment. „Das war ich nicht immer, wie Ihr Euch denken könnt. Als junger Mann diente ich wie Ihr in der goharischen Armee, hier auf Inagi.“

      Ralan stammte von Inagi? Das könnte erklären, weshalb er dessen Familie nicht kannte. Yaren versuchte sich daran zu erinnern, wie alt der Söldnerführer war. Irgendetwas zwischen Vierzig und Fünfzig. „Was ist passiert?“

      Sein Gesprächspartner schwieg erneut, als würde er abwägen, wie viel er preisgeben konnte. „Gewisse Umstände zwangen mich dazu, den Dienst zu quittieren und mich neu zu orientieren.“

      Aus dieser nebulösen Erklärung schloss Yaren, dass Ralan vor Jahren in Ungnade gefallen war und die Insel hatte verlassen müssen. Erstaunlich, dass der Marenash ihn jetzt zurückgeholt hatte. Seine Truppe musste sich wirklich durch außerordentliche Kampffertigkeiten auszeichnen. Was mochte Ashak dem Söldnerführer im Gegenzug geboten haben? Begnadigung? Es war allerdings merkwürdig, dass keiner der Kireshi schon einmal von den Raikari gehört hatte. Gewöhnlich rankten sich um außergewöhnliche Kämpfer schnell Legenden, zumal wenn sie so auffällige Erscheinungen waren wie Ralans Männer.

      „Ich habe Eure Frage beantwortet, soweit es mir möglich war“, sagte dieser einen Augenblick später. „Würdet Ihr jetzt die meine beantworten?“

      „Ich kann Euch nicht viel über das Mädchen sagen, außer dass sie eine Waise ist. Über ihre Eltern ist nichts bekannt. Wie Ihr sehen könnt, fließt in ihren Adern sowohl inagisches als auch goharisches Blut, aber woher ihre besondere Verbindung zur Kristallenergie rührt, weiß niemand.“

      „Eine recht geheimnisvolle Verbündete also.“

      Yaren schnaubte. „Sagt der Richtige.“

      Ralan gab ein dumpfes Lachen von sich, das allerdings nicht besonders heiter klang. „Nun, ich schätze, jeder hat seine Geheimnisse. Ihr habt sicher auch Eure Gründe, weshalb Ihr die Drachen jagt“, meinte er mit einem Nicken in Richtung der Trophäensammlung um Yarens Hals.

      Yaren strich über die langen, gelblichen Zähne, die mit leisem Klacken gegeneinander schlugen. „Was ist mit Euren Männern?“ fragte er anstelle einer Antwort. „Ich schätze, sie kommen alle vom Festland. Wissen sie überhaupt, worauf sie sich eingelassen haben?“

      „Weiß das überhaupt einer von uns?“ gab Ralan zurück. „Aber Ihr zielt vermutlich darauf ab, ob meine Männer schon einmal gegen Drachen gekämpft haben. – Wenn es Euch beruhigt: ja, das haben sie.“

      Jetzt war Yaren wirklich erstaunt. „Also seid Ihr schon länger auf Inagi?“

      „Schon eine geraume Weile. Der Kampf gegen die Drachen lässt sich nur hier trainieren.“

      „Wohl wahr.“ Wie es aussah, hatte der Marenash nichts dem Zufall überlassen wollen. Er musste Ralan sofort, nachdem er den Feldzug beschlossen hatte, kontaktiert haben. Nur wie hatten die Söldner ihre Anwesenheit auf Inagi die ganze Zeit über geheim halten können? Sie mussten bei Nacht und Nebel an einem einsamen Küstenabschnitt angelandet und von dort aus abseits der Hauptstraßen in die Berge aufgebrochen sein. Auf keinen Fall hatten sie in einer der Hafenstädte Anker geworfen. Dort verbreiteten sich Gerüchte schneller als ein Feuersturm. Aber aus welchem Grund hatten die Raikari sich verborgen gehalten? Hatte Ashak Sorge gehabt, der Baishar in Gohar könnte argwöhnen, sein Vasall plane einen Aufstand? Die ganze Angelegenheit wurde immer mysteriöser.

      ***

      Ishira vergewisserte sich noch einmal, dass keiner der Raikari sie sehen konnte, bevor sie ihr Kleid abstreifte und über einen niedrighängenden Ast legte. Aus dem kleinen Beutel an ihrem Gürtel holte sie das Stück Seife, das Mebilor ihr vor ihrem Aufbruch aus Inuyara geschenkt hatte. Mit verschmitztem Lächeln hatte er gemeint, dass man selbst in einem Feldlager nicht auf ein Mindestmaß an Annehmlichkeit verzichten könne. Vorsichtig streckte sie ihren Fuß ins Wasser. Es war schneidend kalt, aber die Aussicht, sich endlich wieder richtig waschen zu können, entschädigte dafür mehr als genug. Ishira stieg bis zu den Knien in das Felsbecken und holte Luft, um sich für die Kälte zu wappnen. Dennoch schauderte sie zusammen, als sie in die Hocke ging und das Wasser gegen ihre Brüste schwappte. Rasch rieb sie die bläuliche Seife zwischen den Fingern, bis diese zu schäumen begann. Ishira massierte etwas von dem duftenden Schaum in ihre Haare und verteilte den Rest auf der Haut. Rasch tauchte sie unter, um ihn abzuspülen. Als sie schließlich ans Ufer zurückwatete, war ihr ganzer Körper von einer Gänsehaut überzogen und sie zitterte heftig, aber sie kam sich vor wie neu geboren.

      Wasser rann ihr in die Augen. Sie wischte sich die Tropfen mit einer Hand aus dem Gesicht und tastete mit der anderen blind nach ihrem Untergewand. Ihre Finger berührten etwas Pelziges. Mit einem Aufschrei zog sie ihre Hand weg und sprang zurück. Klatschend landete ihr rechter Fuß im Wasser, was sie fast das Gleichgewicht kostete.

      Vor ihr erklang ein Keckern. Große blaugraue Augen starrten in ihre. Auf dem Ast, auf dem sie ihre Kleidung deponiert hatte, hockte ein Ipori und hielt ihr Kleid in den Pfoten. Offenbar hatte die leuchtende Farbe des Stoffes ihn angelockt. Das Fell auf seinem buschigen, blau-beige geringelten Schwanz hatte sich aufgestellt wie eine Bürste. Aufgeschreckt machte er Anstalten, mit ihrer Kleidung zu entschwinden. Ohne nachzudenken, fasste Ishira zu und erwischte gerade noch einen Zipfel des Stoffes. „Das könnte dir so passen, du kleines Biest!“ schimpfte sie. „Wirst du wohl meine Sachen los lassen!“

      Der freche Waldbewohner fauchte sie an und entblößte dabei kleine spitze Eckzähne. Verbissen zerrte Ishira an ihrem Kleidungsstück, doch der Ipori hatte seine Hinterbeine in die Baumrinde gekrallt und dachte gar nicht daran, seine Beute herzugeben.

      In diesem Moment brach Kiresh Yaren durch die Büsche, sein Kesh kampfbereit in der erhobenen Hand. „Was ist pass…?“ Der Rest des Satzes endete in einem eigentümlichen Zischlaut, als hätte ihr Begleiter den Atem durch die Zähne entweichen lassen. Das bizarre Ringen hatte ihm buchstäblich die Sprache verschlagen. Einen langen Augenblick stand er einfach nur da und schaute Ishira und den Ipori entgeistert an, bevor seine Arme langsam herabsanken. Um seine Lippen zuckte es. Erst zog sich ein Mundwinkel nach oben, dann der andere. Unvermittelt begann der Kiresh zu glucksen, dann zu prusten und schließlich brach er in Gelächter aus. Es klang ein wenig rau und schwergängig, als wäre es durch langen Nichtgebrauch eingerostet, aber es war unverkennbar ein Lachen.

      Der Ipori hatte genug. Zeternd sprang er den Baum hinauf und verschwand zwischen den Ästen. Ishira merkte es kaum. Ihre Augen hingen an ihrem Begleiter, der sich gerade eine Lachträne von der Wange wischte. Er konnte lachen! Nicht nur lächeln, sondern von Herzen lachen! Der warme Klang ließ Ishiras Atem stocken. Um sie herum schien es heller zu werden, als würde die Sonne durch die Wolken brechen. Die düstere Aura, die den Kiresh gewöhnlich umgab, löste sich auf wie Morgennebel. Mit einem Mal stand dort der Junge, den noch kein tragisches Schicksal verbittert hatte. Nie war Ishira sein Gesicht so anziehend erschienen. Seine grünen Augen sprühten förmlich vor Lebendigkeit. Einer dieser Funken sprang auf Ishira über und entfachte ein Feuer in ihrem Innern. „Ihr solltet das öfter tun“, entfuhr es ihr.

      „Was?“ fragte er immer noch erheitert.

      „Lachen. Das steht Euch gut zu Gesicht.“ Sie hatte bisher nie bemerkt, wie fein geschwungen seine Lippen waren, wenn er sie ausnahmsweise nicht zusammenkniff.

      Ausgerechnet in diesem Moment ging ihr auf, dass sie nackt war. Das Feuer stieg ihr

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